Samstag, 22. Januar 2022

Unmissverständlich

FKA twigs - Caprisongs
FKA TWIGS
Caprisongs
Atlantic
2022
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ kommerziell | verspielt | positiv ]
 
Es lohnt sich in meinen Augen zu diesem Zeitpunkt in FKA Twigs' Karriere durchaus mal, den Blick auf eine Platte wie Caprisongs mit der Frage zu beginnen, wo die Britin als Künstlerin eigentlich gerade steht und wohin sie sich seit ihrem Debüt, das ja nun auch schon wieder fast acht Jahre her ist, eigentlich entwickelt hat. Denn allein daran gemessen, wie lange sie in der vergangenen Dekade dafür brauchte, überhaupt erstmal so etwas wie eine eigene Arbeitsweise festzusetzen und wie vehement sie sich dabei gegen eine klare Popstar-Rolle positionierte, ist sie inzwischen doch ganz schön souverän in einer solchen angekommen. Zumindest vorläufig. Nachdem Magdalene vor drei Jahren nochmal sowas wie ein zweites Debüt für Twigs war, das viele künstlerische Parameter auf Reset setzte und danach lange Zeit erstmal wieder Ruhe, gibt Caprisongs als erstes richtiges Signal der Britin seit besagter Platte wieder Mal Raum zur Spekulation darüber frei, in welche Richtung sich diese ganze Unternehmung eigentlich gerade bewegt. Und die ist auf diesem offiziell als Mixtape untertriebenem Werkstück relativ eindeutig Pop. Zwar immer noch auf eine ziemlich entrückte, verkunstete und schüchterne Weise, aber am Ende doch mit genug Nachdruck, um als eindeutiges Statement durchzugehen. Warum sonst veröffentlicht man eine Leadsingle mit prominent platziertem the Weeknd-Feature, der noch dazu verboten catchy ist? Warum sonst klingen die meisten Songs hier wie eine etwas coolere und beflissenere Version der letzten paar Ariana Grande-Alben, beziehungsweise auch sehr nach Rina Sawayama und ihrem vielschichtig verwobenen Retropop? Ob Twigs es nun beabsichtigt hat oder nicht, das hier ist die bisher eingängigste Platte ihrer gesamten Karriere und für mich damit definitiv auch eine ihrer besseren. Denn nach ihren doch sehr ungreifbaren und prätenziösen ersten Platten und dem schon wesentlich cooleren Magdalene, das deutlich mutiger ins Rampenlicht seines eigenen Hypes trat, ist dieses hier endlich mal der bratzig-souveräne Auftritt, den diese Künstlerin in meinen Augen schon lange verdient hat und sich jetzt auch endlich mal traut. Wobei das coolste daran ja ist, dass sie ihn hier durchweg nach ihren eigenen Vorstellungen gestaltet und er dadurch auch zu mehr wird als nur zu einem guten Pop-Moment. FKA Twigs ist in Sachen Girlbossigkeit nun mal keine Nicki Minaj und vielleicht noch nicht mal eine Ariana Grande, trotzdem gibt es hier schnittige Dancehall-Bops wie Papi Bones, düster-grimige Rap-Crossover wie Darjeeling oder Songs wie Ride the Dragon, die auf souveräne Weise verrucht und sexy sein wollen und das auch sind. Wobei ich persönlich finde, das für diese Teile von Caprisongs der anberaumte Mixtape-Charakter perfekt ist, weil man dadurch merkt, dass Twigs einfach Spaß an diesen Songs hat und eben keine große Kunst und kein wichtiges Statement setzen muss. Mit dem coolen Nebeneffekt, dass sie dabei trotzdem eine ihrer besten Arbeiten aufnimmt und mit dem Ergebnis nicht weniger leistet als ein Magdalene oder ihr Debüt. Wenn überhaupt, sind die Botschaften diesmal sogar wesentlich konkreter und legen ihr tolles Empowerment-Potenzial nicht in einen schwer zu identifizierenden Subtext, sondern in die Themen der Songs selbst. Und obwohl mich an vielen Stellen auch die zahlreichen Interludes nerven, die mir die positive Messages und den Selfcare-Appell der Platte doch ein bisschen zu sehr aufs Brot schmieren, spricht dieses Attribut von Caprisongs letztlich auch nur für seine Zugänglichkeit und die Art, wie Twigs' Musik hier strukturell aufklart. Was mich wundert, denn eigentlich sind Metamorphosen wie diese für mich oft negativ belastet und ich finde es selten gut, wenn Künstler*innen Mystizismus und Komplexität ihrer Arbeit für einen unkomplizierteren Gesamteindruck opfern, dieser hier tut es aber anscheinend gut und ich muss feststellen, dass mich FKA Twigs nach der ersten Überraschung auf Magdalene hier ein weiteres Mal von sich überzeugt hat. Und obwohl ich tatsächlich eher nicht glaube, dass der auf Caprisongs gestaltete Sound in ihrer Karriere eine besonders nachhaltige Rolle spielen wird, denke ich trotzdem, dass man sich an ihn erinnern wird. In meinem Fall sicherlich auch nicht auf negative Weise.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11

Persönliche Höhepunkte
Honda | Tears in the Club | Oh My Love | Pamplemousse | Papi Bones | Careless | Thank You Song

Nicht mein Fall
Minds of Men | Alle Interludes


Hat was von
Ariana Grande
Thank U, Next

Rina Sawayama
Sawayama


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