Samstag, 9. Dezember 2017

Shake It Off

Ja verdammt, das musste dieses Jahr noch sein! Wäre 2017 ohne meine Besprechung von Reputation vergangen, hätte ich das zwar schon überlebt, aber es hätte schon definitiv etwas gefehlt. Nicht nur weil diese Platte eine war, über die in den letzten Monaten viel zu viel geredet wurde, sondern auch deshalb, weil Taylor Swift für mich als Musikhörer eine durchaus wichtige Künstlerin ist. Abseits von allen dämlichen Boulevard-Kontroversen und dem Vorwurf, so etwas wie die Helene Fischer des amerikanischen Musikbusiness zu sein, die sich von rechtspopulistischen Fans nicht distanziert, würde ich mich irgendwie schon als Liebhaber ihrer Musik bezeichnen. Zumindest was ihre letzten beiden Alben angeht, hat die Sängerin aus Pennsylvania mittlerweile ziemlich gigantische Fußabdrücke in der Pop-Historie hinterlassen und ich würde mich sogar dazu hinreißen lassen, 1989 als den besten Mainstream-Longplayer der bisherigen Dekade zu bezeichnen. Und für jemanden, der so denkt, ist Reputation natürlich wahnsinnig interessant. Nicht, weil ich Stories über Swifts Exen hören will oder wie sie hier in ihrer angeblich so provokativen Bad-Girl-Attitüde badet (Ein Wort dazu: Nein, Taylor Swift klingt hier nicht "böser" oder irgendwie edgy, sie klingt genau so wie immer und das ist gut so), sondern weil ich hoffe, dass es gute Musik darauf gibt. Unter Umständen hat die Gute ja direkt das nächste Ass im Ärmel und macht gleich noch so einen Riesenhit wie 1989. Wobei das anhand der vorab veröffentlichten Singles eher nicht so aussah. Zwar stimmte Look What You Made Me Do Mitte September noch optimistisch, war es doch genau die Art von Song, die bei Swift schon vorher immer richtig gut funktioniert hatten, doch danach hörte die Glückssträhne abrupt auf: Gorgeous war so lange gut, bis man feststellte, dass es im Prinzip eine schwächere Version von Blank Space ist (ich mag ihn trotzdem noch 💙) und sowohl Ready for It? als auch Call It What You Want waren einfach nur ziemliche Schaumschläger. Die geballte Hit-Kraft des Vorgängers ging hier zu oft auf Kosten von kontroverser Attitüde und inhaltlich eher schwachen Statements über den Jordan, was am Ende niemanden glücklich machte. Und leider ist das fertige Album nun mehr oder weniger die Intensivierung dieser Tendenz. Wo in den letzten Jahren so gut wie jeder Track zur potenziellen Nummer-Eins-Single getaugt hätte, gibt es hier nur wenige solche Kandidaten. Vieles von diesem Album würde ich tatsächlich als Füllmaterial bezeichnen, beziehungsweise gibt es mehr Songs wie Delicate oder Getaway Car, die eher ein Stückchen in die Indiepop-Richtung abzielen und deshalb zwar nicht schlecht sind, aber eben keine so großen Banger wie Shake It Off oder ein Style. Normalerweise würde ich das mögen, weil Reputation dadurch mehr zum Kontext-Album wird als zur reinen Hit-Kollektion und gerade im Mittelteil funktioniert diese Formel eigentlich ganz gut, aber am Ende ist das nicht das, was ich von einer Taylor Swift will. Statt einer handvoll ziemlich guter Stücke, von denen ich aber auch weiß, dass jemand wie Flume oder Lorde das besser hinkriegen würde, will ich hier Songs, die ich nie wieder vergesse. Und normalerweise ist Swift eine der wenigen, die solche Songs am Laufband produzieren kann. Ich würde das Fehlen solcher Nummern ja akzeptieren, wäre sie stattdessen tatsächlich mit einem dreißten musikalischen Statement um die Ecke gekommen. Aber das, was sich hier "Stilbruch" schimpft, ist in Wahrheit nicht mehr als ein lauwarmer Furz. Und so bleibt Reputation irgendwie ein bisschen hinter meinen Erwartungen zurück. Was allerdings noch lange nicht heißt, dass es schlecht ist. Geht man jetzt nur mal von der Dimension der wirklich großen Chart-Künstler*innen aus, dann können noch immer sehr wenige Taylor Swift das Wasser reichen. In Zeiten, in denen sich sämtliche Rihannas, Justin Biebers und Britney Spearses dem seichten Schlafzimmer-R'n'B zuwenden, ist sie diejenige, die Popmusik noch zelebriert und keine Angst vor fetten Hooks, großen Gefühlen und kraftvollen Ohrwürmern hat. Zusammen mit der Tatsache, dass sie auch selbst noch weiß, was das beste für einen guten Track ist, macht sie das in meinen Augen gewissermaßen einzigartig. Und auch Reputation profitiert in gewisser Weise davon, dass Swift dieses Feld alleine bespielt. So lange alle anderen keine richtigen Popsongs machen, reichen die weniger guten von dieser Künstlerin immer noch dicke aus, um das Verlangen danach zu stillen. Und so lange akzeptiert man auch den ganzen Blödsinn, der nebenbei durch alle Rohre pfeift und von dem man am liebsten nichts wüsste. Denn dafür ist man ja schließlich Fan: Um auch am Ball zu bleiben, wenn es mal nicht so rund läuft.





Persönliche Highlights: Delicate / Look What You Made Me Do / So it Goes / Gorgeous / Getaway Car / King of My Heart / Dancing With Our Hands Tied / Dress / This is Why We Can't Have Nice Things / Call it What You Want / New Year's Day

Nicht mein Fall: End Game / I Did Something Bad

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