Montag, 1. März 2021

Ende Banane

King Gizzard & The Lizard Wizard - L.W.KING GIZZARD & THE LIZARD WIZARD
L.W.
Die-Ai-Wei
2021
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ mikrotonal | psychedelisch | entspannt | vielschichtig ]
 
Viel habe ich in diesem Format bereits darüber geschrieben, was King Gizzard & the Lizard Wizard für eine fleißige Band sind, wie herrlich nerdig ihre Musik sein kann, dass sie gefühlt immer etwas  besonderes machen und wie wichtig ihr Beitrag in der Welt des Psychedelic Rock der letzten fünf Jahre damit war. Und auch im Bezug auf L.W., ihre jüngste Studioarbeit, wären all diese Dinge mal wieder ein guter Aufhänger. Stattdessen möchte ich an dieser Stelle mit einem weiteren Phänomen beginnen, dass mich an dieser Gruppe ebenfalls sehr fasziniert und über das ich noch nicht so viel geschrieben habe: Die Art und Weise, wie sie in ihrem eigenen Output so etwas wie eine musikalische Lore aufbauen und sich darin permanent auf sich selbst beziehen. Eine Angewohnheit, die auch ihren Fans definitiv nicht unbemerkt geblieben ist. Seit etwa 2017 ist es die Nebenbeschäftigung einiger besonders eifriger Nerds geworden, in Reddit-Threads und Youtube-Kommentaren über Verbindungen verschiedener Songs und Albumkonzepte zu debattieren, die über die Jahre erschienen sind. Vor allem die Platten I'm in Your Mind Fuzz, Nonagon Infinity und Murder of the Universe scheinen sich dabei ein komplettes gemeinsames Universum zu teilen, das mittlerweile die Komplexität des Star Wars-Canons zu haben scheint und bei dem man nicht mehr so richtig weiß, ob nun Eigentlich Band oder Fans die Fäden ziehen. Über dieses faszinierende Rabbit Hole soll es hier aber nicht gehen, sondern eher um das kleine Spinoff dieser Lore, das die Australier in den letzten vier Jahren mit ihrer - wie ich sie jetzt mal nenne - 'mikrotonalen Serie' geschaffen haben und dessen dritter Longplayer gerade am vergangenen Freitag erschienen ist. Wobei sich mit diesem dritten Eintrag in der Reihe definitiv bestätigt, dass eine gewisse Kontinuität der Platten beabsichtigt sein muss. Sie ist in diesem Fall zwar eher kompositorischer als inhaltlicher Natur und über sie lässt sich nicht so schön konspirieren, sie ist aber spätestens hier auch mehr als nur die Idee, mikrotonale Alben zu schreiben und dafür ähnlich gestaltete Artworks zu verwenden. So sind die Songs, die in dieser Serie erscheinen, auch meistens nicht so actiongeladen und groovig wie die Nonagon/MOTU/Mind Fuzz-Stücke, sondern eher entspannt und flockig, außerdem gibt es bei diesen Alben so etwas wie eine Titelmelodie, die mindestens in einem Song pro LP auftaucht. Was ich an der mikrotonalen Serie aber besonders mag ist, dass sie in sich die vielseitigste Unternehmung von King Gizzard ist, die immer wieder für kreative Überraschungen sorgt. Und L.W., der direkte Konterpart zum erst im letzten Herbst erschienenen K.G., ist da keine Ausnahme. Wo der Vorgänger Elemente aus anatolischem Folk, Boogie und Doomrock für sich entdeckte, gehen die Australier hier ähnlich bunt an die Sache heran. Gleich im Opener If Not Now, Then When? bricht die Band mit einem herrlichen Funk-Motiv das Eis, das mich sehr an Stevie Wonder oder Kool & the Gang erinnert, O.N.E. springt danach in eine Art post-orientalisches Westernmotiv über, das ähnlich schon Honey vom letzten Album hatte, Pleura verbaut geschickt Elemente von folkigem Siebziger-Prog und in Static Electricity hört man am Anfang sogar ein paar mystische Protosynth-Einflüsse. Mehr noch als auf L.W. schöpfen King Gizzard dabei ihr Geschick für eher moderate Töne aus und hauen weniger auf die Kacke als sie das sonst gern tun, was in diesem Fall auch sehr ansprechend ist. Nicht zuletzt dadurch, dass hier ein großes Portfolio exotischer Saiteninstrumente wie Banjos, Sitars und Harfen zum Einsatz kommt, das sehr schön die detailreiche Soundkulisse ergänzt. Doch gerade wenn man sich mit der schnuffligen, halbakustischen Ästhetik der Platte so richtig eingegroovt hat, wechseln King Gizzard im letzten Song nochmal komplett die Richtung und bauen von einem Moment auf den anderen die großen Geschütze auf. Wobei K.G.L.W., der hier ja quasi als Titeltrack für gleich zwei Alben beziehungsweise die ganze Band fungiert, der geniale Coup ist, der diese LP nochmal besonders macht. Zwar ist er zugegebenermaßen nicht der beste Song der Australier und vielleicht ein kleines bisschen stumpf und monoton, doch reicht es zumindest für ein imposantes Finale dieser beiden letzten Platten. Mit seinem schwerfälligen und bedrohlichen Doom-Metal-Motiv, das am Anfang und am Ende die Titelmelodie der Serie einbaut, ist er sowas wie der epische Bosskampf im letzten Level, auf den alles bisherige hinauslief. Und dass King Gizzard eine Band sind, die solche Sachen von langer Hand planen, ist das eigentlich geniale daran. Auch wenn die schlechte Nachricht dabei ist, dass er womöglich das Ende der mikrotonalen Serie markiert. Sinn würde es nach der Logik ihrer Diskografie auf jeden Fall ergeben und wenn man schon so einen Monolithen setzt und ihn noch dazu nach sich selbst benennt, dann sollte das bitteschön auch was bedeuten. Wobei ich mich darüber auch wirklich nicht beschweren will. Selbst eine Gruppe wie diese, die neue Musik am Fließband produziert und dabei einen beachtlichen qualitativen Standard aufrecht erhält, macht nicht einfach so drei richtig gute Platten in einer Serie, die noch dazu konzeptuell sehr kompliziert sind und kompositorisch zusammenhängen. Auch wenn ich sagen würde, dass die erste LP Flying Microtonal Banana von 2017 nach wie vor die beste unter den dreien ist, so haben die nächsten beiden doch ohne Zweifel ganz ordentlich geliefert. Diesen konzeptuelle Ausflug der Band als alles andere als einen vollen Erfolg zu bezeichnen, wäre also Blödsinn. Und sollte es wider Erwarten doch noch weitergehen, umso besser. Denn wie bei allem, was mit King Gizzard tun hat gilt auch hier: too much is never enough.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡⚫⚫⚫ 08/11

Persönliche Höhepunkte
If Not Now, Then When? | Pleura | Supreme Ascendancy | East West Link | Ataraxia

Nicht mein Fall
See Me

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen