Mittwoch, 14. April 2021

Das Swift-System

Taylor Swift - Fearless (Taylor's Version)TAYLOR SWIFT
Fearless (Taylor's Version)
Republic
2021
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ ausgefuchst | zwotausenderig | vertraut ] 

Man könnte mittlerweile sicherlich eine ganze journalistische Abhandlung über die Art und Weise schreiben, wie Taylor Swift in den letzten Jahren juristisch arbeitet und sich über ihren musikalischen Output langsam mehr und mehr ein beachtliches Pop-Imperium aufbaut. Mal ganz unabhängig davon, was für Platten sie veröffentlicht und wie erfolgreich diese sind, ihr Fußabdruck in der Musikindustrie ist seit etlichen Jahren ebenso stark dadurch geprägt, wie sie sich nach und nach eine Lage schafft, in der sie rechtlich immer unangreifbarer und größer wird. Stand 2021 ist die Marke, die Taylor Swift betreibt, ein ebenso effizienter wie innovativer Rechtsapparat, der schon des öfteren ebenso kontroverse wie unkonventionelle Neuauslegungen des Verhältnisses zwischen künstlerischer Figur und sowohl Labels als auch Fans und Kooperationspartner*innen findet. Nicht wenige der Entscheidungen dieses Systems sind rückblickend sehr unpopulär gewesen (zu nennen sind unter anderem mehrere Anzeigen gegen eigene Fans, diverse Markenanmeldungen für Songzeilen von 1989 und ihre ausgiebige Schlammschlacht mit Streamingdiensten in der letzten Dekade), insgesamt muss ich aber auch eine Bewunderung dafür ausdrücken, was für ein unglaublicher Powermove diese Strategie ist. Durch ihr Vorbild sichert sich Swift nicht nur ihre eigene Rente als Popstar, sie schafft auch echte Möglichkeiten für zukünftige Musiker*innen (vor allem Frauen), die bis dato doch noch sehr häufig in eher unvorteilhaften Major-Verträgen feststecken und trotz immenser kommerzieller Erfolge praktisch ausgebeutet werden. Swift selbst ist dafür kein schlechtes Beispiel, womit wir auch direkt zur Bedeutung dieses vorliegenden Albums überleiten. Denn wie im Zuge der letzten Jahre bekannt wurde, war auch sie in ihrer frühen Karriere Opfer höchst problematischer Major-Winkelzüge. Durch selbige war sie seit Beginn ihrer Karriere zu keinem Zeitpunkt Inhaberin der Rechte ihrer ersten sechs Alben (also alles von ihrem Debüt bis zu Reputation), die von verschiedenen Holding-Firmen ohne das Wissen von Swift innerhalb der letzten Saison mehrmals für hohe Summen ver- und eingekauft wurden. Statt jedoch diese Verhältnisse zu akzeptieren und irgendwie das beste daraus zu machen, zieht sie mit diesem Album ihre bisher größte juristische Wildcard und nimmt ihre alten Sachen ganz einfach nochmal auf. Diesmal unter ihrem eigenen Namen und mit dem Anhängsel "Taylor's Version", das eindeutig signalisiert, wem das Ding nun gehört. In vielerlei Hinsicht ein cleverer Move und nicht zuletzt auch musikalisch spannend, befindet Swift sich kreativ doch gerade in einer umfassenden Neuorientierung. Wobei ich an dieser Stelle ganz direkt sagen kann, dass man sich keine zu großen Hoffnungen machen sollte, mit diesem Reboot ein weiteres Folklore oder Evermore zu bekommen. Im Gegensatz zu Künstler*innen wie Car Seat Headrest oder Mr. Bungle, die in der jüngeren Vergangenheit alte Platten aus künstlerischen Motivationen heraus neu aufnahmen, ist die neue Version von Fearless ein rein zweckgebundenes Album, das auf kreativer Seite wenig neues probiert. Sicher, es gibt das ein oder andere neue Instument, ein paar ausgebesserter Stellen und ein etwas schickeres Mastering, doch hat die LP eher den Charakter eines guten Remasters als die einer echten Neuauflage. Gut sind die Songs hier deshalb, weil Taylor Swift schon 2008 eine sehr talentierte Komponistin (und vor allem Texterin) war und wenn überhaupt könnte diese Platte einigen dabei helfen, das zu realisieren. Etwas grundlegend anders macht sie aber nicht. Wer wirklich neues Material von Swift will (davon hatten wir ja letztes Jahr nicht schon genug), könnte sich womöglich für die Deluxe-Version von Fearless begeistern, auf der auch sechs frischere Cuts enthalten sind, ich für meinen Teil brauche das aber nicht. Und hey, das ist auch alles okay so. Es war bereits vorher klar, dass diese LP nichts weiter sein würde als ein Update, mit dem Taylor Swift ihren rechtmäßigen Anspruch auf ihre eigenen Songs festigen würde, nichts anderes ist es letztlich geworden. Nur wer mehr erwartet hat, dürfte hier enttäuscht sein. Wobei auch das eigentlich quatsch ist, denn ein ziemlich gutes Album ist Fearless so oder so. Und nun haben wir sogar zwei davon.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11

Persönliche Höhepunkte
Fearless | Love Story | You Belong With Me | Breathe | You're Not Sorry | Forever & Always

Nicht mein Fall
White Horse | Tell Me Why

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen