Sonntag, 7. März 2021

Black History (nicht mehr) Month 2021/2: Fado Anti-Portugues

Bonga - Angola 72BONGA
Angola 72
Morabeza
1972
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ politisch | folkloristisch | zackig ]

Unter westlichen Musikfans hält sich - wie leider viel zu lange auch bei mir - in Bezug auf Popmusik aus Afrika leider noch immer ein wenig das Klischee, dass es diese eine Hauptsorte von klassischem Afrobeat gibt, die irgendwie auf dem ganzen Kontinent in verschiedenen Variationen gespielt wird und die man dann unter so einem Schirmbegriff wie hinreichend zusammenfassen kann. Meistens entspricht dieses Klischee ungefähr der Musik, die Mitte der Siebziger vornehmlich aus Westafrika kam und mit Künstlern wie Fela Kuti und Ali Faka Touré einige wenige 'Stars' produzierte, die auch in der ersten Welt beliebt waren. Mit der Realität hat das natürlich eher wenig zu tun. In Wahrheit ist etwas wie "afrikanische Popmusik" als solches quasi nonexistent und neben Künstler*innen, die einfach nur ihre Version von westlichen Genres wie Disco, Reggae oder Blues spielten, existiert vor allem ein riesengroßer Haufen an lokal verschiedenen, voneinander unabhängigen Stilen, die man absolut nicht miteinander vergleichen kann. Meistens sind diese Amalgame aus der traditionellen Volksmusik der jeweiligen Gegend, kulturellen Einflüssen irgendeiner europäischen Kolonialmacht und individuell unterschiedlicher westlicher Pop-Gattungen, was natürlich eine unglaubliche Vielfalt zulässt. Und wenn man dann noch dazu nimmt, wie unterschiedliche Künstler*innen innerhalb dieser Genres unterschiedliche Ansätze finden, merkt man, was für eine kolossale Frechheit ein Schirmbegriff wie "afrikanischer Pop" eigentlich ist. Und jemand wie José Adelino Barceló de Carvalho aka Bonga ist dafür als Beispiel ebenso gut wie jede*r andere. In der Welt der Beflissenen gilt er als der ultimative MVP des sogenannten Semba, einer Musikrichtung aus Südwestafrika und vor allem Angola, die mit der Ästhetik von Afrobeat ungefähr soviel gemein hat wie Billie Eilish mit Billy Idol. Als sehr lyrisch geprägtes Singer-Songwriter*innen-Genre speist es aich vor allem aus den Traditionen des portugiesischen Fado (Angola war bis 1975 ja noch von Portugal besetzt) und paart diese mit den folkloristischen Traditionen der Region. Im Gegensatz zu vielen bekannteren Genres aus Afrika ist Semba dabei eine sehr melancholische Musik, die von der Idee her eher dem nordamerikanischen Blues entspricht: Eine Musik, die vor allem als Leinwand für das eigene Elend dienen soll und auch sehr danach klingt. Ästhetisch erinnert sie aber auch sehr an die brasilianische Popmusik der Sechziger, die ebenfalls als Sound der dortigen Diaspora entstand. Und reden wir mal von Bongas Songwriting im speziellen, kommt auch noch eine große Portion politischer Aktivismus der Sorte Victor Jara, und ja, Fela Kuti hinzu. Wobei auch die Biografie des Künstlers vieles dazu beiträgt. Als talentierter Leichtathlet lebte Carvalho während seiner frühen Zwanziger in Portugal und war dort Teil einer verhältnismäßig privilegierten jungen Elite von Angolaner*innen. Trotzdem zog es ihn nach kurzer Zeit in Europa zurück in die Heimat, wo er sich selbst den Namen Bonga Kwenda gab und eine bereits zuvor begonnene Karriere als Musiker wieder aufnahm. Angola 72 war dabei 1972 sein offizielles Debüt und löste quasi zeitgleich mit dem Erstarken der Unabhängigkeitsbewegung in Angola eine politische Kontroverse aus. Seine Songs, die gegen die Besatzung protestierten und deutlich das Ende der Kolonialherrschaft forderten, sorgten für großen Unmut in der damaligen Regierung und ähnlich wie Fela Kuti in Nigeria wurde auch Bonga deshalb zur Persona Non Grata erklärt. Anders als Kuti musste er dafür aber keinen brutalen Märtyrertod über sich ergehen lassen, sondern wurde "bloß" aus dem Land verbannt und verbrachte die Jahre bis zur Nelkenrevolution von 1974 in Amsterdam und Paris. Durch seinen Aktivismus wurde er dabei auch in Portugal zu einer gewissen Berühmtheit, den vor allem junge Hippies als Symbolfigur gegen das Establishment sahen. Was genau letztendlich die Botschaften auf Angola 72 sind, kann ich dabei leider nicht so genau sagen. Von wenigen Songs der Platte findet man online überhaupt Lyrics, und selbst bei denen scheitert man letztendlich an der Sprachbarriere. Bonga singt hier in einer Mischung aus portugiesischem Kreolisch und verschiedenen angolanischen Dialekten, für die man definitiv ausgebildetes Fachpersonal bräuchte. Inhaltlich kann ich mich also nur auf Sekundärquellen beziehen (an dieser Stelle Shoutout an die sehr ausführliche Besprechung der LP von

 
🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11

Persönliche Höhepunkte
Uengi Dia Ngola | Balumekeno | Ku Tando | Mona Ki Ngi Xica | Muadikime | Luanda Nbolo | Mu Nhango | Paxi Ni Ngongo | Muimbo Ua Sabalu

Nicht mein Fall
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