Dienstag, 6. April 2021

Big Thief

Renée Reed - Renée ReedRENÉE REED
Renée Reed
Keeled Scales
2021
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ träumerisch | folkig | lauschig ]
 
Spätestens 2021 ist es langsam abzusehen, was für einen Einfluss die Arbeit von Adrienne Lenker inzwischen in der Welt des Indiefolk hat. Nicht immer ist er direkt auf den ersten Blick sichtbar, doch erwischte ich in den letzten drei Monaten schon den ein oder anderen Song dabei, wie er ein bisschen zu offensichtlich die blecherne Akustikgitarre mit naiv-süßlichen Vokalregistern kombinierte. Und mit dem ersten Album von Renée Reed aus Los Angeles haben wir nun auch endgültig eine LP, die sich ganz ungehemmt einer entsprechenden Gesamtästhetik hingibt. Zwar hat das vorliegende Debüt der Kalifornierin nicht immer einen ganz so freischwebenden Sound wie Lenker und stimmlich auch immer mal Parallelen zu den frühen Sachen von Lana del Rey, den Klassikern von Joni Mitchell oder Jessica Pratt, der stets vernachlässigten zweiten Taufpatin des elfenhaften Flauschfolk, doch ist die Abstammung dieses Songwritings doch überaus deutlich. Und wäre ich jetzt ein Zyniker, würde mir das dazu gereichen, Reed als Trittbrettfahrerin abzukanzeln und ihre Songs doof zu finden. Weil ich das aber nicht bin und als Jünger der lenker'schen Schule erfahrungsgemäß auch das mag, was nicht von der Meisterin selbst kommt, bin ich von dieser LP gleichermaßen entzückt. Zumal diese junge Frau das eigentliche Schreiben der Songs auch von sich aus nicht minder gut beherrscht. Selbst wenn man das hier nur oberflächlich hören sollte, ergibt sich in den zwölf Stücken dieser Platte ein sehr einfühliges, weil gemütliches und niedliches Stück Musik, das mindestens als Klangtapete funktionieren sollte. Bringt man zudem die Geduld mit, das eigene künstlerische Statement dieser Künstlerin zu suchen und losgelöst von den offensichtlichen Einflüssen etwas genauer zu lauschen, findet man auch hier jede Menge Stärke. Dass Renée Songs schreiben kann, lässt sich spätestens nach dem dritten Track hier nur noch schwer bestreiten und auch in Sachen Performance und Technik überzeugt sie anstandslos. So gut wie jeder Track hier ist von sich aus überzeugend und teilt mit Pratts und Lenkers Werken die Fähigkeit, in eine lauschige Atmosphäre einzulullen, die über die komplette LP nicht wieder abbricht. Selbst wenn wie im synthetischen Où Est La Fée oder im etwas albernen Closer Drunken Widow's Waltz doch mal stilistisch ausgestiegen wird, bleibt die Schutzglocke aus schummriger, leicht psychedelischer Hippie-Ästhetik erhalten, die an solcher Musik ja immer das beste ist. Weniger als Kopistin sehe ich Renée Reed also als Künstlerin, die potenziell dazu fähig ist, in absehbarer Zeit in einem Atemzug mit ihren Vorbildern genannt zu werden, wenn demnächst noch mehr junge Leute auftauchen, die diese Art von Musik zum verfolgbaren Trend machen. Und ich gehe jede Wette ein, dass sie davon nicht die letzte bleiben wird.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11

Persönliche Höhepunkte
I Saw A Ghost | Little Flower Dance | Fast One | Neboj | Où Est La Fée | Until Tomorrow | Your Seventh Moon | the Ash | Fool to the Fire | If Only We Could | Drunken Widow's Waltz

Nicht mein Fall
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