Montag, 26. April 2021

Wir werden ja sehen

The Armed - Ultrapop THE ARMED
Ultrapop
Sargent House
2021

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ ungewöhnlich | monogenre | herausfordernd ]

Hätte ich von der Band the Armed nicht erst vor wenigen Wochen das erste Mal gehört, wären sie sicherlich eine Sache, die mich auch vorher schon irgendwie faszinieren würde. Und von dem was ich von den Anderen mitbekommen habe, ist ihr bisher größter Selling Point auch irgendwie, wie enigmatisch sie sind. Als gänzlich anonymes Kollektiv mit bis zu diesem Album eiserner DIY-Attitüde (die beiden Vorgänger von Ultrapop erschienen ohne Label als kostenfreie Downloads) war die Gruppe schon strukturell sehr schwer zu fassen, ihre eigenwillige Mischung aus Hardcorepunk, Noise, Electronica, Mathrock und Indiepop tat das übrige. Im Internet wurden the Armed in den letzten sechs Jahren über die Stille Post der Obernerds weitergereicht, bis über kurz oder lang auch die großen Musikmedien und Labels auf sie aufmerksam wurden. Ihre dritte (oder je nach Zählweise auch schon vierte) LP erscheint nun beim Nobel-Indie Sargent House, kostet Geld, hatte eine ausführliche Promophase und Mark Lanegan im Studio. Weniger rätselhaft wirken the Armed dadurch trotzdem nicht. Wie wahrscheinlich schon zuvor liegt das vordergründig an ihrem extrem schwer fassbaren Songwriting, das sich selbst mit den Parametern eines selbsternannten Nischenrock-Connaisseurs wie mir schwer einordnen lässt. Die Vergleiche mit anderen Bands, die ich an dieser Stelle gerne anführe, wirken bei ihnen irgendwie in den Haaren herbeigezogen und finden immer nur in einzelnen Elementen Bezug. Da ist mal ein fitzeliger Gitarrenpart der Sorte And So I Watch You From Afar, mal ein lärmiger Schreimoment wie früher bei Melt-Banana, mal die jammige Rotzigkeit von Sonic Youth, mal das melancholische Chaos-Harmonie-Amalgam von My Bloody Valentine, mal ein bisschen Emo-Attitüde und mal fast schon Pop. Einen wirklichen Kern hat die Komposition der Gruppe aber nie wirklich, oder wenn dann nur verzerrt. So sind Tracks wie All Futures, A Life So Wonderful oder Average Death strukturell recht melodisch, verstecken ihre Eingängigkeit aber hinter einer undurchdringlichen Wand aus Krach, die die Kanten unklar zeichnet. Songs wie Big Shell oder An Iteration, die eine klare Marschrichtung haben, kommen erst später und können auch nicht mehr den komischen ersten Eindruck retten. Wobei sich auch hier das Dickicht nicht wirklich löst. Selbst in seinen klarsten Momenten ist dieses Album ein Monument des Monogenre, das gleichermaßen faszinierend wie verwirrend ist. Der klangliche Ansatz von the Armed ist dabei definitiv originell und viele Ideen hier finde ich auch gut, doch kann ich nicht gänzlich sagen, dass mich Ultrapop qualitativ überzeugt. Besonders die besagte erste Hälfte der Platte schafft durch ihre undurchdringliche Art einfach keine Basis, auf der ich mich hier eingrooven kann und obwohl die Platte danach wesentlich besser wird, braucht sie zu diese Zeit, um sich erstmal selbst zu finden. Zeit, die man auch mit besseren Tracks hätte füllen können. Es kann tatsächlich gut sein, dass the Armed hier an irgendetwas extrem spannenden dran sind, das ich einfach noch nicht verstehe und es würde sicher helfen, nochmal ihre alten Alben zu hören. Doch selbst wenn diese LP noch so visionär ist, sie hat klangästhetisch ihre Probleme. Ob das hier alles Sinn ergibt, wird also erst die Zukunft zeigen. Ich persönlich bin gespannt und drücke die Daumen, habe aber im Moment auch noch eine gesunde Menge Skepsis. Der neue Hyperpop dürfte Ultrapop also wahrscheinlich nicht werden. Und ja, dieser Pun musste jetzt definitiv noch sein.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡⚫⚫⚫⚫ 07/11

Persönliche Höhepunkte
Big Shell | Faith in Medication | Where Man Knows Want | Real Folk Blues | Bad Selection

Nicht mein Fall
Ultrapop | All Futures | Masunaga Vapors

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