Mittwoch, 6. April 2022

Reißbrett

Meshuggah - Immutable
MESHUGGAH
Immutable
Atomic Fire
2022
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ technisch | hartkantig | routiniert ]
 
Als die schwedigen Progmetal-Epigonen Meshuggah im Herbst 2016 mit the Violent Sleep of Reason zum letzten Mal ein Album veröffentlichten und schon damals eher ziemlich gute Vermächtnisverwaltung betrieben als kompositorische Innovation, kam vor allem von Seiten der Laufkundschaft aus dem Nicht-Metal-Bereich erstmals ein wenig die Kritik zum Vorschein, wie langweilig und monoton ihr Sound inzwischen doch geworden sei und dass sie zumindest im weiten Bereich des hartkantigen Progmetal keine Band mehr wären, zu der man aufsehen könnte. Sowohl aus persönlicher Erfahrung als auch aus meiner Kenntnis ihrer Fangemeinde heraus weiß ich aber, dass diese Sorge ziemlich unberechtigt ist. Denn wo die treuen Anhänger der Gruppe sowieso schon seit Jahr und Tag mit tiefster Verehrung alles aus der Hand fressen, was diese ihnen vorsetzt, gab auch mir die letzte Platte nicht das Gefühl, dass fehlende Neuerungen für sie irgendwo ein Problem waren. Und das nicht nur deshalb, weil the Violent Sleep of Reason so oder so ein ziemlich knackiges Album war, sondern zu einem großen Teil auch deshalb, weil Meshuggah in ihrer stilstischen Nische ein bisschen die letzten Überlebenden sind. Das schon immer reichlich nerdige Subgenre des Djent, das die Schweden Anfang der Zwotausender wesentlich mitprägten und das während einer gewissen Zeit auch tatsächlich eine kleine Szene um sich scharte, ist im Laufe der letzten zehn Jahre zu einer Art Treppenwitz des Metal geworden, über das selbst die eisernen Fans sich inzwischen nur noch halbironisch lustig machen. Mit Meshuggah als die eine große Ausnahme, bei der es dann doch mal kurz ernst wird und man sich darauf einigen kann, dass sie tatsächlich eine der wenigen Bands waren, die in den letzten zwei Dekaden wirklich was bewegt hat. Und sie Stand 2022 in einer Position zu haben, in der sie gemütlich alle vier bis fünf Jahre ein nicht mehr unbedingt visionäres, aber durchweg stabiles und stilsicheres Album droppen, ist letztlich für alle das beste. Wobei Immutable in diesem Sinne mal wieder ziemlich gut seiner Aufgabe als solches nachkommt. Hungrig auf neue Musik der Schweden war ich ja jetzt sowieso schon eine ganze Weile wieder und sie hier erneut wieder so wahnsinnig gut eingespielt und kompositorisch tight zu erleben, erfüllt ergebnistechnisch irgendwie alle bestehenden Hoffnungen. Im Vergleich zum teilweise etwas esoterischen Vorgänger ist die neue LP dabei zwar wieder etwas grantiger und technisch verkopfter, was aber tatsächlich nur auf den ersten Blick wirklich ein Problem ist. Zugänglich waren Meshuggah in den letzten dreißig Jahren eh noch nie und dass es hier wieder ordentlich groovt und gniedelt, braucht vielleicht ein bisschen Überwindung, funktioniert spätestens beim zweiten Hören (idealerweise auf den richtigen Kopfhörern) auch fantastisch. Und wo die erste Hälfte von Immutable sich auf wunderbare Weise anfühlt wie ein knallhartes und zähes Brett aus magnetisierten Eisenspänen, an dessen Oberfläche man sich schonmal ein bisschen aufscheuern kann, ist Teil zwei ab circa They Move Below der leicht mit Postrock und Prog-Fluff versetzte Cooldown, auf dem es an den richtigen Momenten trotzdem noch gehörig abgeht. Wie immer ist es dabei faszinierend, Meshuggah mithilfe von stimmiger Produktion und miuntiös austarierte Dynamik im Songwriting eine Klangfassade erschaffen zu hören, die trotz ihrer ganzen Haudrauf-Attitüde und technischen Durchgeknalltheit niemals anstrengend wird. Oder zumindest nur so, wie Meshuggah das halt eh immer schon waren und wie man das auch ein bisschen von ihnen will. Und klar könnte man jetzt monieren, dass man hier nun schon wieder fünf Jahre auf eine Platte gewartet hat, die wieder ein bisschen das gleiche auftafelt wie schon die drei davor und sie hier vielleicht etwas zu sehr Dienst nach Vorschrift machen, in meinen Augen ist das für diese Band aber verdiente Stagnation. Denn innovativ waren diese Jungs in der Vergangenheit echt schon genug und es ist 2022 nicht mehr ihre Verantwortung, diese Art von Impulsen zu setzen. Hat die Szene halt Pech, wenn sie ihr Nachwuchsproblem nach so langer Zeit noch immer nicht selbst in den Griff kriegt.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11

Persönliche Höhepunkte
Broken Cog | the Abysmal Eye | Light the Shortening Fuse | Phantoms | God He Sees in Mirrors | They Move Below | Kaleidoscope | Black Cathedral | I Am That Thirst | the Faultless | Armies of the Preposterous | Past Tense

Nicht mein Fall
-


Hat was von

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