Dienstag, 8. Juni 2021

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Lil Baby & Lil Durk - Voice of the HeroesLIL BABY & LIL DURK
The Voice of the Heroes
Quality Control | Alamo | Motown
2021
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ sozialkritisch | nachdenklich | reif ]

Ich muss gleich zu Anfang gestehen, dass ich dieses Album zum 90 Prozent deshalb besprochen habe, weil hier der Name Lil Baby auf dem Cover steht. Er ist hier derjenige, der mich wirklich interessiert, dessen Entwicklung ich hier verfolgen wollte und über den ich hier hauptsächlich geschrieben habe. Nichts gegen Lil Durk und seinen sehr gelungenen Beitrag auf dieser LP, über die ich auf ein paar Worte verloren habe, doch hat dieser in meinen Augen im Moment einfach nicht die Tragweite und Symbolik, die der Anteil seines Sparringpartners hat. Ganz einfach deshalb, weil sich dieser gerade am bisher vielleicht spannendsten Punkt seiner Karriere befindet und auch dieses Album darin eine elementare Rolle spielt. Ein kurzer Recap zur letzten Saison ist deshalb vielleicht nötig, um meine Haltung ihm gegenüber zu erläutern. 2020 war für Lil Baby nicht nur das Jahr, in dem er mit My Turn ein extrem erfolgreiches Album droppte (das für mich auch musikalisch ziemlich überzeugend war), mit The Bigger Picture veröffentlichte er auch einen der wichtigsten Moodsetter der letztjährigen Black Lives Matter-Protestwelle, der mit seiner empathischen Message quasi die Hymne des politischen Jahres wurde. Und die ganz nebenbei zeigte, dass Lil Baby diese Art von Inhalten sehr gut konnte. Was sicher nicht nur für mich ein bisschen überraschend kam, da seine lyrischen Themen davor eher wenig Komplex waren. Interessant war daher vor allem zu sehen, was der Rapper aus diesem quasi neu gefundenen Talent in Zukunft machen würde. Voice of the Heroes als erste LP nach The Bigger Picture antwortet darauf nun ziemlich konsequent. Von den 18 Tracks, die Lil Baby und Lil Durk hier in knappen 60 Minuten zusammenbringen, sind fast alle mit einer tiefergehenden Message, einer Story oder zumindest einem potenten Denkprozess ausgestattet, der um einiges spannender ist als Pussy, Geld und Hustensaft. Zwar sind bei weitem nicht alle Tracks so politisch wie The Bigger Picture, oft sind es eher introspektive Themen, trotzdem merkt man an den meisten Stellen, dass hier wirklich der Wille dahinter stand, sich mit ernsteren Sachen zu beschäftigen. Und obwohl die Motivation dafür bei Lil Baby sehr viel offensichtlicher sein dürfte als bei jemandem wie Lil Durk, der sonst eher hedonistisch unterwegs ist, ist auch sein Part hier alles andere als Schwach. Nicht nur auf lyrischer Seite, wo er mit dem Input seines Partners zumindest gut mithält, sondern vor allem auch performativ. Nicht selten sind es seine Einsätze, die mit ihrem roughen Flow und der ziemlich kantigen Ästhetik noch einmal einen spannenden Kontrast zu Babys Strophen geben und viele Tracks genau dann in eine andere Richtung ziehen, wenn sie langweilig zu werden drohen. Was auch sehr wichtig ist, denn mit seiner stattlichen Spielzeit ist Voice of the Heroes ein permanenter Kampf gegen die Monotonie, den die beiden und ihre Producer mit allen Mitteln bestreiten. Mit Bangern wie 2040, Hats Off und dem Titeltrack gang am Anfang ist der Gesamteindruck hier sehr kopflastig und gerade in ihrer zweiten Hälfte droht die LP häufig, etwas langweilig zu werden. Man muss dem Team aber auch zugute halten, dass sie das in letzter Konsequenz nie wird und der Flow der Platte darüber hinaus wunderbar kohärent ist. Features gibt es hier dabei ein paar, die auch ziemlich hochkarätig sind (Travis Scott, Young Thug, Meek Mill), doch wirken diese immer sehr bewusst gesetzt und passen zu den individuellen Songs. Dass Leute hier rein aufgrund von name recognition gebucht wurden, muss man also nicht vermuten. Und überhaupt finde ich, dass sich Voice of the Heroes auf seine Art angenehm wenig von seinem Weg ablenken lässt. Als anberaumtes Conscious Trap-Album mit starker inhaltlicher Wichtung und wenigen Bangern ist es kommerziell gesehen eher ein Risiko als ein Selbstläufer, was sicherlich Mut braucht. Letztendlich ist diese Sorge aber unbegründet, weil Baby und Durk hier trotzdem ziemlich abreißen, aber eben ohne jede Form von Anbiederung. Dass sie das hier so konsequent machen, verdient definitiv Respekt. So viele Szenarien hätte ich mir ausmalen können, in denen diese Art von Album gehörtig schief gehen kann, aber das tut sie nicht. Und deshalb habe ich hier letzlich ziemlich wenig zu nörgeln. Im Gegenteil: Ich würde mir in Zukunft viel mehr solche Platten aus der Cloud-Bubble wünschen, die auch mal größere Themen anpacken. Denn schlecht klingt es auf keinen Fall und kommerziell scheint es ja auch zu funktionieren. Lil Baby zeigt wie es geht.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡⚫⚫ 08/11

Persönliche Höhepunkte
Voice of the Heroes | 2040 | Hats Off | Who I Want | Man Of My Word | Still Runnin | How It Feels | Okay | Up the Side

Nicht mein Fall
Bruised Up


Hat was von
21 Savage & Metroboomin
Savage Mode II

Lil Wayne
Funeral
 
 

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