Mittwoch, 21. April 2021

Kritische Fallprognosen

Conway the Machine - La maquinaCONWAY THE MACHINE
La Maquina
Griselda | Drumwork | Empire
2021
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ kriminell | lyrisch | routiniert ] 

Ich hatte bereits im Oktober der vergangenen Saison davon gesprochen, dass dieser Moment früher oder später kommen würde und es sieht so aus, als wäre er jetzt hier. Der Moment, an dem Griselda die Magie der letzten Jahre verlieren würden, sich stilistisch im Kreis drehen und über kurz oder lang auch nur eine von vielen okayen Formationen des New Yorker Rap-Untergrunds werden würden. Zugegeben, er kam nicht so plötzlich wie ich zunächst dachte und der schleichende Prozess der Normalisierung begann für mich bereits im Dezember 2020 mit Burden of Proof von Benny the Butcher, doch ist La Maquina nun der Scheidepunkt, an dem ich von mehr sprechen kann als nur von einer Ahnung. Ganz konkret deshalb, weil diese LP seit Ewigkeiten die erste von Griselda ist, die definitiv nicht besser wird als nett bis ganz in Ordnung. Was in erster Linie schon wieder beeindruckend ist, denn dass das Label sein atemberaubendes Niveau nun über zwei Jahre lang bei einem dermaßen hochfrequenten Output gehalten hat, lässt sich nicht mehr ausradieren. Diesen Lauf haben die New Yorker jetzt für immer in ihrer Kartei und das kann ihnen niemand wegnehmen. Und letztlich ist ja auch diese Platte nur ein Symptom, vielleicht nur das eines vorübergehenden Formtiefs. Aber irgendwann mussten die goldenen Zeiten ja mal aufhören und in meinen Augen ist dieses Irgendwann eben La Maquina. Womit ich übrigens nicht sagen will, dass dieses Album scheußlich ist, es fühlt sich nur zum ersten Mal dort routiniert und gewöhnlich an, wo alle Platten vorher aufregend und genial waren. Wobei es mich schon irgendwie enttäuscht, dass dieser Fluch ausgerechnet Conway the Machine trifft, den Griselda-MC mit den meiner nach besten Zukunftsprognosen. Mit seinem Quasi-Debüt From King to A God war er letzten Sommer der erste, bei dem sich eine musikalische Größe abzeichnete, die über das Konstrukt seines Stammlabels hinausging. Wo jemand wie Benny the Butcher, von dem die letzten paar schwachen Platten kamen, für mich eh noch nie der große Bringer war, hatte Conway den Absprung vom pontenziell guten zum tatsächlich beeindruckenden Rap-Künstler schon geschafft. La Maquina hat diese klangliche Größe auch wieder, ist an vielen Stellen sogar nochmal fetter, versteht es aber nicht mehr so gut, diesen Platz zu füllen. Viele der Lyrics des New Yorkers finde ich wieder sehr gut (insbesondere die erste Strophe des Openers Bruiser Body mit ihren bordsteinkantigen Dealer-Lines), zu oft wiederholen sie aber bereits bekannte Motive und auch Conways Flow wirkt irgendwie routiniert und eingeschlafen. Zum ersten Mal habe ich auf einer Griselda-LP hier das Gefühl, dass der Hauptakteur regelmäßig von seinen Gästen übertrumpft wird und gerade Songs wie Scatter Brain (geniale Parts von JID und Ludacris) und Sister Abigail (Wahnsinns-Part von 7xvethegenius) sind nur der Features wegen interessant. Dass Gastperformer*innen sich bei diesem Label immer besonders Mühe zu geben scheinen, war von Anfang an ein wichtiger Selling Point, ist aber völlig sinnlos, wenn die eigentlichen Stamm-MC*s das nicht mehr tun. Und auch in Sachen Beats wirkt La Maquina irgendwie halbfertig. Zwar sind die Instrumentals auf Tracks wie 200 Pies, 6:30 Tipoff oder S.E. Gang auf den ersten Blick ziemlich cool und bestechen durch kreatives Sampling, doch gibt es darin in den meisten Fällen kaum Veränderung. Und wenn ich über drei oder vier Minuten den identischen Loop höre, kann er noch so gut geflippt sein, er wird irgendwann langweilig. Was leider dazu führt, dass viele pontenziell gute Stücke nicht die Schlagkraft haben, die sie hätten haben können. Was natürlich nicht heißt, dass La Maquina nicht trotzdem seine coolen Momente hat. Prinzipiell empfinde ich die Platte trotz aller Unstimmigkeiten als okay bis gut. Doch wo die bisherigen Griselda-Projekte - vor allem auch die von Conway - immer spielend leicht eine krasse Genialität aufbauten, ist hier das Gegenteil der Fall. Auch mit viel Mühe, technischer Finesse und hochkarätigen Features schafft es dieses Album nie ganz, meine Erwartungen zu bestätigen. Und so schade das auch ist, es war eben nur eine Frage der Zeit. Wobei meine Prognose auch ist, dass das Formtief erstmal anhält. Zumindest so lange, bis Griselda sich ein paar neue Tricks überlegen, die sie wieder ganz nach oben bringen. Das dürfte dann etwa im kommenden Herbst der Fall sein.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡⚫⚫⚫⚫ 07/11

Persönliche Höhepunkte
KD | 200 Pies | Sister Abigail | Scatter Brain | S.E. Gang

Nicht mein Fall
Bruiser Body | Hat to Hustle

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen