Donnerstag, 7. April 2022

Türkischer Honig

Şatellites - Şatellites
ŞATELLITES
Şatellites
Batov
2022
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ anatolisch | psychedelisch | retro ]
 
Auf die Gefahr hin, jetzt wie der größte Hipster der Welt zu klingen: Dieses ganze Ding mit dem anatolischen Psychrock-Revival in den letzten Jahren ist 2022 irgendwie nicht mehr das was es mal war. Als zumindest einigermaßen aufmerksamer Fan der ganzen Bewegung, der ich seit den Anfängen des Trends vor etwa fünf Jahren geworden bin, empfinde ich es als mittlerweile gar nicht mehr so einfach, in der wachsenden Anzahl schicker neuer Acts mit dieser stilistischen Ausprägung diejenigen zu finden, die wirklich was taugen, und dass sich die ganze Nummer total kommerzialisiert hat, kann man inzwischen sowieso an zehn Fingern ablesen. Ähnlich wie Mitte der Zwotausendzehner beim Tishoumaren geschehen, hat inzwischen jedes halbwegs ehrenwerte und coole Indierock-Label westlich des Bospurus mindestens einen dieser Acts wie Grup Şimşek, Gaye Su Akyol oder Lalalar, die einer sehr bestimmten Idee von orientalischem Siebzigerrock nacheifern, weltgewandte Bands wie King Gizzard & the Lizard Wizard oder Khruangbin nehmen sich zunehmend selbiger Ideen an und die Initiatoren des Revivals (im wesentlichen die niederländische Band Altın Gün) werden inzwischen wie die Tanzbären durch jedes Internetradio und jedes Tiny Desk Concert auf dem Globus gescheucht, wobei sie selbst immer mehr zu ihrem eigenen Klischee werden. Hier eine Band wie Şatellites zu besprechen, die in so ziemlich jeder Hinsicht auch nur Teil dieser rollenden Welle ist und eigentlich wenig originelles beizutragen hat, mag da widersinnig wirken, unterstreichen sie doch in vielen Punkten eher die bene beschriebenen Probleme, als sie zu zerstreuen. Nur sollte man bei alledem bedenken, dass ich diese Kritik ja auch ein bisschen deshalb formuliere, weil mich die ganze Stilistik dieser Bewegung nach wie vor sehr begeistert und ich einfach nur ein bisschen besorgt bin, dass sich die Coolness dieser Musik mit zu viel langweiligem neuem Material langsam verwässert. Und Şatellites sind in dieser Gleichung zumindest für den Moment ein Faktor, der in meinen Augen mit aller Kraft gegen diese Gleichgültigkeit ansteuert. Was im Klartext heißt, dass ihr Debüt im wachsenden Feld stilistisch ähnlicher Acts eines derjenigen ist, das mir wirklich durchweg positiv auffällt und es selbst in einer relativen Übersättigung mit solcher Musik geschafft hat, mich nochmal aus meiner Reserve zu locken. Wobei die Musik selbst dabei nichtmal allzu besonders ist und eigentlich genau die Parameter trifft, die die ganze Bewegung mehr oder weniger in sich vereint. Auch Şatellites haben eine ziemlich talentierte Sängerin, ein herrlich pappiges Schlagzeugbacking und genau die richtigen Effektpedale im Koffer, mit denen sie ihren großen Geschwistern von Altın Gün teilweise zum Verwechseln ähnlich klingen und sich einzig dadurch unterscheiden, dass sie in ihrem Bandkonstrukt weniger auf Keyboards setzen. Sogar die Texte auf dieser LP sind durchweg auf türkisch verfasst, was zumindest in der Hinsicht ungewöhlich ist, dass Şatellites  aus Israel kommen. Und wo ich auf dem Papier mit so viel Kopismus schon irgendwie ein Problem habe und vorliegender Platte auf jeden Fall einen bedenklichen Mangel an Originalität vorwerfen muss, kann diese Kritik auch nichts daran ändern, dass sie hier verdammt nochmal richtig gute Songs schreiben, die mächtig Laune machen. Da gibt es das eröffnende Big Baglama als schicken instrumentalen Moodsetter, der mit dem ersten Vokaleinsatz von Sängerin Yuli Shafriri im nachfolgenden Hudayda auch nochmal einen spannenden Konterpart kriegt, Zuhtu schmiegt sich als eingecroppte Liveversion fantastisch an das umliegende Studiomaterial, Olurmu Dersin ist mit seiner vertrackten Rhythmusarbeit angenehm dancy und mit Yağmur Yağar Taş Üstüne und Cecom gelingt der Band hier ein ebenso ruhiger wie stimmiger Schlussakkord, der am Ende nochmal herrlich entschleunigt. Und klar ist das alles ist nicht im geringsten weltbewegend und als dritter Aufguss einer ohnehin schon revivalistischen Trendbewegung auch definitiv nichts neues, aber es klingt stimmig und macht Spaß beim hören, was letztlich auch der Grund war, warum ich 2018 die erste Platte von Altın Gün so mochte. Und wenn Şatellites mir trotz allem komischen Drumherum vier Jahre später wieder dieses Gefühl geben können, dann will ich nicht so tun als stünde ich darüber. Was mich am Ende dann vielleicht doch nicht zu so einem elenden Hipster macht.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11

Persönliche Höhepunkte
Big Baglama | Hudayda | Olurmu Dersin | Zuhtu | Seni Sen Olduğun İçin Sevdim | Yağmur Yağar Taş Üstüne | Cecom

Nicht mein Fall
-


Hat was von
Altın Gün
On
 
Omar Souleyman
Wenu Wenu
 
 

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