Sonntag, 16. Januar 2022

Druck machen

Wiegedood - There's Always Blood at the End of the Road
WIEGEDOOD
There's Always Blood at the End of the Road
Century Media
2022
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ brachial | misanthropisch | drückend ]

Die erste richtig gute Nachricht, die ich im Bezug auf There's Always Blood at the End of the Road zu verkünden habe, ist in meinen Augen ja schon irgendwie die, dass es dieses Album überhaupt gibt und dass die Band dahinter sich entschieden hat, die Flinte nach dem großartigen Triple-Erfolg ihrer De Doden Hebben Het Goed-Reihe nicht gleich wieder ins Korn zu werfen. Obwohl es eigentlich auch echt okay gewesen wäre, hätten Wiegedood sich dagegen entschieden, denn so rund und vollkommen wie der Lauf besagter drei Platten inklusive der angeschlossenen Live-LP von 2019 war, hätte ihnen da wirklich niemand böse sein können. Was die Belgier hier aus dem Stand schafften, war eines der nach wie vor besten Metal-Projekte der Zwotausendzehner und hatte mit seiner bestechenden Konsistenz, seiner Konzeptualität und seiner Energie nicht zuletzt auf mich persönlich mächtig Eindruck gemacht. Ernsthafte Zweifel, dass die Band es mit Album Nummer vier und ihrem ersten außerhalb der DDHHG-Reihe irgendwie versieben könnten, hatte ich also allein schon deshalb nicht und dass sie sich hier entscheiden, auch stilistisch etwas mehr Abstand vom Sound der Trilogie zu nehmen, fand ich im Vorfeld eher verheißungsvoll als besorgniserregend. Eine Frage brannte mir seit der Ankündigung dieser neuen LP aber doch ziemlich unter den Nägeln: Wie genau sieht dieses neue Kapitel im Katalog von Wiegedood denn nun eigentlich aus? Um es an dieser Stelle mit einem Wort zu sagen: brutal. Und das selbst im Verhältnis zu den schon nicht gerade zimperlichen ersten drei Platten. Denn wo man dem urigen Black Metal der Belgier dort noch in vielen Momenten ein gut gemeintes "atmospheric" hinzusetzen musste, um ihn richtig zu beziffern, ist dieser spätestens hier definitiv nicht mehr als solcher anzusehen und verdichtet sich im Vergleich zu den schon sehr brachialen Erfahrungen der jüngeren Vergangenheit nochmal um etliche Stufen. Sowohl im Songwriting der meisten Tracks als auch in der extrem drückenden und klaustrophobischen Produktion lassen Wiegedood hier keinen Millimeter Raum zwischen ihren schrammelnden Schlagzeug-Kaskaden, den wie immer messerscharfen Gitarrenriffs und Levy Seynaeves Gesangsparts, die hier ebenfalls nochmal um einiges drückender und grässlicher geworden sind. Und obwohl There's Always Blood dabei nicht in jedem Moment zu hundert Prozent ballert, sind selbst kleinere Zwischenparts wie in Wade oder dem Mittelteil von Nuages eher experimentell-kakophonisch als atmosphärisch. Und wenn Wiegedood hier poltern, dann poltern sie richtig. Vor allem FN SCAR 16 macht mit seinem berserkernden Blastbeat-Staccato und den höllischen Vocals gleich am Anfang keine Gefangenen und selbst die Momente in Now Will Always Be und Carousel, in denen tatsächlich clean gesungen wird, sind mit ihren finster-sakralen Inflektionen absolut kein Zuckerschlecken. Nimmt man dann noch das grobe lyrische Konzept hinzu, bei dem sich die Belgier mit der Allgegenwärtigkeit von Hass und Gewalt in der Menschheitsgeschichte auseinandersetzen, ergibt das ganze kontextuell sogar noch mehr Sinn und macht There's Always Blood auch thematisch wieder zu einer extrem runden Sache. Wobei für mich persönlich ja der bemerkenswerteste Punkt der ist, wie gekonnt Wiegedood hier eine neue thematische und musikalische Variante ihres Sounds vorstellen, die ganz klar Abstand von den Vorgängern nimmt, dabei aber trotzdem die Fans dieser Platten nicht im Regen stehen lässt. Wenn überhaupt erleben wir hier eine Inkarnation der Belgier, die nochmal ein viel größeres und druckvolleres Kraftpaket abliefert als die letzten Male schon, das aber auch weiterhin experimentiert und progressiv denkt. Besser hätte es mit diesem vierten Album also eigentlich nicht laufen können und ich bin an diesem Punkt heilfroh, dass diese Band letztendlich doch mehr war als nur ein projektbezogener Zusammenschluss. Denn wenn alles gut läuft, haben wir mit diesen Jungs ein weiteres großartiges Black Metal-Jahrzehnt vor uns. das gerade richtig stark vorgelegt hat.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11

Persönliche Höhepunkte
FN SCAR 16 | An in Old Salamano's Room, the Dog Whimpered Softly | Noblesse Oblige Richesse Oblige | Until It is Not | Now Will Always Be | Wade | Nuages | Theft & Begging | Carousel

Nicht mein Fall
-


Hat was von
Der Weg einer Freiheit
Finisterre

Oranssi Pazuzu
Mestaryn Kynsi


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