Mittwoch, 9. Juni 2021

Pleiten, Pech und Pannen

Liz Phair - SoberishLIZ PHAIR
Soberish
Chrysalis Records
2021
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ eigenwillig | erwachsenenenrockig | unspannend ]

Wäre die Welt eine normale und es gäbe nicht so wunderbar seltsame Zufälle, die einen immer wieder aus dem Konzept bringen, würde ich über ein Album wie Soberish von Liz Phair sicher überhaupt nicht schreiben. Es ist genau die Sorte scheußliches Erwachsenenrock-Album aus der Verwandtschaft von Sheryl Crow, Norah Jones und Cat Power (eher Mom-Rock statt Dadrock), die ich in diesem Format tunlichst zu vermeiden suche und an und für sich finde ich es kein bisschen gut. So viel kann ich an dieser Stelle schon sagen. Was mich hier allerdings aufmerksam werden lässt, ist der Kontext dieser Platte, der für einen Musiknerd wie mich ein wahres Füllhorn an Hintergründen, Historie und Internet-Drama offenbart und mich einfach zwingt, meinen Senf darüber zu loszuwerden. Denn in der Welt der kulturradioesken Singer-Songwriter-Musik von 2021 ist Liz Phair inzwischen in mehr als einer Hinsicht eine Legende. Da ist zum einen die Inkarnation von ihr, die in den Neunzigern Platten wie Exile in Guyville und Whip-Smart veröffentlichte, mit denen sie zur Galleonsfigur einer ganzen Reihe von jungen Künstlerinnen wurde, die sich nicht nur auf eine Generation beschränken. Gerade in den letzten Jahren berufen sich viele persönliche Lieblings-Acts wie Soccer Mommy, Snail Mail oder Beabadoobee auf diese Alben, was natürlich rückblickend einen gewissen Mythos heraufbeschwört, der auch hundertprozentig. Worüber diese Leute allerdings gerne schweigen, ist das ziemliche Massaker, das Liz Phairs Karriere diesseits der Jahrtausendwende wurde. Nachdem sie mit ihren in der Szene extrem beliebten Neunziger-Sachen einigermaßen erfolgreich geworden war, versuchte sie sich 2003 mit einer selbstbetitelten LP an einem Pop-Crossover, der gehörig in die Hose ging und für einen für damalige Verhältnisse gigantischen Shitstorm sorgte. Damit aber nicht genug. Gerade als die Nörgler*innen im Internet damit fertig waren, diese Phase ihres Outputs in der Luft zu zerreißen, landete sie mit Funstyle von 2010 den nächsten Negativ-Coup. Bis heute ist besagtes Album nicht nur für mich ein ziemliches Rätsel, sondern in seiner ganzen Art und Weise peinlich bis wahnhaft. Wer sich für die Details des Desasters interessiert, kann sich die ziemlich gute Mini-Doku ansehen, die Todd in the Shadows vergangenes Jahr dazu aufgenommen hat, ich möchte sie an dieser Stelle nicht nochmal durch den Kakao ziehen. Die Bottomline des ganzen ist allerdings, dass die Schmach von 2010 anscheinend schlimm genug war, dass Liz Pgair in den elf Jahren danach keine neue Musik produzierte. Zumindest bis jetzt. Denn wie wir sehen, ist jüngst genau das passiert. Dass Soberish als großes Comeback der Songwriterin ausgerechnet in diesem Moment der Gechichte kommt, hat etwas verheißungsvolles. Gerade in den letzten Monaten hat der Buzz um ihr letztes Album online nochmal Fahrt aufgenommen, gleichzeitig ist ihr Frühwerk aber so einflussreich wie nie zuvor und die Künstlerin somit an einem Punkt der ambivalenten Relevanz. Die Frage, wie sie so eine LP angehen würde, brannte also sicher nicht nur mir unter den Nägeln. Die diplomatische Antwort darauf lautet bei Soberish, dass Phair schon irgendwie ihrem Mythos zu folgen versucht. An der Produktion der Platte waren einige Leute beteiligt, die schon in den Neunzigern zum Team gehörten und auch klanglich wird hier versucht, die Ästhetik der damaligen Sachen bestmöglich zu reproduzieren. Mir persönlich ist das ziemlich egal, denn so super finde ich die ehrlich gesagt auch nicht und was dieser Versuch letztendlich als Ergebnis vorlegt, ist sowieso eher eine schrullige Mutation dieser Idee. In den meisten Momenten ist Soberish einfach nur ein langweiliges Album, das ziemlich chaotisch produziert ist und kompositorisch eben das tut, was viele Protagonist*innen aus der Neunziger-Altrock-Szene zurzeit tun: Viel zu friedfertige und polierte Songs schreiben, die verzweifelt edgy und intelligent sein wollen. Gerade was Texte angeht, ist das hier aber auch mehr als nur austauschbar. Was Phair in Tracks wie Dosage, Bad Kitty oder dem Titeltrack verzapft, ist gleich auf mehreren Leveln peinlich, was die schalala-triefenden Hooks definitiv nicht besser machen. Und auch wenn das irgendwie das ist, was ich hier erwartet habe, klingt es in seiner Ausführung doch ziemlich schlimm. Ein Teil von mir findet es zwar auch stark, dass sich diese LP solche inhaltlichen Querschläger traut, doch bin ich auch der Meinung, dass die 2021 niemand mehr von dieser Frau braucht. Zumal das ja in der Vergangenheit schon mehrmals schief ging. Im Sinne einer völlig verhunzten, ziemlich autounfalligen Platte, die in all ihrer Cringehaftigkeit auch irgendwie faszinierend ist, bleibt Liz Phair hier also in dem Charakter, den sie die letzten 20 Jahre etabliert hat. Ziemlich panne, aber darin wenigstens konsequent.

🔴🔴🔴03/11

Persönliche Höhepunkte
the Game | Lonely Street

Nicht mein Fall
Good Side | Soberish | Soul Sucker | Dosage | Bad Kitty


Hat was von
Neko Case
Hell-On

Sheryl Crow
Sheryl Crow


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