Sonntag, 11. April 2021

Hörst du, wie es tritt?

Luca Yupanqui - Sounds of the UnbornLUCA YUPANQUI
Sounds of the Unborn
Sacred Bones
2021
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ ambient | abstrakt | zufällig ] 

Werdende Eltern sind ja für alle Menschen, die gerade keine werdenden Eltern sind sehr häufig etwas eher nerviges. Besonders dann, wenn sie im Laufe einer Schwangerschaft jenes zwanghafte Mitteilungsbedürfnis empfinden, das sie dazu bringt, ungefragt allen in ihrer Umgebung die neuesten Ultraschallbilder des Ungeborenen vor die Nase zu halten und bei jeder Gelegenheit über jedes noch so kleine Ereignis der Mutterschaft ausführlich zu berichten. Und ganz schlimm wird es anscheinend dann, wenn es sich bei diesen Eltern auch noch um ein KünstlerInnenpaar handelt, welches das Wunder des Lebens als Ansporn dafür sieht, es als inspiriertes Kreativprojekt zu verwursten, das zu allem übel auch noch anspruchsvolle Avantgarde-Musik sein will. Sieht man die Sache so, dann sind Elizabeth Hart und Iván Diaz Mathé wahrscheinlich die nervigsten Eltern der Welt. Unter dem Titel Sounds of the Unborn ist von diesen beiden vergangenen Freitag eine LP ihrer 2019 geborenen Tochter Luca Yupanqui erschienen, deren Entstehungszeit noch vor der eigentlichen Geburt, also während der Schwangerschaft selbiger stattfand. Mithilfe von komplizierter Mikrofonie, vielen Klanglichen Filtern und aufwändiger Postproduktions-Magie wurden dabei die Bewegungen des Kindes im Mutterleib aufgezeichnet und anschließend in Form dieses Audioprojekts veröffentlicht. Statt also ihre Bekanntschaft einfach nur damit zu nerven, dass die Kleine im Bauch schon tritt, geht es bei Harts und Mathés kleinem Überachiever nicht unter einem eigenen pränatalen Longplayer, den man stolz im Krippenkreis vorzeigen kann. Schon vom Konzept her finde ich Sounds of the Unborn also ein bisschen zu selbstergriffen und esoterisch, um niedlich oder clever zu sein, und auch auf künstlerischer Seite muss ich sagen, dass ich hiervon kein bisschen überzeugt bin. Grundsätzlich habe ich ja kein Problem mit dieser Art von zufallsgenerierter Found-Footage-Soundcollagenmusik und war in der Vergangenheit unter den ersten, die Jubelarien für Platten verfassten, die von ozeanischen Mikroorganismen und einer Waschmaschine "komponiert" wurden. Allerdings würde ich gerade bei solcher Musik sagen, dass es extrem schwierig ist, wirklich spannende Experimentalkunst von belangloser Geräuschkulisse zu trennen, wobei vieles auf die Sorgfältigkeit der Produktion und die Ausarbeitung des Zufallskonzepts ankommt. Und weil die im Fall dieser LP beide eher langweilig sind, fällt Sounds of the Unborn bei mir deutlich im die letztere Kategorie. Es fällt mir tatsächlich schwer, hier Sachen wie meine Lieblingstracks oder auffällige Momente aufzuzählen, da die Tracks dieses Albums schlichtweg nicht mehr sind als undefinierbares Gewaber, das mich als kreativer Output kein bisschen anhebt. Und wo solche Musik trotz dieser Probleme meist wenigstens als gescheite Klangtapete funktioniert, sind die Sounds hier einfach viel zu grausig und ungemütlich, um das zu gewährleisten. Klanglich hat das hier oft schon etwas von einer Noise-Platte, nur ohne die aufregenden Höhen, die eine Noise-Platte sonst cool machen. Ich würde es ja noch einsehen, wenn es unhörbar dissonant und schräg wäre, dann könnte man es noch als weirde Konzeptkunst verkaufen. So ist es aber eigentlich nur langweilig und gibt inhaltlich nicht mehr her als das Gimmick, von einem ungeborenen Kind "gespielt" worden zu sein. Vielleicht werde ich darüber anders denken, sobald bei mir selbst mal Nachwuchs unterwegs sein sollte, doch zum jetzigen Zeitpunkt finde ich das hier einfach nur unnötigen und lahmen Pseudo-Avantgardismus mit wenig bis keiner Substanz. Also ja, das hier ist ziemlicher Müll. Abgesehen davon aber alles Gute an die (hoffentlich) glücklichen Eltern.

🔴🔴🔴🟠⚫⚫⚫⚫ 04/11

Persönliche Höhepunkte
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Nicht mein Fall
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