Mittwoch, 3. März 2021

Hinterm Horizont

Architects - For Those That Wish to ExistARCHITECTS
For Those That Wish to Exist
Epitaph
2021
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ eingängig | groovig | anbiedernd ]
 
Ohne jetzt direkt werten zu wollen und ohne gleich irgendein Urteil über die eigentliche Musik auf vorweg zu nehmen, die auf diesem Album stattfindet, muss ich erstmal loswerden, was für einen mordsmäßigen Respekt ich vor den Architects als Band habe. Vor allem aus einer sehr unkünstlerischen Business-Perspektive heraus. Als jemand, der selbst ein wenig Vergangenheit in der Metalcore-Crowd der späten Zwotausender hatte und in den fünfzehn Jahren seitdem erlebt hat, wie viele Acts aus dieser Bubble in die komplette Irrelevanz abgestürzt sind, sehe ich den Standhaftigkeit, mit der diese Gruppe seit Ewigkeiten zwanghaft relevant bleibt und muss davor ganz einfach meinen Hut ziehen. Denn egal wie viele kreative Kompromisse, Strategiewechsel und eklige Anbiederungen damit auch immer verbunden waren, diese Band hat für ihre Relevanz gekämpft. Mit dem Resultat, dass ich mich seit über einer Dekade darauf verlassen kann, auf einem Metalkonzert irgendeinen Olli mit Architects-Shirt zu treffen. Wer das im Haifischbecken der flüchtigen Trends und pubertären Szene-Gebilde schafft, ist ein Überlebenskünstler, egal was er für Songs schreibt. Wobei wir auch schon bei der Sache sind, die die Briten in meinen Augen immer weniger gut konnten. Nicht dass ich mich in den letzten sonderlich intensiv mit ihrem Output beschäftigt hätte, doch sah ich bisher auch nie einen Grund dafür. Was ich von der Band kannte, war stets die Sorte überproduzierter, künstlich dramatischer und pseudo-progressiver Metalcore-Müll, auf den ich in meinem Leben gut verzichten konnte und gerade die "experimentellen" Djent- und Posthardcore-Ansätze ihrer letzten beiden Alben offenbarten sich mir nicht wirklich. Dass ich hier plötzlich neugierig wurde, lag tatsächlich eher daran, dass sie sich auf For Those That Wish to Live ein weiteres Mal umorientieren und stärker in Richtung Alt-Metal und Pop abbiegen. Eine Strategie, die in letzter Zeit schon bei anderen Bands gut funktioniert hatte, die Idee war also nicht grundsätzlich schlecht. Oder wäre es zumindest gewesen, wenn die Architects vielleicht mal ein paar originelle Ideen eingebracht hätten. Stattdessen dauert es auf diesem Album keine zwei Minuten, bis sich eine allzu offensichtliche Assoziation durchsetzt, die die kommenden 56 davon auch nicht mehr so richtig weg geht: Dieses Album klingt zu mindestens neunzig Prozent wie die letzten beiden ihrer Kollegen von Bring Me the Horizon. Und nicht etwa auf die coole Weise, die spannende Sound aus anderen Stilen borgt, überraschende Songstrukturen aufbaut und vielleicht auch mal einen Rapper dazuholt. Das hier klingt wie der Teil des BMTH-Sounds, den die irgendwann mal lauwarm von Linkin Park abgekupfert haben. Also nach der denkbar langweiligsten Variante davon. Klar gibt es dabei auch wieder irgendein lyrisches Konzept über Evolution, Nonkonformismus, den Tod oder sowas, aber könnten die eigentlichen Texte dabei genauso von Oli Sykes sein. Mit dem Unterschied, dass Zeilen wie "we are the rust worshipping the rain" oder Songtitel wie Discourse is Dead (duh!) hier wahrscheinlich ernst gemeint sind. Und diese Wolke von schlechtem Kopismus und dieser furchtbaren die-Ironie-nicht-gecheckt-haben-Attitüde schwebt über diesem Album, egal wie viel guten Willen man mitbringt. Das zugrundeliegende Songwriting ist dann ganz okay, aber auch nur stellenweise. Wo die Band im ersten Teil wenigstens noch manchmal den Screamo-Motor anwirft und wenigstens ein paar tighte Grooves auf Parkett ballert, dominieren in der zweiten Hälfte schmalzige Emo-Hymnen wie Animals oder Little Wonder, die zu oft auf die nervige Art eingängig sind. Der Unterhaltungsfaktor der Platte steht und fällt dabei mit der sehr durchwachsenen Produktion, die mal richtig fetzig und breit ist, manchmal aber auch verwässert und dünn. Mit viel gutem Willen kann man dazu zumindest ein bisschen abhotten, wobei zumindest ich allerdings immer im Hinterkopf hatte, wie viel besser das gleiche Prinzip auf Amo umgesetzt war. Am meisten tut es mir dabei um die teuren Orchesterparts leid, die durchweg völlig im Hintergrund versanden und so gut wie nichts zum Gesamtergebnis beitragen. Dass For Those That Wish to Live so ein Schlamassel ist, zeigt mir am Ende aber vor allem eines: Ästhetik und Stil ist nicht alles. Bisher war ich der Meinung, mit dieser Art von nostalgischem und doch modernen Sound könnte man als Metalband wenig falsch machen, doch die Architects beweisen mir das Gegenteil. Wenn das Songwriting nicht greift, die Dynamik nicht stimmt und vor allem die Produktion so lax ist wie hier, kann das Experiment sogar sehr nach hinten losgehen. Besonders dann, wenn man direkt beim ersten Mal so zu klingen versucht wie die momentan besten im Game.
 
🔴🔴🔴🟠🟠⚫⚫⚫⚫⚫⚫ 05/11
 
Persönliche Höhepunkte
Discourse is Dead | Dead Butterflies | Impermanence | Goliath | Dying is Absolutely Safe
 
Nicht mein Fall
Flight Without Feathers | Little Wonder | Animals | Demi God | Meteor
 

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