Montag, 23. August 2021

Good Feeling

Lorde - Solar PowerLORDE
Solar Power
Universal
2021
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ optimistisch | hippiesk | organisch | erfrischend ]

Es wäre ja die eine Sache, wenn die Albumzyklen von Lorde nur deshalb eine solche Sensation wären, weil sie als internationaler Superstar die Weisheit besitzt, sich Zeit mit ihren Platten zu nehmen. Vier Jahre vergingen seit ihrem Debüt jeweils bis zur Fertigstellung von deren Nachfolgern und dass sie sich gerade in der Periode zwischen Melodrama und dieser neuen LP auch sehr bedeckt hielt, finde ich persönlich eine sehr sympathische Eigenart ihrer Karriere. Doch ist die eigentliche Großartigkeit an ihr in meinen Augen die, dass sie es im Zuge dieser langen Arbeitsphasen auch tatsächlich schafft, sich mit ihren fertigen Produkten völlig neu zu definieren und künstlerische Statements zu setzen. Schon ihre erste LP von 2013 hatte - wenngleich eher zufällig - eine starke Aussagekraft und was dessen Nachfolger von 2017 angeht, empfinde ich es gar nicht erst als nötig, noch einmal über dessen universelle Beliebtheit und seinen nachhaltigen Status als grandioses Pop-Meisterwerk zu fachsimpeln. Und natürlich würde ich mich einer solchen Einleitung nicht bedienen, wenn ich der Meinung wäre, dass Solar Power diesem Trend Abbruch tut. Im Gegenteil: Diese LP schafft es erneut sehr erfolgreich, sich klanglich, kompositorisch und inhaltlich von der restlichen Diskografie von Lorde abzusetzen. Zwar bedeutet das in meinem Fall mal wieder, dass sie um einiges daran scheitert, wirklich großartig zu sein, doch schafft sie nichtsdestotrotz eine ganze Reihe von Momenten, die ich absolut offenbarend finde. Angefangen beim klanglichen Aufbau über die großartige technische Ausarbeitung bis zu den lyrischen Thematiken ist diese Platte erneut ein sehr kunstvoll gestaltetes Gesamtkonzept, von dem ich sowohl übergreifend als auch in den Details beeindruckt bin. Wobei die auffälligste Veränderung zu Lordes Vorgänger sicherlich die Tatsache ist, dass die Künstlerin sich größtenteils akustischer und teilweise fast schon folkloristischer Instrumentierung bedient, die in krassem Kontrast zu den dicken Synth-Flächen auf Melodrama stehen. Im Internet bezeichneten einige Solar Power zuletzt als ein Singer-SongwriterInnen-Album, was ich vielleicht doch ein bisschen zu weit gefasst finde. Für mich steht es eher in der Tradition der letzten Sachen von Haim oder den Fleet Foxes, die sehr organisch und überschaubar, aber trotzdem nicht minimalistisch waren. Wobei ich an einzelnen Stellen auch viel Abba, Billie Eilish, St. Vincent oder Kate Bush (an die mich Lorde sowieso immer mehr erinnert) heraushöre. Was man auf jeden Fall sagen kann ist, dass diese neue klangliche Ausrichtung hier für viele echt coole kompositorische Entscheidungen verantwortlich ist, in denen sich Lorde erneut als äußerst talentiere Songschreiberin offenbart. Ebenfalls erwähnenswert ist dabei auch mal wieder die Produktionsarbeit von Cheftüftler Jack Antonoff, der die Ideen der Künstlerin wunderbar in Szene setzt und in jedem Moment das Optimum aus allen Instrumenten herausholt. Über Lordes Leistung als Texterin bin ich nach dem recht überzeugenden Melodrama hier zwar wieder gespaltener Meinung, muss ihr aber durchaus zugestehen, dass sie hier ein starkes Narrativ zu erzeugen versteht. Viele Songs auf dieser LP setzen sich mit der Flucht der Künstlerin aus dem toxischen Umfeld des Popstar-Lebens und dem erneut gefundenen Frieden bei Freund*innen und Familie auseinander, wobei man definitiv die Leichtigkeit spürt, die Solar Power auch lyrisch zu vermitteln sucht. Songs wie Mood Ring oder der Titeltrack, die als Singles vor allem sommerliche Feelgood-Hits waren, werden im Kontext des Albums zu starken Moodsettern, die jede Menge positive Energie ausstrahlen. An anderen Stellen wie Stoned at the Nail Salon, Fallen Fruit oder Leader of A New Regime wird die Platte zwar auch sehr nachdenklich, allerdings niemals so unmittelbar pessimistisch oder deprimiert wie viele vergleichbare Pop-Platten aus den letzten Jahren. Und am Ende des Tages sind es für mich die peppigen, optimistischen Momente, die den Charakter dieses Albums primär ausmachen, was ich allein schon der Abwechslung wegen super finde. Die Dinge, die mich letztlich daran hindern, Solar Power mehr zu mögen, sind nicht mehr als Details, doch häufen sich diese stellenweise doch ziemlich: Tracks wie the Man With the Axe oder Big Star, die einfach etwas eigenschaftslos sind, einige doch sehr cringige Textpassagen, das ziemlich pretenziöse Outro von Secrets From A Girl oder wie wenig Oceanic Feeling aus seinen sechseinhalb Minuten Spielzeit macht. Solche Dinge sind schade, denn vom Spirit her ist Solar Power - genauso wie sein Vorgänger - ein absolutes Meisterwerk und zeigt so viel vom unglaublichen Talent dieser Künstlerin, doch steht die Umsetzung dem erneut etwas im Weg. Und obwohl Lorde mit ihren 24 Jahren ja noch sehr viel Zeit hat, als Songwriterin zu wachsen, ist es doch extrem schade, dass mit letztlich der Zugang hierzu fehlt. Denn dass sie sich gerade in einer wahnsinnig spannenden Phase ihrer Karriere befindet, ist eine objektive Erkenntnis und diese wird sich eben nicht einfach wiederholen. Zumal man sich sicher sein kann, dass sie in der Zeit die ihr nächster Longplayer dauern wird, schon wieder eine ganz andere sein wird. Und wie wir inzwischen wissen, kann das Warten bis dahin lang werden.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡08/11

Persönliche Höhepunkte
the Path | Solar Power | Stoned at the Nail Salon | Mood Ring

Nicht mein Fall
-


Hat was von
Billie Eilish
Happier Than Ever

Haim
Women in Music Pt. III


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