Donnerstag, 11. März 2021

Oh Brother

Mathus & Bird - These 13MATHUS & BIRD
These 13
Wegawam Music Co. & Southern Broadcast
2021
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ altmodisch | pittoresk | kitschig ] 

Wenn man mich fragt, dann ist es völlig unmöglich, sich den Film Oh Brother, Where Art Thou? von den Gebrüdern Coen anzusehen und danach nicht zum Countryfan zu werden. Und zumindest aus meiner persönlichen Erfahrung kann ich sagen, dass dieses besondere cineastische Meisterwerk eine sehr gefährliche Einstiegsdroge war, die mich langfristig in die Arme eines Chris Stapleton und einer Norma Jean Beasler getrieben hat. So schön ich inzwischen aber auch zeitgenössischen Country und diverse Crossover-Varianten finde, mein persönlicher Favorit sind noch immer die rudimentären Oldschool-Stylings mit starker Folk-Verwurzelung und der gelegentlichen Bluegrass- und Blues-Schlagseite. Die Art Musik eben, für die mich besagter Coen-Film anfangs begeistert hatte und die im Moment immer mal wieder meine Oldies-Listen bestückt. Aber auch wenn 2021 jemand solche Songs schreibt, macht mich das natürlich sehr neugierig. Und im Falle dieser neuen LP von James "Jimbo" Mathus und Andrew Bird kann ich definitiv auch sagen, dass ich von dem Ergebnis begeistert bin. Was ehrlich gesagt nicht so oft passiert, da es bei solcher Musik meiner Meinung relativ schwer ist, den authentischen Vibe und das oldschoolige Gefühl richtig zu treffen. Diese Sorte von Country lebt davon, dass sie nicht nur alt wirkt, sondern effektiv alt ist und völlig aus der Zeit gefallen scheint. Allein der Versuch, so etwas in ein heutiges Pop-Verständnis zu übersetzen, erscheint oft surreal und müßig. Und noch schwerer wird es, wenn man wie Bird und Mathus hier eigene Songs schreibt und noch dazu sehr modernes und hochauflösendes Equipment verwendet. Es gibt aus den letzten 30 Jahren unzählige Tracks und Alben, die aufgrund solcher Ansätze oberflächlich und falsch klingen und in meinen Augen fallen darunter sogar große Teile des so geliebten Oh Brother-Soundtracks. Und sicher, auch These 13 merkt man an, dass es nicht in den Dreißigern aufgenommen wurde. Trotzdem ist es in meinen Augen die bestmögliche Variante, sich aus heutiger Perspektive analytisch diesem Sound zu nähern. Was letztlich vor allem daran liegt, wie die beiden hier Songs schreiben. Die (wie der Titel schon vermuten lässt) 13 Tracks des Albums sind nicht in etwa der Versuch, ein möglichst authentisches Historienporträt aufzubauen, sondern in gewisser Weise dessen Subversion. Nicht so sehr musikalisch, aber definitiv lyrisch. Stücke wie Poor Lost Souls, Sweet Oblivion oder Jack O'Diamonds sind ziemlich sarkastisch geschriebene Räuberpistolen, die auf metaphorische Weise sehr moderne Themen wie Hedonismus, affige Celebrity-Kultur oder den Nihilismus der Generation Z verarbeiten. Nicht immer kommt man darauf sofort und teilweise muss man auch ein bisschen um die Ecke denken, doch ist das Material definitiv da. Und wenn diese kleinen Parabeln dann mit so altmodischen Kompositionen ausgestaltet werden, hat das etwas sehr charmantes. Es erinnert mich ein bisschen an die letzte LP von Tim Heidecker, nur in besser. Zumindest auf den ersten drei Vierteln der Platte, die fast nur aus genialen Stücken bestehen. Zum Ende hin lassen die beiden dann etwas nach und werden auch songwriterisch unfokussierter, wirklich mies wird es hier aber nie. Und wann immer Mathus und Bird hier ein fettes Banjosolo, einen trashigen Violinenpart oder ihren wunderbaren Satzgesang vom Stapel lassen, ist das richtige Feeling einfach da. Letztendlich nicht, weil es so echt klingt, sondern weil sie gute Songs schreiben. Weshalb es mir auch nicht weh tut, das hier als meine erste Country-Lieblingsplatte des Jahres zu bezeichnen. Auch wenn ich insgeheim ein bisschen gehofft hatte, dass diese Phase bei mir 2021 aufhört.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡⚫⚫⚫ 08/11
 
Persönliche Höhepunkte
Poor Lost Souls | Sweet Oblivion | Encircle My Love | Beat Still My Heart | Red Velvet Rope | High John | Stonewall (1863) |

Nicht mein Fall
Bell Witch | Dig Up the Hatchet

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