Freitag, 15. Dezember 2017

New Kids On the Block

Wenn es 2017 eine Sensation gab, die mir mehr oder weniger komplett durch die Lappen gegangen ist, dann sind das Brockhampton. Heute erscheint das inzwischen dritte Album des Hiphop-Kollektivs aus Texas in dieser Saison und bisher habe ich es gänzlich versäumt, über ein einziges der beiden vorherigen zu schreiben. Dass es zu so einem fatalen Fauxpas meinerseits kommen konnte, ist eher einer unglücklichen Entwicklung geschuldet als einem unmittelbaren Fehler. Denn dass die Crew dieses Jahr so zum Hype wurde, passierte nicht mit einem Mal, sondern eher Stück für Stück. Und was man im Juni, als der erste Saturation-Teil herauskam, noch ignorieren konnte, ist inzwischen zu einem Phänomen geworden, das die Rapmusik von 2017 entscheidend geprägt hat. Die ausführlichen Besprechungen der drei Platten jetzt nachzuholen ist also das beste, was ich zu diesem Zeitpunkt noch unternehmen kann. Wobei auch das nichts daran ändert, was ich schon im Sommer über Brockhampton dachte: Das, was die Crew hier macht, ist künstlerisch und konzeptuell wahnsinnig gut inszeniert, seine Aufmerksamkeit auf jeden Fall wert und wenn es um die Musikvideos geht, ist Regisseur Kevin Abstract nicht weniger als ein kleines Genie. Musikalisch allerdings ist Saturation jedoch nicht mehr als ein ziemlich gutes Album. Die Texaner machen ziemlich simplen, Boombap-basierten Hiphop mit Elementen aus R'n'B und Soul, der sehr nach den späten Neunzigern klingt und die insgesamt elf MCs und Produzenten sind auf jeden Fall talentiert, wenn auch keine außerordentlichen Wunderkinder. Die erste LP der Serie verfügt über sehr viele sehr gute Songs wie Heat, Boys oder Bank, hat aber auch weder so fette Banger wie einige der folgenden Platten, noch unterscheidet es sich irgendwie durch wesentliche Merkmale von dem, was im Moment auch andere Kolleg*innen wie Injury Reserve oder Tyler, the Creator machen. Was das besondere an Brockhampton ist, von dem ich in diesem Jahr auch unglaublich begeistert war, ist die Präsentation dieser Ideen: Dass hier alle Songtitel nur vier Buchstaben haben (die der folgenden jeweils fünf beziehungsweise sechs), dass jedes Video mit einem Intro des Charakters Roberto beginnt, die detaillierten Abstimmungen in den Artworks und die durchgestylte Internetpräsenz des Kollektivs sind sind die wahren Stärken, die Brockhampton zu einem gigantischen, faszinierenden Gesamtkunstwerk machen. Dass dem so ist, ist absolut super und ich finde genau das sehr genial, doch habe ich den Eindruck, dass es viele Fans davon ablenkt, dass die Musik der Texaner selbst gar nicht so aufregend ist. Sie ist nett, aber das war es auch. Und deswegen kann ich mich an dem Hype, der um sie im Moment existiert, leider nur indirekt beteiligen. Mit dieser Aussage im Blick werde ich in den nächsten Tagen dennoch versuchen, die beiden weiteren Saturation-Platten zu behandeln und ich schließe es nicht aus, in Zukunft auch über weitere Projekte der Crew zu schreiben. Denn am Ende des Tages haben wir es hier mit einer Bande von Musikern, Künstlern und Produzenten zu tun, die sehr viel Potenzial zeigen und was bei ihnen nicht ist, kann ja noch werden. Mit diesem Album haben die Texaner auf jeden Fall einen Eindruck gemacht, der nicht unbeachtet bleiben wird. Und es wäre schade, wenn das der Höhepunkt ihrer Karriere(n) bleiben würde.





Persönliche Highlights: Heat / Boys / Fake / Bank / Trip / Swim / Bump / Milk / Waste

Nicht mein Fall: Gold / Star

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