Donnerstag, 28. April 2022

Vom Glück verfolgt

Yung Lean - Stardust
YUNG LEAN
Stardust
YEAR0001 | World Affairs
2022
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ drainig | dillettantisch | ätherisch ]
 
Ich muss an dieser Stelle schon mal ganz ehrlich feststellen, dass Yung Lean ein ziemlicher Glückspilz gewesen ist in den letzten paar Jahren und es eigentlich ein riesengroßer Zufall ist, dass wir an dieser Stelle noch auf diese Weise über ihn reden. Denn ginge es mit rechten Dingen zu, dann wäre er spätestens vor fünf Jahren oder so mit dem Abklingen der Welle um die erste Cloudrap- und Sadboy-Welle (die er ja schon damals ganz wesentlich prägte) auch wieder in die Untiefen der Szene verschwunden, in die alle anderen aus seiner Generation abstürzten und hätte dort zwar weiterhin gute Platten gemacht, diese wären aber bei weitem nicht mehr so erfolgreich gewesen wie sein früheres Zeug. Und wenn man ganz genau ist, war der Schwede vor nicht allzu langer Zeit ja auch schon ein bisschen an diesem Punkt. Platten wie Stranger oder Warlord, die er zwischen 2015 und 2018 veröffentlichte und die rückblickend vielleicht seine besten waren, hatten eher die Aura geheimtippiger Indie-Releases, die von wenigen verbliebenen Fans gefeiert wurden und Yung Lean fast schon zu einem Künstler für versierte Cloudrap-Gourmets machte denn zu einem tatsächlichen Zugpferd für irgendwelche Trends. Dann jedoch begann vor etwa drei Jahren der Hype um die Platten seiner Protegées der Drain Gang, die ihre Existenz ja als Nebenschauplatz seines Hauslabels YEAR0001 begannen und weil das an glücklichen Zufällen für den Schweden anscheinend noch nicht reichte, landete er kurz vor Ende des letzten Jahres auch noch einen völlig unvorhergesehenen Tiktok-Hit, der ironischerweise ausgerechnet sein einstiger Szene-Durchbruch Ginseng Strip 2002 von 2013 war, der nun zum Erstkontakt für gleich zwei Generationen neuer Fans wurde. Egal wie man es aber nun betrachtet, ist der erneute Erfolg des Yung Lean grundsätzlich das Ergebnis einer langwierigen Entwicklung von Umständen, die auf ein Projekt wie Stardust auch durchaus einen gewissen Einfluss ausüben. Und zwar nicht nur den, dass es gerade wieder ein Album gibt, auf das junge Leute im Vorfeld wieder sehr gespannt waren, sondern ein bisschen auch den, dass der Künstler selbst den Kontakt zur Vergangenheit sucht. So sind Songs wie Bliss oder Paradise Lost in meiner Erinnerung die ersten seit mittlerweile gut fünf Jahren, in denen Yung Lean mal wieder rappt (wenn man so nennen will) und dabei immer noch so pubertär und zugedröhnt klingt wie 2013. Gleichzeitig ist Stardust aber auch in vielen Belangen ein Projekt, das als sehr zeitgenössische Unternehmung stark unter dem Eindruck der letzten Drain Gang-Projekte steht, die sich ja immer mehr in Richtung Hyperpop orientierten und damit auch irgendwie weniger Rap als je zuvor machen. Was in nicht wenigen Tracks wie in Lips oder Starz2theRainbow dazu führt, dass die Vocals sich hier einer Art seltsamer Schlafzimmerstimme betätigen, die mich ein bisschen an die letzten Sachen der Black Dresses erinnern, hier aber leider kein bisschen so cool und visionär rüberkommt wie bei denen. Gepaart mit vielen seltsamen Lyrics (vor allem in Lips), in denen Yung Lean sich an geschmeidigem Pillow Talk probiert, klingen sie für mich eher ganz schön peinlich und zeigen ganz klar eine Nische im Songwriting des Schweden, in der er sich ziemlich verrannt hat. Was aber trotzdem nicht heißt, dass es auf Stardust nicht auch viele richtig gute Elemente gibt, die dann allerdings eher im musikalischen Bereich brillieren. So hat der eröffnende Teil der Platte mit Bliss und Trip zwei seiner besten Nummern gleich an der Spitze, die alle beide mit fantastischer Beatarbeit und in ersterem Fall auch mit einem echt coolen FKA Twigs-Feature überzeugen und in SummerTime Blood ist es anschließend niemand geringeres als Skrillex, der mithilfe der Drain Gang-Homies Ecco2K und Bladee einen echten Hit zusammenzimmert, den Yung Lean auf diese Weise lange nicht hatte. Und wenn ich die vielen gegensätzlichen Eindrücke auf Stardust schlussendlich resümiere, überwiegen in meinen Augen sogar ein kleines bisschen die guten Momente. Wobei das letztlich keine Bilanz ist, auf die man im Hause YEAR0001 wirklich stolz sein sollte. Denn besser waren die Platten des Schweden in der Vergangenheit auf jeden Fall schon. Sicher ist das hier im großen und ganzen vor allem eine sehr abenteuerliche Unternehmung, die ein bisschen versucht, mit Hörgewohnheiten zu brechen und als solche schätze ich sie theoretisch auch. Nur ist das ja nun wirklich nicht das erste Mal, dass ein Yung Lean sowas mit seiner Musik versucht und wenn ich ehrlich bin, war sein Umgang damit früher souveräner und auch qualitativ besser. Die gute Nachricht ist am Ende jedoch: Eine Korrelation zwischen seinem erneuten Fame und dieser mittelmäßigen Performance kann ich aufgrund von Stardust für den Moment erstmal nicht ziehen und wenn überhaupt, hat das kleine Revival den Schweden noch ein bisschen entrückter und grantiger gemacht. Und dass wir von ihm mittelfristig noch die ein oder andere richtig gute Sache zu hören bekommen, glaube ich trotzdem noch. Egal ob das Publikum dafür nun Szenenerds oder Teens auf Tiktok sind.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠⚫⚫⚫⚫ 06/11

Persönliche Höhepunkte
Bliss | Trip | All the Things | SummerTime Blood

Nicht mein Fall
Starz2theRainbow | Lips | Waterfall


Hat was von
Dorian Electra
My Agenda

Bladee
the Fool


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