Dienstag, 24. August 2021

Hyper Hyper

TRIPPIE REDD
Trip at Knight
1400 Entertainment Inc. | TenThousand Projects
2021
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ hedonistisch | farbenfroh | exzentrisch | schrill ]

Dass ich Trippie Redd im Laufe der letzten ein bis zwei Jahre als einen der stärksten und konsistentesten Protagonisten aus den Nachwehen des Soundcloud-Rap schätzen gelernt habe, ist zu diesem Zeitpunkt hinreichend auf diesem Format dokumentiert. Und wie wenige andere Rapper*innen basiert sein gutes Standing bei mir fast ausschließlich auf der Art und Weise, wie er mit seinen Platten jene vibigen Streamrolling-Cloud-R'n'B-gerne-auch-Emo-LP-Ästhetiken realisierte, die ich durch ihn erst so richtig mögen lernte. Im Sinne seines Sounds bedeutete das aber auch, dass einer seiner größten Selling Points sein Gespür für smoothe Beats, relaxte Flows und generelle Abgedröhntheit war, die Platten wie Pegasus, ! oder A Love Letter to You 4 so stimmig machten. Was seinen fünften Longplayer Trip at Knight zunächst zu einem Projekt machte, dem ich ein wenig skeptisch gegenüber stand. Ganz einfach deshalb, weil es zum ersten Mal in der Karriere des Kaliforniers diese Rezeptur ändert. Und das ziemlich radikal. Mindestens was die instrumentale Seite dieses Albums angeht, dreht es das fluffig-wolkige Vibe-Konzept Trippies bisheriger Alben komplett auf 180 und setzt auf eine musikalische Untermalung, die eher im Elektropop, Future Bass und Hyperpop zuhause ist. Was im Klartext heißt: Das komplette Backing dieser LP klingt wie eine ziemlich schrille Mischung aus den Sachen, die Timbaland Ende der Zwotausender machte, der denkbar bratzigsten Version von Atzen-EDM (die zeitlich ja etwa in der gleichen Phase einzuordnen ist), übersteuerten Trap-Beats, wie man sie von Playboi Carti kennt und dem Mastering der letzten Platten von 100 Gecs und Dorian Electra. An sich ist das ja eine klangliche Mixtur, die ich schon irgendwie geil finde und die auf jedem Fall am Puls der Zeit ist. Nur hatte ich anfangs leichte Sorgen, ob sie die richtige für jemanden wie Trippie Redd wäre, den ich ja eigentlich eher als sanften, schmusigen Autotune-Crooner schätzte. Doch waren diese Bedenken wie sich herausstellt mehr als unbegründet, da Trip at Knight in meinen Augen vielleicht die beste Platte des Kaliforniers bis hierhin geworden ist. Und das tatsächlich aus dem simplen Grund, weil sie in ihren etwas mehr als 45 Minuten eine unwahrscheinlich schrillbunte, ultrahedonistische Poprap-Party abfackelt, die extrem viel Spaß macht. Highlight sind dabei natürlich die übelst trashigen Instrumentals, die irgendwo zwischen Nostalgie, Futurismus und surrealem Fiebertraum pendeln und an manchen Stellen auch so herrlich plump produziert sind, dass sie in jenes noisig-experimentalpoppige Territorium übergehen, das von der zeitgenössischen Hyperpop-Szene okkupiert wird. Trippie selbst häutet seine Performance dabei ebenfalls gehörig und ist in vielen Songs hier so krachig und actiongeladen wie noch nie zuvor in seiner Karriere. Sicher gibt es auch noch einige Tracks, in denen er sein typisch murmeliges Gecroone abfährt, aber wirkt selbst dieses hier um einiges präsenter und schärfer als auf den meisten seiner Vorgänger. Nicht, dass ich diese nachträglich diskreditieren will, ich mag sie immer noch genauso gerne wie vorher. Nur bin ich ganz einfach überrascht, wie souverän dieser Künstler hier noch einmal etwas völlig anderes macht und dabei von Null auf Hundert so rasiert. Bei allem Respekt, den ich für Trippie Redd schon bisher hatte, wirkte er auf mich doch nie wie ein ästhetisches Chamäleon oder ein visionärer Crossover-Spezialist. Genau das ist er hier aber in seinen besten Momenten und selbst in denen, die "nur" gut gemachter Poprap sind, fährt er seinen besten Grind seit Jahren. Wenn ich etwas an Trip at Knight auszusetzen habe, sind es hauptsächlich strukturelle und theoretische Dinge wie der angedeutete, aber offen gelassene Rückbezug zum Debütalbum Life's A Trip oder die Tatsache, dass hier ein weiteres Album sehr intensiv auf Gastparts verstorbener Rapper zurückgreift (in diesem Fall XXXtentacion und JuiceWRLD), obwohl die eigentlichen Features eigentlich echt gut sind. Rein musikalisch muss ich aber sagen, dass mich diese LP nicht nur durchweg überzeugt, sondern Trippie Redd in meiner Gunst sogar nochmal ein Level höher schiebt. Wo er vorher verhältnismäßig guten Cloudrap produzierte, der wenigstens für sein unmittelbares Umfeld beispielhaft war, macht er spätestens hier eines der womöglich besten Rap-Alben der gesamten Saison. Und das nicht unbedingt auf die Art wie ich erwartet hatte, aber definitiv mit Wirkung.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11

Persönliche Höhepunkte
MP5 | Finish Line | Holy Smokes | Super Cell | Miss the Rage | Demon Time | Matt Hardy 999 | New Money | Space Time | Baki | Rich MF

Nicht mein Fall
-


Hat was von
Playboi Carti
Whole Lotta Red

100 Gecs
1000 Gecs

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