Freitag, 7. Januar 2022

Fairytale of New York

Nas - Magic NAS
Magic
Mass Appeal
2021
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ erzählerisch | nostalgisch | ernsthaft ]

Wenn mir jemand noch vor ungefähr drei oder vier Jahren erzählt hätte, dass die frühen Zwotausendzwanziger für die olle Eastcoast-Schabracke Nas nochmal eine richtig gute Phase werden würden, hätte ich diese Person wahrscheinlich für ziemlich blöd gehalten. Denn nicht lange ist es her, da war es um die künstlerische Fitness und Stärke des New Yorkers tatsächlich alles andere als rosig bestellt und man fragte sich ernsthaft, ob seine Karriere langsam aber sicher auf dem Weg in die komplette Irrelevanz war. Symptomatisch für diese Abwärtspirale war 2018 die LP Nasir, ein überaus mittelmäßiges Album, das der Veteran gemeinsam mit Kanye West veröffentlichte und das sich für mich schon damals anfühlte wie eine ziemlich verzweifelte Hype-Aktion, um eine angeschlagene und ziemlich unspektakulär gewordene Karriere nochmal anzukurbeln. Dass er die Kurve in dieser Hinsicht nochmal kriegen würde, wirkte an diesem Punkt äußerst unwahrscheinlich und dass er es Stand jetzt dennoch irgendwie geschafft hat, kann man ihm hoch anrechnen. Wobei sein ebenso langsames wie stetiges Comeback seit 2020 auch definitiv alles andere als eine Einzelleistung war. Der Mann, der diesmal an den Reglern saß, war nämlich niemand geringeres als der inzwischen auch nicht wenig rennomierte Producer Hitboy, mit dessen Hilfe Nas in Form von King's Disease während des ersten Lockdowns eine Platte austüftelte, die ein bisschen die Rettung war, die Nas eigentlich schon Jahre zuvor gebraucht hätte. Denn obwohl das darauf vorliegende Material keineswegs das eines Meisterwerkes ist, genausowenig wie das des zweiten Teils der Serie vom vergangenen August oder von dieser erneuten Kollaboration, symbolisiert es für den Standpunkt des Rappers doch ein wichtiges Neudenken. Wenn nämlich eine Herausforderung während dieser anderthalb Jahre definitiv gemeistert wurde, dann die, die Marke Nas erneut zu einer respektablen und angesehenen Kraft im klassischen Hiphop der Jetztzeit werden zu lassen. Und das passiert in dieser Form vor allem dadurch, wie intelligent und zeitgenössisch relevant der New Yorker hier plötzlich wieder klingt. Insbesondere King's Disease II hatte im letzten Sommer jene tolle Altrapstar-Qualität, nach einer gewissen Form von Weisheit und Würde zu klingen, die Nas als Legende der Neunziger ja definitiv hat und ganz klar auch zeigt. Gleichzeitig war er als Künstler dabei nie zynisch oder abfällig gegenüber aktuelleren Entwicklungen in der Szene, sondern nahm diese zum Teil sogar mit auf die Reise und übte sich in symbolträchtigen Schulterschlüssen. Und weil diese neu gefundene Kreativität sich in den letzten Jahren nicht zuletzt auch durch eine ziemlich rasante Frequenz an neuen Drops auszeichnete, gab es am Weihnachtsabend 2021 eben direkt noch eine frische Platte der beiden, die inzwischen die dritte innerhalb der letzten 15 Monate ist. Diese fühlt sich mit ihren gerade Mal neun Tracks in 29 Minuten vielleicht erstmal ein bisschen an wie eine Art Epilog oder Bonus-Feature zu den beiden King's Disease-Alben, sollte inhaltlich gesehen aber keineswegs unterschätzt werden. Denn wenn es um Themen, Lyrics und vor allem auch um Performance geht, macht Nas hier ein weiteres Mal eine ordentliche Steigerung durch. Gleich die ersten beiden Songs Speechless und Meet Joe Black überraschen durch ausfühlich durchdeklinierte Doubletime-Parts, die man im entschlackten Schluffi-Flow des New Yorkers sonst selten hört und nachdem King's Disease II zuletzt in vielen Punkten ein sehr optimistisches und hoffnungsvolles Album war, geht Magic jetzt wieder an die Substanz der harten Realität. Vor allem Ugly ist dabei eine Hymne an die nie endenden Missstände und Ungerechtigkeiten, die Nas weiterhin beobachtet und die ihn dann irgendwie doch zu dem Urteil kommen lassen, dass seit den Neunzigern wenig wirklich besser geworden ist. In vielen anderen Tracks wie Wu for the Children oder Dedicated bringt er einmal mehr das Narrativ des alten weisen Rappers hervor, der sich an seine besten Zeiten erinnert und auch ein bisschen die Geschichte einer Szene erzählt. Oft fallen dabei die Namen verlorener Kollegen, nicht selten hört man in seinen Ausführungen Anflüge von Reue und ein bisschen hat man den Eindruck, dass Dämonen aus der Vergangenheit hier wieder ihre Schatten werfen. Mitunter hat das dann durchaus auch mal etwas altkluges und selbstgerechtes, mir persönlich ist dieser Phänotyp von Nas aber trotzdem tausendmal lieber als der von Nasir, weil er trotz allem gut erzählen kann und eine packende Geschichte baut. Und allein von seinen lyrischen Seiten her fühlt sich Magic an vielen Stellen an wie der düstere Spiegel vieler Themen auf Disease II, die hier auch mindestens so gut aufbereitet werden. Wer mich auf dieser LP im Gegensatz dazu leider nicht ganz so überzeugt wie die letzten paar Male ist Hitboy, dessen nostalgische No Bullshit-Instrumentals für die beiden Disease-Platten eigentlich oft der Fels in der Brandung für Nas war, hier aber unglücklicherweise ein bisschen abrutscht. Klar gibt es aufd Magic auch beattechnisch nach wie vor tolle Momente wie Speechless oder das angefügte Outro von Dedicated, doch wirkt das ganze an manchen Stellen schon etwas sehr verkitscht, vor allem in Hollywood Gangsta und Wave Gods, in der zu allem Übel auch noch DJ Premier als ebenfalls von mir verehrte Beatmasterlegende die Suppe mitmischt. Und an diesen Punkten klingt Magic dann nicht selten wie jene Art ekelhaft-überproduziertes Puff-Daddy-Album aus den späten Neunzigern, das aus guten Gründen niemand mehr cool findet und die ja eigentlich auch Nas zuletzt endlich überwunden hatte. In diesen Phasen sind die beiden dann vielleicht doch ein bisschen zu nostalgisch unterwegs für meine Begriffe und ziehen damit vor allem am sehr ernsthaften Ton der Lyrics vorbei. Wie schon seine beiden Vorgänger ist also auch diese Platte hier keineswegs eine totale Offenbarung und hat durchaus offensichtliche Schönheitsfehler, die nicht zu ignorieren sind. Im großen und ganzen hat das Duo Nas und Hitboy dabei allerdings erneut bewiesen, dass es interessant bleiben kann und der Erfolg der letzten beiden Jahre keine einmalige Sache war, sondern sich inzwischen fast schon routiniert anfühlt. Ob der Rummel der beiden 2022 weitergeht und wie langfristig diese Zusammenarbeit tatsächlich angedacht ist, darüber kann zu diesem Zeitpunkt allerdings nur spekuliert werden. Eins steht für mich aber fest: Die Musik von Nas ist Stand jetzt so aufregend wie schon lange nicht mehr und dass kann ihm inzwischen definitiv niemand mehr wegnehmen.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡⚫⚫⚫⚫ 07/11

 
Persönliche Höhepunkte
Speechless | Ugly | 40-16 Building | Wu for the Children | the Truth

Nicht mein Fall
Hollywood Gangsta


Hat was von
Conway the Machine
La Maquina

Royce Da 5'9"
the Allegory


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen