Dienstag, 17. August 2021

Dirty Old Town

The Killers - Pressure MachineTHE KILLERS
Pressure Machine
Island Records
2021
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ provinziell | heartlandig | erzählerisch | düster ] 

Es ist inzwischen keine Neuigkeit mehr, dass die Killers eine Band sind, die ein gewisses Faible für die Stilistiken des Heartland Rock, insbesondere für die Arbeit von Bruce Springsteen, hat. Bereits seit ihrem zweiten Album Sam's Town vor inzwischen 15 Jahren war eine deutliche Orientierung an diesem klassischen amerikanischen Material erkennbar, die nicht nur klanglicher, sondern nicht selten auch lyrischer Natur war. Schaut man sich aus ihrem früheren Katalog Songs wie A Dustland Fairytale, Runaways oder eben Sam's Town an, sind es nicht zuletzt Brandon Flowers Texte, die mit ihrer märchenhaft-poetischen und grantig-kitschigen Aura einen großen Teil zur Ästhetik der Killers beigetragen haben und die mit den Jahren auch immer besser geworden sind. Als eine vordergründig lyrische Band hätte ich sie dennoch nie bezeichnen wollen. Auch ganz einfach deshalb, weil unabhängig davon zu viel in ihrer Musik passierte, über das es sich vordergründig zu reden lohnte. Dass sich das auf Pressure Machine ändert, bedeutet aber nicht, dass es kompositorisch plötzlich langweilig geworden ist bei dieser Gruppe. Im Gegenteil: Was Songwriting und Vibe dieser elf neuen Tracks angeht, ist das hier nach dem schon sehr gelungenen Imploding the Mirage vom letzten Jahr ein weiteres Album, das ich zu den besten der Killers zählen würde. Obgleich ein wenig stiller und unkonventioneller als so ziemlich alles, was die Band aus Las Vegas vorher machte, verfügt es doch auch über die grundsätzliche Qualität, extrem starke Hooks einfach so aus dem Ärmel zu schütteln und natürlich über das Organ von Brandon Flowers, den ich nach wie vor für einen unglaublich begnadeten Rocksänger halte. Was aber diesmal quasi noch als umfassender Bonus hinzukommt ist die Tatsache, dass die Killers hier ein recht ambitioniertes lyrisches Konzept einführen, das letztendlich zum dominanten Merkmal dieser LP werden soll. Zum einen deshalb, weil es für eine Band wie diese ein recht unkonventioneller Exkurs ist, den zumindest ich so nicht vermutet hätte. Zum anderen aber auch, weil dieser so gekonnt umgesetzt wurde. Thematisch ranken sich die Songs auf Pressure Machine um das lose Narrativ einer auswechselbaren Kleinstadt in den USA, was an sich ja kein allzu neuer Schauplatz für Killers-Texte ist. Allerdings fokussiert sich dieses Album erstmals nicht auf die märchenhaft-romantische Country-Idylle, die es bei ihnen vorher oft gab, sondern auf eine sehr harte, viel realistischere Perspektive, die dorthin geht, wo es weh tut. Da geht es in Cody um ein Kind, das an religiösen Dogmen zweifelt, in Desperate Things um eine von Gewalt geprägte Beziehung, im Titelsong um die Tretmühle der amerikanischen Arbeiterklasse und in Terrible Thing um den Suizid eines homosexuellen Jugendlichen. Ziemlich harter Stoff also insgesamt. Die vielen unterschiedlichen Geschichten, die dabei auf der LP stattfinden und in den meisten Fällen voneinander abgesonderte Themen behandeln, verbindet dabei eine Art durchgehender Subtext, in dem die Themen Tradition, Religion, Wertetreue und ähnliche Diskussionspunkte verhandelt werden, die man gerne in Verbindung mit provinziell-republikanischer Kleinstgesellschaft bringt. Wobei ich im Vorfeld nicht unbedingt gesagt hätte, dass es sich dabei um Dinge handelt, die eine Band wie die Killers erfolgreich thematisieren könnte (zumal einige Mitglieder der Gruppe als Angehörige mormonischer Glaubensrichtungen vorher eher wenig progressiv schienen). Doch genau an diesem Punkt wurde ich von Pressure Machine extrem positiv überrascht. Mehr als je zuvor entpuppt sich vor allem Flowers' Songwriting hier als starkes Storytelling-Werkzeug, das aus den verhandelten Ideen wirklich originelle Geschichten spinnt, die mir mitunter ziemlich nahe gehen. In nicht wenigen Tracks entwickelt er geradezu kurzgeschichtenhafte Erzählstrukturen, die viele Details ausarbeiten und sich auch wahnsinnig gut in die Gefühlswelt der jeweiligen Protagonist*innen vortasten. Noch dazu werden die meisten Songs durch eingesamplete Interview-Schnipsel ergänzt, die dem Album fast ein bisschen den Touch einer Audiodokumentation geben und die Texte der eigentlichen Songs oft sehr gut abrunden. Als stilistisches Mittel mag sowas für diese Band exotisch erscheinen, doch funktioniert es in jedem Moment brilliant. Was Pressure Machine insgesamt zu einer Platte macht, die ich so clever nie im Leben von den Killers erwartet hätte. Nachdem Imploding the Mirage letztes Jahr eigentlich eher das pathetische Kitsch-Gen der Gruppe triggerte, das man eh schon kannte, ist eine derart ernsthafte und experimentelle LP von ihnen ein gelungener linker Haken, der ihrem künstlerischen Kosmos etwas völlig neues hinzufügt. Wohin es von hier aus geht, ist dabei so spannend wie selten zuvor, wobei mein Respekt gerade für Brandon Flowers als Texter gerade nochmal immens gestiegen sind. Zusammen mit ihrem letzten Album ergibt sich für mich am Ende ziemlich deutlich der Eindruck, dass die Killers gerade in der besten Phase ihrer Karriere sind und in Verbindung damit die Hoffnung, dass diese noch ein bisschen andauern möge. Die Bedingungen dazu möchte ich nach diesem Album aber nicht mehr stellen.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡08/11

Persönliche Höhepunkte
West Hills | Quiet Town | Terrible Thing | Cody | In Another Life | Desperate Things | the Getting By

Nicht mein Fall
-


Hat was von
Bruce Springsteen
Darkness On the Edge of Town

Kings of Leon
When You See Yourself


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