Donnerstag, 24. Juni 2021

Wohin Woher

Trialogos - Stroh zu Gold
TRIALOGOS
Stroh zu Gold
Exile On Mainstream
2021

 
 
 
 
 
 
 

 
 
 

[ instrumental | krautig | mystisch | gewaltbereit ]

Als selbsternannter Superfan von Conny Ochs und seinen vielen musikalischen Gesichtern ist es mir aus der Perspektive von 2021 möglich, seinen gesamten Output in drei größere Phasen einzuordnen, die alle für recht unterschiedliche klangliche Ausprägungen stehen. Da ist zum einen seine herrlich groteske New-Metal-Schrägstrich-Postgrunge-Periode Anfang der Zwotausender mit Zombie Joe, in die ich persönlich noch immer arg verliebt bin, zum zweiten die eher bluesig-romantische Zeit von Baby Universal und Z-Joe & the Dustbowlers, in der ich ihn zum ersten Mal ganz direkt kennenlernte und die etwa von 2007 bis 2013 ging und zu guter letzt seine Jahre als intim-hemdsärmliger Folk-Songwriter, die immerhin bis 2019 andauerte und vielleicht seine objektiv erfolgreichste war. Welche davon mir am liebsten sind, möchte ich an dieser Stelle gar nicht unbedingt ausführen, nur haben alle irgendwie ihre ganz eigene Schönheit und faszinieren mich auf ganz andere Weise. Und weil jemand wie Conny Ochs an solchen Stellen nicht einfach stehenbleibt und weiter kreativ bleibt, markiert dieses Jahr in gewisser Weise den Beginn einer neuen, vierten Periode, die wieder ganz anders wird. Zumindest interpretiere ich so das deutliche Signal, das seine neue Band Trialogos mit ihrem offiziellen Debüt Stroh zu Gold sendet, einem fast gänzlich instrumentalen und nicht wenig experimentellen Kraut- und Postpunk-Projekt in unmittelbarer Nähe zu Acts wie Swans, Can, Beak> oder Oranssi Pazuzu. Wobei Ochs natürlich nicht der einzige spannende Part an diesem Projekt ist. Aufgefüllt wird die überaus talentierte Trio-Besetzung durch Mitglieder der Berliner Band Sicker Man, die ich ebenfalls schon aus der Vergangenheit kenne und vor allem für ihre energischen Live-Momente schätzen gelernt habe. Klanglich ist Stroh zu Gold ihrer noisigen Mixtur aus Sonic Youth-Indierock, ekstatischem Lärm und kunstiger Pose eigentlich sogar viel näher, weshalb es vor allem Ochs ist, dessen Wandlung mich hier positiv überrascht. Gerade weil diese Art von Musik in der Theorie so überhaupt nicht zu seinem bisherigen Naturell passt: Als vor allem gesanglich begnadeter Frontmann-Typ mit starker wildromantischer Aura passt er scheinbar gar nicht in dieses Gefüge. Dass dieser Eindruck trügt, konnte ich allerdings selbst im Livestream des ersten Trialogos-Konzerts im Frühling feststellen, das die Band in der digitalen Version des Roadburn-Festivals spielten. Denn hier ackerte auch Ochs sich ordentlich ab und spielte neben dem Komfortinstument Gitarre auch an zahlreichen Synthesizern, Loopmachines und Drumcomputern herum. Sein kompositorischer Einfluss auf diesem Album dürfte also ziemlich gleichberechtigt sein. Und ergebnistechnisch kann sich das hier sowieso sehen lassen. In den insgesamt acht Tracks hier spinnen die drei MusikerInnen auf sehr unterschiedliche Weisen eine äußerst dichte Klangdynamik, die fast immer in ihren Details faszinierend ist. Il Terzo Sogno und Hikikomori haben diese herrlich klaren Gitarrenmotive zwischendrin, Lavu Santu wärmt die LP ästhetisch bestmöglich auf, bevor der Titelsong als dickes Kraut-Brett übernimmt, in Mali:Berlin hört man Versatzstücke aus Tishoumaren und Tuareg-Rock und Batdance klingt fast wie das Intro zu Magnum P.I. Vieles davon mag dabei letztendlich nicht die originellste Musik der Welt sein und auch nicht alles an dieser Platte finde ich zu hundert Prozent gelungen, aber wenn ich das hier mal nur als Fan von Conny Ochs denke, ist es definitiv ein spannender Schritt in eine neue Richtung. Nicht nur, weil er sich hier mal wieder musikalisch häutet und etwas ziemlich unverhofftes macht, sondern auch ganz einfach deshalb, weil das hier seine mit Abstand beste Platte seit neun Jahren sein dürfte. Einen mehr als vorsichtigen Optimismus sehe ich als durchaus als begründet an. Und wer weiß, vielleicht gibt es ja in ein paar Jahren das nächste große Ding von ihm.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡⚫⚫⚫ 08/11

Persönliche Höhepunkte
Lavu Santu | Il Terzo Sogno | Hikikomori | Mali:Berlin | Wellenreiter

Nicht mein Fall
-


Hat was von
Swans
the Seer

Beak>
>>>


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