Montag, 16. August 2021

Life's A Gift

Nas - King's Disease II NAS
King's Disease II
Mass Appeal
2021
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ erzählerisch | intelligent | klassisch ] 

Rückblickend gesehen war es von meiner Seite aus ein ziemlich dummer Fehler, an ein Album wie dieses keine echten Erwartungen zu haben, da es seit langem mal wieder das Argument bestärkt, dass Nasir Jones einer der großen Rapper der letzten 30 Jahre ist und verdientermaßen gerade viel Hype bekommt. Sieht man die ganze Sache aber mal aus der Perspektive von vor 14 Tagen, sollte es ebenso verständlich sein, warum ich an dieses Album keine echten Erwartungen hatte. Denn sieht man sich die letzten paar Einträge in der Diskografie des New Yorkers - inklusive des ersten Teils von King's Disease vom vergangenen Jahr - an, waren die Anlässe zu echter Hoffnung zuletzt rar gesät. Und gerade auf jene LP von der vorigen Saison bezogen hatte ich im Vorfeld einfach nicht das Gefühl, dass ein zweiter Teil dazu notwenig wäre. Vor allem deshalb, weil ich auf Part Eins primär den Eindruck mitnahm, dass Nas als altgedienter Protagonist im Hiphop-Debattierclub nicht mehr viel originelles und spannendes zu sagen hätte. Doch hätte ich mich damit ehrlich gesagt nicht mehr verschätzen können. Zum einen deshalb, weil auf dieser Platte vordergründig gezeigt wird, dass Nas in vielen Punkten tatsächlich noch sehr relevante Dinge sagt, zum anderen weil King's Disease II nur in gewisser Weise ein wirklicher Nachfolger zum ersten Teil ist. Das einzige, was in großem Stil noch vom letzten Longplayer übernommen wurde, ist die ausschließliche Zusammenarbeit mit Produzent Hit-Boy, der Beat-technisch allerdings auch nicht komplett das gleiche macht wie letztes Mal. In vielen Momenten klingen die Instrumentals hier eher wie der Versuch, den klanglichen Blueprint von Griselda Records zu imitieren (wobei hierbei die Frage berechtigt wäre, wer eigentlich wen imitiert), an anderen Stellen gibt es aber auch sehr zeitgenössische Trap-Momente und echtes Banger-Potenzial. Viel wichtiger ist aber sowieso, was auf dieser LP thematisch besprochen wird, wobei Nas in meinen Augen nochmal einen riesigen Schritt nach vorne macht und sich als starker Kommentator seiner eigenen Karriere positioniert. Das ohnehin ziemlich lose lyrische Konzept des ersten King's Disease-Teils wird hier an vielen Punkten aufgebrochen und statt auf große philosophische Kopfarbeit auf die ursprünglichen Stärken des New Yorkers gesetzt: Lebensechtes Storytelling und die damit verbundenen Weisheiten und Erfahrungen. Wobei man sagen muss, dass der Rapper hier auch genau das erreicht, woran er zuletzt schon oft scheiterte, nämlich so zu wirken wie der Elder Statesman des Ostküstenrap, der mit seiner Expertise und den Geschichten von früher erzählt, wie der Hase läuft. Und wo das die letzten Jahre über immer ziemlich krampfig und pretenziös wirkte, ist es hier vor allem eine gewisse innere Ruhe, die das ändert. Nas ist hier nicht derjenige, der mithilfe pathetischer Metaphern eine religiös und feudalistisch angetünchte Philosophie des Rap ausformuliert, sondern eher der cooler Onkel, der von den Freuden und Leiden des Lebens erzählt und dabei eher beiläufig wertvolle Lektionen vermittelt. So setzt Brunch On Sundays den Entwurf eines erfüllten Daseins gegen materielles Besitztum, Nobody stellt die Frage der Schadhaftigkeit von künstlerischem Erfolg (wobei der Gastpart von keiner geringeren als Lauryn Hill nicht nur sehr exklusiv, sondern vor allem thematisch passend ist), No Phony Love ist ein selten gelungener Lovesong im Bereich des klassichen Rap und Nas is Good der ernsthaft optimistische Schlussstrich, der den Sack perfekt zu macht. Was ich an diesen Songs vor allem mag ist, dass hier in keinem Moment mit künstlerischer Relevanz und kommerziellen Erfolgen geflext werden muss, sondern es tatsächlich primär darum geht, dass dieser Typ anscheinend gerade sehr zufrieden mit seinem Leben ist und uns das mitteilen möchte. Ab und zu, wie in My Bible, vergreift er sich dabei auch etwas im Ton, grundsätzlich ist er mir dabei aber ziemlich symphatisch. Von seinem legendären Debüt-Statement "life's a bitch and then you die" könnte der Spirit dieser LP folglich nicht weiter entfernt sein, was mich nicht nur für Nas selber freut, sondern auch für die Idee eines guten Midlife-Werks im Hiphop. Wobei mein Lieblingssong auf King's Disease II am Ende doch ein Rückbezug mit ziemlich ernster Miene ist. Death Row East, ein Song über den Tod von Tupac Shakur, den Beef zwischen Ost- und Westküste in den Neunzigern und Nas' Rolle darin, ist nicht nur ein extrem starker Storytelling-Moment des New Yorkers, sondern vor allem eine Meditation über Krieg und Frieden und verpasste Chancen. Im Kontext dieses Albums, das vor allem das gefundene Glück des Rappers illustriert, funktioniert es sehr gut als Kontrast, der für einen Moment eine sehr beschissene Zeit für ihn selbst und Hiphop generell zeigt, mit der Nas hier aber auch endlich einen Abschluss findet. Womit es am Ende doch irgendwie ganz gut ins Gesamtkonzept passt. Insgesamt ist King's Disease II mit all diesen schönen Einzelmomenten noch lange kein perfektes Album und gerade musikalisch wirkt es immer noch ein bisschen zu steif und unspezifisch, um mich wirklich vom Hocker zu hauen, weshalb es Score-technisch keinen großen Unterschied zum Vorgänger gibt. Vor allem auf lyrischer Seite (sowohl vom Hauptakteur selbst auch auch von all seinen Gästen) ist es aber das erste Album des Nasir Jones seit gefühlten Ewigkeiten, das wirklich einen Mehrwert erkennen lässt. Der Triumph dieser LP ist also weniger ein musikalischer als eher ein spiritueller, der aber umso mehr wert ist. Es heißt nämlich, dass  obwohl es hier noch deutliche Schwachpunkte gibt, Nas hier in meinen Augen das Mindset erlangt hat, um wirklich nochmal richtig gute Rapmusik zu machen. Und ich hoffe, dass er das auch tut, denn gerade habe ich auf seine Songs so viel Bock wie noch nie zuvor. Gerne auch in Form eines weiteren King's Disease-Formats.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡⚫⚫⚫⚫ 07/11

Persönliche Höhepunkte
Death Row East | EPMD 2 | YKTV | Store Run | Nobody | Brunch On Sundays | Composure | Nas is Good

Nicht mein Fall
My Bible


Hat was von
Conway the Machine
La Maquina

Ka
Honor Killed the Samurai


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