Dienstag, 18. Januar 2022

Feingeister fürs Grobe

Descent - Order of Chaos
DESCENT
Order of Chaos
Brilliant Emperor | Redefining Darkness | Caligari
2022

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ dämonisch | verballert | sorgfältig ]

Ich muss an diesem Punkt zugeben, dass mich das Thema Death Metal bislang weder besonders lange, noch besonders eindrücklich beschäftigt und dass ich in der analytischen Betrachtung dieser Stilistik daher och immer gewisse Defizite habe. Eine Sache habe ich in den letzten Jahren aber trotzdem als eine Art Trend feststellen können und vor allem deshalb wahrgenommen, weil es mich in meiner Erforschung von neueren Platten manchmal ein bisschen stört: Warum zum Teufel tendieren so viele von den Bands, deren Tendenz innerhalb der ein bisschen stärker in Richtung Hard- und Grindcore geht immer wieder dazu, ihre Platten so dermaßen grottig zu produzieren und damit einen Großteil der Mächtigkeit zu opfern, die ihre Musik rein songwriterisch hat? Eine Frage, deren Antwort ich am Ende wahrscheinlich sogar schon kenne, ohne sie tatsächlich je von jemandem beantwortet bekommen zu haben, denn auch der von mir schon länger verehrte Black Metal hat in Form vieler Untergrund-Phänomene ja ein ähnliches Problem: Seinen ewigen Purismus und die Heiligsprechung des LoFi seitens der Szene-Hardliner, die immer unbedingt wollen, dass alles so klingt wie Anfang der Neunziger in einem Kellerproberaum aufgenommen. Und ein bisschen verstehe ich diese Motivation ja sogar, weil sie irgendwie das Narrativ von Subkultur und Punk-Rotzigkeit erhält, das diesen Szenen so wichtig ist und durch dessen Kommerzialisierung manchmal auch ein bisschen verloren geht. Nur verfliegt für mich persönlich sowohl bei Black- als auch bei Death Metal jede Romantisierung rumpeliger Proberaum-MCs, wenn ich dann doch mal ein ordentlich gemastertes und aufgenommenes Album höre, das einfach so viel härter ballert und so viel mehr aus seiner Kompositorik macht. Ein Album wie beispielsweise Order of Chaos von Descent, das in vielen Punkten auch ein relativ unmissverständliches und rotziges Brutal Death Metal-Werkstück ist, sich aber nicht auf irgendeinen blöden Purismus versteift und dadurch extrem gewinnt. Denn trotz seinen knüppelharten 29 Minuten Spielzeit, einer sehr direkten Kompositorik und einem Stilgemisch, das das beste aus traditionellem Death Metal, Metalcore und einer Prise Black Metal zusammenbringt, profitiert es vor allem von seinem druckvollen Mix, der auf herrliche Weise Verrat an den Wurzeln der Szene begeht. Hier sind die verschnickten Doublebass-Parts richtig dick eingekleistert, der Bass fetzt sowohl auf Lautpsprecher als auch auf Kopfhörer ordentlich und Gesang und Gitarren an der Spitze sind zwar nicht besonders nuanciert abgemischt, dafür aber schön laut und protzig. Und das klingt vielleicht erstmal nicht nach viel, ist aber mindestens der halbe Grund dafür, warum ich das hier das entscheidende bisschen cooler finde als so viele andere Platten in den letzten Jahren. Wobei das ganze natürlich auch nicht funktioneren könnte, würden Descent doofe Songs schreiben. Zum Glück tun sie das hier aber auch nicht. In seiner knappen halben Stunde hat Order of Chaos songwriterisch die elegante Ästhetik eines Schlagbolzens, den die Australier hier mit Karacho durch meine Gehörgänge jagen und der meistens zwar ziemlich geradeaus formuliert ist, dadurch allerdings nicht beschränkt wird. Descent sind dabei technisch gut, neigen aber nur in ausgewählten Momenten zur totalen Muckerei und nutzen ihr Können stattdessen an vielen Stellen, um mit ein paar Details zu überraschen. So legt Dragged anfangs einen ziemlich coolen kleinen Black Metal-Drift hin, Gathering endet überraschend mit einem drolligen Fade-Out und wenn der Closer Despotic im Mittelteil ausgerechnet ein Basssolo bringt, das dann aber tatsächlich richtig cool wird, hat das hier schon seine Momente. Zwar verrauschen die meisten davon auch schnell wieder im berserkendern Staccato der Doppelfußpedale und gedroppten Gitarrenriffs, aber es gibt sie zumindest. Und dass Descent sie nicht für unnötig halten, spricht irgendwie für eine Sorgfalt, die ich hier in vielen kleinen Dingen spüre und die Order of Chaos letztendlich auch so gut macht. Denn obwohl das hier in den wenigsten Momenten ein wirklich besonderes und originelles Death Metal-Album ist, ist es doch ein sehr unterhaltsames und gelungenes. Weil Descent sich anscheinend nicht zu schade sind, auch für profane Stunts die richtigen Bedingungen zu schaffen. Die Ordnung des Chaos eben.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11

Persönliche Höhepunkte
Tempest | Dragged | Resolve | Gathering | Fester | Filth | Safe | Despotic

Nicht mein Fall
-


Hat was von
Worm
Foreverglade

Ulcerate
Shrines of Paralysis


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