Montag, 14. Juni 2021

Im Glanze des Scheiterns

MAECKES
Pool
Vertigo Berlin
2021
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ introvertiert | lyrisch | gefühlig ] 
 
Ich war innerhalb der letzten zehn Jahre über lange Zeit stets überzeugt genug von der Musik des Markus Winter, dass ich ihn ohne große Diskussion als eine meiner liebsten Hiphop-Figuren im deutschen Sprachraum bezeichnen konnte. Gründe gab es dafür äußerst vielfältige. Zu Teilen tat mochte ich ihn deshalb, weil er sowohl als Rapper als auch als Produzent immer wieder Wege ging, die in der zeitgenössischen Szene-Landschaft herrlich unkonventionell und um die Ecke gedacht waren und zum Teil deshalb, weil er technisch und lyrisch trotzdem extrem konventionell talentiert war. Ein großer Teil meiner Begeisterung kam aber auch daher, dass er für lange Zeit ein relativ mystischer Charakter in der Selbstinzenierungs-Bühne des Deutschrap war, der Seltenheitswert hatte. Abgesehen von seiner Rolle bei den Orsons, in der er schon immer ein bisschen Popstar sein konnte, führte er eine Solokarriere, bei der man diskutieren konnte, ob sie überhaupt eine war. Erst 2010, nach diversen kleineren Projekten mit anderen Künstler*innen, erschien mit Kids ein reichlich verqueres und mixtapiges Debüt, das kurz danach von vielen skizzenhaften Halb-Nachfolgern abgelöst wurde und zwischendurch machte der Stuttgarter neben weirden Kollabo-Projekten und Platin-Produktionen ein bisschen alles und nichts. Er war zu diesem Zeitpunkt als Künstler extrem schwer zu fassen, was für mich irgendwie eine gewisse Faszination ausmachte. Wobei ich mir etliche Jahre trotzdem nichts sehnlicher wünschte als ein "richtiges" Album, auf dem er alle seine Talente mal gescheit bündeln konnte. 2016 wurde das in Form von Tilt auch Wirklichkeit und zum Zeitpunkt ihres Erscheinens war diese LP folglich alles, was ich von ihr erwartete. Sie schaffte den Spagat zwischen dem Popstar und dem experimentellen Frickelnerd Maeckes, hatte sowohl offensichtliche Hits als auch lyrische Deep Cuts, war gleichzeitig überraschend und vertraut und vor allem bedeutete sie mir etwas. Nicht nur musikalisch, auch irgendwie persönlich. Und das war in vielen Punkten das beste, was so ein Album in meinen Augen leisten konnte. Wenngleich dieser Effekt bei mir auch sehr vorrübergehend war. Stand 2021 ist mein Verhältnis zu Tilt sowie zum Output von Maeckes generell etwas nüchterner geworden und wenngleich ich ihn nach wie vor als talentierten Texter und Produzenten schätze, würde ich mich nicht mehr unbedingt als so großen Fan bezeichnen wie früher. Besonders Tilt hat für mich rückblickend stark nachgelassen und an vielen Momenten sehe ich inzwischen effektive Schwächen daran. Nimmt man dazu, dass mittlerweile fünf Jahre inklusive zweier Orsons-Platten ins Land gegangen sind, machte es das zuletzt nicht leichter, Erwartungen an sein drittes Album zu formulieren. Und zu einem gewissen Teil war es mir fast schon ein bisschen egal, was es werden würde. Was letztendlich wahrscheinlich die beste Art von Erwartungshaltung war, denn so konnte ich hier schwerer enttäuscht werden und sah die LP von Anfang an deutlicher als das, was sie ist: Ein ziemlich knapp geratenes, aber grundsätzlich ganz okayes Album mit vielen Schönheitsfehlern. Mit gerade mal 8 Songs in 33 Minuten hebt sich Maeckes in Sachen Spieldauer hier keinen Bruch, lässt sich davon aber nicht abhalten, trotzdem ein Projekt mit einer gewissen klanglichen Größe zu machen. Vor allem produktions- und klangtechnisch ist Pool dabei ziemlich brilliant geworden und nachdem Tilt zumindest schon kreativ mit solchen Dingen umging, ist das Konzept Sound hier auch zum ersten Mal auffällig gut umgesetzt. Ebenfalls besser als auf dem Vorgänger finde ich die Kohärenz der acht Stücke, die bis ins letzte Detail fokussiert scheinen und selbst ästhetische Ausreißer wie Zu Sensibel oder 世の終わりsehr kalkuliert einsetzen. Gerade durch die knappe Länge bleibt hier auch viel unnötiges Füllmaterial aus, das die letzte LP vielleicht an einigen Stellen noch hatte. Jeder Song trägt etwas zur Gesamtheit des Albums bei und hat seinen festen Platz in der Tracklist. Dass die Songs in sich gut sind, ist damit allerdings noch lange nicht gesagt. Tatsächlich würde ich sogar behaupten, dass ich von keinem Stück hier vollends überzeugt bin, was auch fast immer mit Text und Kompositorik der Platte zu tun hat. Denn obwohl viele der Instrumentals richtig toll sind, gelingt es Maeckes eher selten, daraus eine packende Hook zu generieren. Und obwohl er nach wie vor sehr intelligent schreibt, bringt er mich nicht wirklich zum nachdenken. Inhaltlich gibt es Stücke wie Wie es die Maschinen tun oder Swimmingpoolaugen, in denen er sich an Ideen aufhält, die er teilweise schon vor zehn Jahren auf besseren Songs zu Ende gedacht hatte und eigentlich nicht mehr elaborieren muss. Auf der anderen Seite gibt es Sachen wie Stoik & Grandezza oder 1234, die zwar von der Denkart spannend und neu sind, aber als Songs nicht richtig greifen. Sachen wie Pik als Fortsetzungs-Track des Tilt-Stückes Kreuz oder den sommerlichen Closer Calippo Vivaldi machen ihre Sache ganz in Ordnung, aber keine einzige Nummer nimmt mich letztendlich so ein, wie das ein Marie Byrd-Land oder ein Hotelzimmerromatik auf früheren Platten taten. Somit bleibt hier irgendwie das Resultat, dass mir Pool irgendwie egal ist. Nicht im Sinne eines Albums, das mich langweilt, aber durchaus in der Weise, dass ich vieles hier von diesem Typen schon besser gehört habe. Was extrem schade ist, denn als Finale der Trilogie von Kids und Tilt wäre es cool gewesen, hier nochmal einen Ausrufezeichen am Schluss zu haben, welches dieses Ergebnis einfach nicht ist. Eher ein auskullern, dass nochmal das Beste aus dem rausholen will, was die zehn Jahre Solo-Maeckes übrig gelassen haben. Auf dem kreativen Niveau des Stuttgarters ist das aber keineswegs. Und wenn die Vergangenheit eins gezeigt hat, dann dass man nicht nur mehr von diesem Typen erwarten kann, sondern sogar sollte.
 
🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡⚫⚫⚫⚫ 07/11

Persönliche Höhepunkte
Stoik & Grandezza | Swimmingpoolaugen | Pik | Calippo Vivaldi

Nicht mein Fall
Wie es die Maschinen tun


Hat was von
Fatoni
Andorra

Tua
Tua


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