Dienstag, 2. März 2021

Finde den Power

Blanck Mass - In FerneauxBLANCK MASS 
In Ferneaux
Sacred Bones
2021

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ synthetisch | sperrig | intensiv ]

Von der Existenz des Projekts Black Mass, im wesentlichen geistiger Spross des britischen Electronica-Produzenten Ben Power, weiß ich eigentlich schon eine ganze Weile. Wie bei vielen anderen war meine Einstiegsdroge irgendwann ein Album seiner Hauptband Fuck Buttons, das mich zumindest mal neugierig darauf machte, was dieser Typ sonst so veranstaltet. Und für ziemlich lange Zeit bin ich nun auch schon ein grundsätzlicher Optimist, was seinen wachsenden Katalog an Soloarbeiten angeht. Sein drittes Album World Eater, mit dem ich vor vier Jahren irgendwie zu ihm fand, mochte ich insgesamt recht gerne und auch dessen Nachfolger Animated Violence Mild von 2019 hatte einige echt gute Tracks dabei. Eine wirkliche Leidenschaft für das Projekt entwickelte ich jedoch nie und hatte auch nie den Eindruck, dass ich dabei irgendwas verpasst hätte. Erst bei meinen ersten vorsichtigen Kontaktversuchen auf der Plattform Rateyourmusic vor etwa einem Jahr begegnete mir plötzlich eine ganze Reihe von User*innen, die Power und seine Musik unglaublich abkulteten und gerade in Bezug auf die letzte LP so manche Lobeshymne von sich gaben. Und da diese Leute gerade gut dabei sind, zu meiner neuen Kernleser*innenschaft zu werden, fühlte ich mich in dieser Woche inspiriert, zum Anlass des neuen Albums nochmal einen ausführlicheren Blick auf Blanck Mass zu werfen. Wobei ich prinzipiell erstmal sagen muss, dass diese Idee gut war. Zwar bin ich durch die Beschäftigung mit In Ferneaux nicht plötzlich ein größerer Fan der alten Platten geworden und auch diese hat bei mir erstmal ein bisschen gebraucht, doch kann ich inzwischen mit großer Gewissheit sagen, dass der Brite hier sein bisher bestes Stück Musik gemacht hat. Vielleicht auch deshalb, weil er zufällig eine Komposition ansteuert, die ich generell ziemlich mag. Mit zwei sehr ausführlichen Tracks in etwas mehr als 40 Minuten ist diese LP noch weniger Song-zentriert als seine letzten und findet die Übergänge zwischen musikalischen Extremen fließender. Innerhalb eines Stücks kann die Dynamik zwar noch immer stark variieren und gibt sowohl ambiente Parts als auch bratzige Noise-Momente preis, diese verlaufen aber wahnsinnig gut ineinander und befinden sich quasi stetig in der Entwicklung zum nächsten klanglichen Phänotyp. Strukturell muss ich bei diesem Album deshalb unwillkürlich an die Kompositorik von Postrock denken, besonders an Bands wie Godspeed You! Black Emperor oder Glacier, deren Songs auch immer ziellos in Bewegung sind. Was noch dadurch verstärkt wird, dass gerade der zweite Teil sehr viel mit Sprachsamples arbeitet und dann und wann auch mal ernsthaft krachig wird. Dass das Mittel zum Zweck dabei Synthesizer statt Gitarren und Streicher sind, ist letztlich ein klangästhetischer Unterschied, der auch nur so groß ist wie die Genre-Scheuklappen der jeweiligen Konsumierenden. Denn auch Ben Powers kann dissonant lärmig sein, zuckersüß-melodische Parts schreiben, mit ätherischen Flächen einen Klangraum ausheben und das alles wunderbar dynamisch miteinander verweben. Was In Ferneaux am Ende so oder so zu einer eindrücklichen Reise durch fantastische Soundwelten macht, die alles mögliche sein kann. Und dass alle diese Ausprägungen richtig gut konzipiert, produziert und ins Gesamterlebnis eingebaut sind, macht diese LP nochmal extra besonders. Das elektronische Meisterwerk, das meine neuen Freund*innen in den letzten beiden Alben von Power sehen, habe ich also anscheinend hier gefunden. Und auch auf die Gefahr hin, damit wie ein Spätzünder zu wirken, habe ich inzwischen erkannt, dass dieser Typ ist ein ziemlich genialer Musiker ist. Danke dafür an die Nerds.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡🟢10/11

Persönliche Höhepunkte
Phase I | Phase II

Nicht mein Fall
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