Montag, 24. Januar 2022

Immer noch Lost

Cordae - From a Birds Eye View
CORDAE
From A Birds Eye View
Art@War | Atlantic
2022
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ erzählerisch | ambitioniert | selbstgerecht ]
 
Ich gebe gerne zu, dass es mich in der letzten Woche dann doch an vielen Punkten überrascht hat, wie viele Leute da draußen sich 2022 nach wie vor für Cordae interessieren und wie die letztlich hauptverantwortlich dafür sind, dass ich die Platte an dieser Stelle überhaupt so ausführlich bespreche. Nicht, dass ich ernsthaft etwas gegen diesen Typen hätte und seine Musik absichtlich unterschlagen wollte, nur war mein Eindruck der letzten paar Jahre ehrlich gesagt, dass sich sein Moment im Rampenlicht der Hiphop-Welt nach seinem ersten Album 2019 langsam aber sicher erledigt hatte. Denn schon als the Lost Boy erschien, war ich definitiv nicht der einzige Fan seiner frühen Sachen, der davon ein bisschen enttäuscht war und nach nunmehr drei Jahren ohne neues Material erinnere ich mich inzwischen auch an keinen einzigen Track der Platte so wirklich. Allein daran gemessen, dass in der langen Zeit seitdem anscheinend niemand ein Wort über Cordae verloren hatte und er nicht mehr in den Medien auftauchte, zeigte mir irgendwie, dass das Interesse an ihm begrenzt sein musste und er aus dem Tagesgeschäft der Rap-Hypemacher*innen verschwunden war. Was ja an sich auch keine Kritik an ihm selbst oder seiner künstlerischen Strategie sein soll, denn viele junge Rapper*innen mit Hype hinter der ersten Platte verschwinden aus dem öffentlichen Blickfeld, sobald sich diese nicht das erwartete Highlight herausstellt. Ich hatte im Falle dieses Künstlers wohl einfach vermutet, dass es mit ihm genauso war und vermisste ihn einfach nicht besonders. Doch obwohl ich mit dieser frühen Abschreibung anscheinend falsch lag und Cordae mit Album Nummer zwei jetzt doch wieder ziemlich Welle gemacht hat, macht die Tatsache dieses positiven Echos für mich eigentlich keinen großen Unterschied. Denn so ambitioniert und verändert der Rapper sich hier auch gibt und so sehr er dafür sein großkotziges Backing aufspielen lässt, im Kern der Sache ist From A Birds Eye View eigentlich keine besondere Überraschung und in vielerlei Hinsicht leider sogar ein sehr mittelmäßiges Album. Ein bisschen glamouröser als die erste Platte und lyrisch angefütterter, aber definitiv nicht so, dass es der Rede wirklich wert wäre. Wobei das wesentliche Problem dieses Künstlers ja anscheinend darin besteht, dass es für seine Möglichkeiten hier einfach viel zu hoch hinaus will und sich beim Versuch, ein erzählerisches und erwachsenes Conscious-Rap-Projekt zu produzieren, ziemlich in die Nesseln setzt. Sowohl lyrisch als auch in Sachen Instrumentierung, Produktion und Struktur. In so gut wie jeder Faser merkt man From A Birds Eye View an, dass es ein irgendwie geartetes großes Statement setzen will, dabei allerdings nicht so richtig weiß, was dafür genau zu tun ist und entsprechende Ideen auch eher mäßig gut bei Anderen klaut. So gibt es hier beispielsweise viele narrative Interludes, die ein übergeordnetes Konzept andeuten, allerdings kein wirkliches erzählerisches Ziel zu verfolgen scheinen, ebenso wie der Grundgedanken von live eingespieltem Jazzrap, der letztlich aufgrund fehlender Auseinandersetung mit dem Medium total billig klingt und kaum komplexere Motive transportiert. Auch in Sachen Features nimmt sich Cordae mit hochkarätigen Gästen wie Freddie Gibbs, Lil Wayne, Eminem (in einem Bonustrack) und Stevie Wonder viel vor, die wenigsten dieser Leute fügen sich aber wirklich gut in ihre jeweiligen Songs ein, während die wenigen wirklich guten Gastbeiträge ausgerechnet von Leuten wie Gunna oder Lil Durk kommen, die einfach ziemlich gut ihr Ding machen. Die mit Abstand peinlichste Performance leistet sich in vielen Momenten aber leider Hauptakteur selbst, indem er auf zu vielen Tracks eine Form von intelligentem Lyrizismus etablieren will, die allerdings nur auf wenigen wirklich gelingt und im schlimmsten Fall eher für Auftritte wie in C Carter oder Sinister sorgt, er klingt wie ein pseudointellektueller Möchtegern-Logic mit furchtbaren Lyrical-Miracle-Reimen. Zugegeben, nicht alle Songs auf dieser Platte sind dabei total furchtbar und gerade am Anfang gibt es mit Tracks wie Super oder Jean-Michel einige echte Highlights, die sind dann aber auch eher locker gehalten und versuchen nicht ganz so stur und wider jeder Vernunft den Weg des Meisterwerks zu gehen. Wobei auch diese Stücke in keinem Moment die lockere Coolness besitzen, die Cordae zu Anfang seiner Laufbahn mal hatte und die ich ursprünglich so an ihm mochte. Wobei das vielleicht auch der Punkt ist, an dem mich dieses Album ein bisschen verwirrt. Weil es Elemente von seinem Charakter zu Schwächen macht, die eigentlich mal seine großen Selling Points waren und mit stattdessen krampfig neue Elemente einführt, die eher schlumpig und ungenügend ausgeführt werden. Sachen wie clevere Textarbeit und ein verschnickter Flow solten hier ja eigentlich kein Thema sein, werden auf Birds Eye View aber zu großen Problemzonen und werfen bei mir letztlich die Frage auf, was Cordae eigentlich von dieser Version seines Outputs will. Denn weder ist sie am jetzigen Punkt seiner Karriere ein ernstzunehmendes künstlerisches Statement, noch hat sie die unverbrauchte Signature-Move-Energie, für die ihn der Großteil seiner Fans ja immer noch kennt und liebt. Viel eher ist es eine Art trashige B-Movie-Adaption eines oscarprämierten Klassikers, die schon allein deshalb niemand schauen will, weil es ein billiger Abklastsch einer bereits bestehenden, besseren Idee ist. Und darüber hinaus ist es schade, weil Cordae als Musiker eigentlich talentiert genug ist, diesen Fehler nicht machen zu müssen, sondern sich an dem zu orientieren, was er gut kann. So wie es jetzt aussieht, stagniert er allerdings gerade in eine ästhetische Richtung, die sich schon auf dem ersten Album als Sackgasse erwiesen hat und in die er sich hier nur noch weiter reinsteigert. Und ich gebe an dieser Stelle jede Wette ab, dass ich mich bis zu Cordaes nächster Platte schon wieder an nichts von dieser hier erinnern kann. Und ich hoffe, dass er für ein ähnliches Ergebnis dann nicht wieder mit so viel Aufmerksamkeit belohnt wird.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠⚫⚫⚫⚫ 06/11

Persönliche Höhepunkte
Jean-Michel | Super | Today | Chronicles

Nicht mein Fall
Want From Me | C Carter | Sinister


Hat was von
Lupe Fiasco
Tetsuo & Youth

Logic
No Pressure


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