Donnerstag, 13. Januar 2022

Joke's On You

Gunna - DS4EVER
GUNNA
DS4Ever
Young Stoner Life | 300 Entertainment
2022
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ sediert | unreif | plätschernd ]

Ich finde es ja ehrlich gesagt ein bisschen schade, dass wir 2022 anscheinend an einem Punkt sind, an dem der Großteil der Musiknerd-Community über Gunna nur noch als eine Art kolossale Hiphop-Punchline spricht, zu dessen Output man schon von Vornherein ein Verhältnis der ironischen Mindestdistanz führt, damit man diesen um den Willen der Credibility bloß nicht zu ernst nimmt. Und sicher, wir reden im Falle dieses Rappers keinesfalls von einem der unterschätzten Genies des Amitrap, das der Plebs da draußen bloß nicht richtig versteht, sondern bestenfalls von einem der etwas besseren Young-Thug-Klone der letzten Jahre, die auch mal selber einen geraden Takt raushauen können. Dennoch verfasse ich hier gerade meinen bereits dritten Post zu einem Album von ihm, das ich ehrlicherweise gar nicht mal so übel finde und stellenweise sogar ziemlich mag. Selbst wenn das in erster Linie lediglich heißt, dass ich mich davon irgendwie unterhalten fühle. Sowohl Wunna von 2020 als auch die zweite Young Stoner Life-Compilation vom letzten Jahr, von der er ja ein ganz wesentlicher Teil war, waren in meinen Augen Platten aus seiner Feder, mit denen ich ziemlich viel Spaß hatte und wenn man mich fragt, wird Gunna in dieser Hinsicht auch mit jedem neuen Album ein bisschen besser. Wobei wir spätestens mit dieser LP an einem Punkt sind, wo ich persönlich feststellen muss, dass ich ernsthaft begeistert bin. Ganz einfach deshalb, weil dieser Typ sehr genau zu wissen scheint, was er da tut und diese Strategie wahrscheinlich durchaus beinhaltet, dass seine Songs auf den ersten Blick immer ein bisschen beschränkt und einsilbig wirken. Auch auf den fast 20 Tracks dieser Platte geht es im wesentlichen wieder darum, wie iced out Gunnas neue Rolex ist, dass er ziemlich viele Drogen konsumiert und anscheinend ein ebenso kreatives wie erfüllendes Sexualleben genießt. Das waren bereits auf den letzten Longplayern dieses Typen die wesentlichen Parameter und auch da waren ebendiese ein einzigartig aberwitziger Quell der göttlichen Unterhaltung, ganz einfach weil seine Art Texte zu schreiben so herrlich weird und unverblümt ist, dass ich auf eine gewisse Weise beeindruckt bin. Wobei die Art meiner Begeisterung in vielen Punkten die gleiche ist, die ich in Vergangenheit auch schon für die Musik von Lil Pump oder Machine Gun Kelly hatte: Irgendwie ist es lächerlich, aber in jeder Hinsicht die Art von Lächerlichkeit, die meine Erfahrung mit dem Material zu einer guten macht. Wobei DS4Ever gerade auch deshalb so bemerkenswert ist, weil es dieser, nun ja...eigenwilligen lyrischen Arbeit trotz allem eine extrem hochwertige musikalische Basis zugrunde liegt, die nicht selten ziemlich abenteuerlich werden kann. So mag ich in Mop die leicht hyperpoppig-playboi-carti-mäßigen Beatstrukturen, an 25k Jacket den grimigen Drill-Flip mit den zornigen Streichern und an Livin Wild die herrlich versamplete Hook von Keith Sweats schmonzettiger Achtziger-Powerballade Why Me Baby?, wobei alle dieser Instrumentals hier ziemlich gekonnt abgemischt wurden. Zudem ist DS4Ever auch in Sachen Performances ein Hingucker, da fast alle Features hier irgendwie gut reinpassen (außer natürlich Chris Brown, der sich nach wie vor verpissen gehen kann) und insbesondere die Adlibs auf diesem Album sind nicht selten richtig cool gemacht. Und spätestens hier muss man auch sagen, dass keine dieser musikalischen Entscheidungen irgendwie trashig oder belustigend wirkt, sondern ohne jeglichen doppelten Boden einfach hochwertig ist. Wenige Trapplatten aus den letzten Jahren klingen in fast einer Stunde Spielzeit so abwechslungsreich und kreativ und sind noch dazu mit so viel Fingerspitzengefühl produziert wie diese hier. Und sicher, am Ende sind das hier auch nur popfreundliche und wenig herausfordernde Sachen, die sich vor allem gut für Streamingdienste machen werden, aber sie sind eben ordentlich gemacht, weshalb ich an dieser Stelle nicht so tun werde, als wäre das keine ernstzunehmende Leistung. Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass Gunna spätestens mit dieser Platte hier einer meiner aktuellen Lieblingsrapper in dieser Sparte geworden ist, den ich inzwischen auch mittelfristig spannend finde. Und zwar nicht trotz, sondern ehrlich gesagt gerade wegen seiner ganzen Art. Denn die sorgt zumindest dafür, dass er nicht ganz so klingt wie alle Anderen. Sondern höchstens wie ein etwas lustigerer Young Thug.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11

Persönliche Höhepunkte
Poochie Gown | Mop | Thought I Was Playing | How You Did That | Alotta Cake | Livin Wild | You & Me | South to West | 25k Jacket | Too Easy | idk that bitch | Life of Sin

Nicht mein Fall
Private Island


Hat was von
Migos
Culture II

Lil Pump
Harverd Dropout


 

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