Samstag, 14. August 2021

Das ist Chaos, das ist Schönheit

Pink Siifu - GUMBO'! PINK SIIFU
Gumbo'!
Dynamite Hill
2021
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ soulig | unkonventionell | radikal ]

Nachdem der Rapper Pink Siifu irgendwann innerhalb des letzten Jahres mit seinem Album Negro zu einem heißen Gesprächsthema innerhalb der abstrakteren Nischen der Hiphop-Szene wurde, konnte ich es eigentlich kaum erwarten, in diesem Format über eines seiner Projekte zu schreiben. Die Sachen, die ich von ihm in den letzten zwölf Monaten gehört hatte - egal ob das nun eigene Tracks waren oder eines seiner vielen fantastischen Features bei Leuten wie Billy Woods, Moor Mother, den Avalanches oder Yaeji - gaben mir durchaus den Eindruck, dass diesem Typ einer der interessanteren neuen Stimmen im experimentellen Rap gehörte und er mit folgenden Projekten definitiv noch wachsen würde. Dass zwischen dieser erstmaligen Feststellung und dem hier vorliegenden Artikel trotzdem nochmal drei Platten liegen, hat allerdings ebenso seine Gründe. Vor allem den, dass ich für meinen ersten Post über diesen Typen wirklich ein Album hören wollte, auf dem dieser ein künstlerisches Statement formulierte, was bei seinen bisherigen Unternehmungen dieser Saison (größtenteils kollaborative Mini-Alben, die eher einen lockeren Session-Vibe hatten als den eines bewussten Produkts) einfach nicht so sehr der Fall war. Und ein wenig hatte ich schon Angst, dass es mit Pink Siifu am Ende so werden würde wie zuletzt beispielsweise mit einer Haiyti und er auf die ganze Album-Geschichte einfach keinen richtigen Bock hätte. Glücklicherweise spricht GUMBO'!, sein erster vollwetiger Solo-Longplayer seit Negro, dann doch eine deutlich andere Sprache. Mit 57 Minuten Spieldauer, einem gigantischen Feature-Katalog und einer definitiv sehr speziellen kreativen Aura fühlt es sich nicht nur an wie ein würdiger Nachfolger des Durchbruchs, sondern wie der planvoll gesetzte nächste große Schritt in Siifus artistischer Evolution. Wobei ich viele strukturelle Entscheidungen hier direkt auf den ersten Blick richtig cool fand. Da ist zum einen das spürbar größere Besteck, dass der Künstler hier in Sachen Produktionsaufwand in die Hand nimmt und das sich echt gelohnt hat. So findet sich auf der Gästeliste der LP fast die komplette Homecrew des Rappers wieder, die er sympathischerweise prominenten Szene-Features vorzieht (wenn man von einem stratiegisch platzierten Alchemist-Beat mal absieht), die aber trotzdem ordentlich Rabatz macht. Gleichzeitig ist dieses Album künstlerisch herrlich dreist unterwegs und gerade in Sachen Produktion erfrischend unkonventionell. Nicht selten gibt es auf diesem Album Songs, die mitten in der Hook unverhofft gecuttet werden, in denen sich disharmonisch mehrere Spuren überlappen, in einem Song gleich mehrere Movements hintereinander gesetzt werden und sich dabei auch stilistisch grundverschiedene Ästhetiken begegnen. Die Basis sind dabei oft sehr jazzige Beats, die auch gerne mal ins unverschämt neosoulige umkippen, doch werden diese fast in jedem Moment komplett subversiert. Klanglich erinnert mich diese LP oft an Platten von Kendrick Lamar oder Brockhampton, die allerdings dreimal durch den Fleischwolf gehexelt und anschließend aufwändig wieder zusammengepuzzelt wurden. Wo die erste Hälfte dabei eher von grindigem Banger-Material dominiert wird, das nicht selten völlig drunter und drüber geht, wird es im zweiten Teil dann doch überraschend verhalten und pendelt sich fast gänzlich in eine gemütliche Jazzrap-Ästhetik ein. Und wo ich zunächst fand, dass dieser gemütliche Part der Platte ihren verrückten Appeal deutlich mindert, kann ich mich mittlerweile doch sehr gut damit eingrooven. Es fühlt sich zwar immer noch ein bisschen an, als würden in GUMBO'! zwei Alben stecken, die als einzelne Teile logischer und konstistenter wären, doch kann ich auch nicht sagen, dass ich einen davon schwach fände. Und wenn es darum geht, wie vielseitig, innovativ und virtuos Pink Siifu werden kann, gibt es wahrscheinlich keine bessere Zurschaustellung seiner künstlerischen Palette. Das tollste, was diese LP in meinen Augen allerdings schafft ist es, diesen Rapper von einem hoffnungsvollen Newcomer zu einem ernsthaften Big Player im Bereich des abstrakten Experimental-Rap zu machen, der im Vergleich zu einem Billy Woods oder Quelle Chris kein bloßes Anhängsel ist, sondern durchaus als ebenbürtig betrachtet werden kann. Mir persönlich ist er gerade sogar noch ein bisschen lieber, ganz einfach weil er so herrlich dreist ist. Daraus lässt sich sicherlich in Zukunft auch noch viel machen.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11

Persönliche Höhepunkte
Gumbo'! 4 the Folks, Hold On | Wayans Bros. | Roscoe! | Fk U Mean / Hold Me Dwn | Bussin' (Cold) | BACK'! | Doin Tew Much. (In My Mama Name) | Scurrrrd | SMILE (wit yo Gold) | Call tha Bro (Tapped In) | BRAVO'! | Voicemails Uptown | Big Ole | lng hair dnt care | Play On'! Inshallah

Nicht mein Fall
-


Hat was von
Kendrick Lamar
To Pimp A Butterfly

Billy Woods
Today, I Wrote Nothing


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