Sonntag, 28. März 2021

Schwein gehabt

Armand Hammer & The Alchemist - Haram ARMAND HAMMER & THE ALCHEMIST
Haram
Backwoodz Studios
2021
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ intellektuell | ungemütlich | düster ]

Man könnte jetzt argumentieren, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis sich die musikalische Freundschaft, die zwischen Billy Woods, Elucid und the Alchemist schon seit etlichen Jahren besteht, mal in so einem größer angelegten Projekt äußert und dass die Existenz dieser LP an sich eigentlich keine Überraschung ist. Trotzdem ist Haram als erste albumübergreifende Kollaboration dieser beiden Projekte für mich schon personell etwas sehr besonderes. Ganz einfach deshalb, weil beide hier beteiligte Parteien in meinen Augen zu den besten Sachen gehören, die im Hiphop der letzten Dekade passiert sind und auch ihre gemeinsamen Schnittpunkte in den vergangenen Jahren schon ziemlich cool waren. Aus meiner persönlichen Perspektive treffen auf dieser LP einer der besten Produzenten des Genres überhaupt auf zwei der besten MCs des neuen Jahrtausends, die hier einfach alle für sich eine Wagenladung an Talent mitbringen. Und da haben wir noch nicht mal darüber geredet, dass hier auch Gastparts von Earl Sweatshirt, Quelle Chris und Talib Kweli-Sohnemann Amani dabei sind. Erwartungstechnisch war Haram für mich also eine der wirklich großen Nummern der laufenden Saison, zumindest was Rap angeht. Wie so oft sind es aber gerade diese Projekte, von denen man umso schneller enttäuscht werden kann und die es gerade ihrer verheißungsvollen Vorzeichen wegen echt schwer haben. Und tatsächlich war mein erster Eindruck des Albums vor ein paar Tagen, dass es nicht ganz das hielt, was die Namen darauf versprachen. Soll heißen, dass das hier ein gutes Album ist, für das man aber viel Geduld und guten Willen braucht. Wobei das im Fall von Armand Hammer ja auch kein wirklich neues Phänomen ist. Schon ihre letzte LP Shrines vom vergangenen Sommer gab mir den Eindruck, nicht nur unnötig kompliziert zu sein, sondern absichtlich irreführend und herausfordernd. Und wo das teilweise cool war, wenn man erstmal dahinter kam, war es doch definitiv anstrengend, den Weg dahin zu finden. Eine Eigenschaft, von der ich gehofft hatte, sie würde von jemandem wie Alchemist ein wenig ausgekontert, der es normalerweise schafft, selbst den klobigsten Nerdrapper zugänglich klingen zu lassen. Doch scheint dieser sich hier vom experimentellen Vibe der beiden MCs mehr oder weniger mitziehen zu lassen. Die Beats auf Haram gehören zu den finstersten und ungemütlichsten, die ich von seiner Seite jemals gehört habe, was zu Armand Hammers Inhalten sicherlich passt, diese Platte aber mal wieder zu keiner einfachen macht. Nach mehreren Hörduchläufen kann ich inzwischen die Qualitäten in diesem Ansatz erkennen, nur liegen diese tief vergraben. Hier mit der Erwartung eines gemütlichen Boombap-Albums der Marke Alchemist heranzugehen, könnte also falscher nicht sein. Geworden ist es eher ein weiteres sehr gutes verkopftes und intellektuelles Armand Hammer-Album, geprägt von finsterer Poesie, grantigem Realismus und tausend geekigen Verweisen, die man erstmal googeln muss. Da geht es um die Steuern von Wesley Snipes, Boxkämpfe aus den Achtzigern, Ölpreise in Venezuela und rassistische Strukturen in der CIA. Ein wirklich bindendes Thema erkenne ich dabei nicht und oft sind beide MCs auch wieder sehr abstrakt unterwegs, was vielleicht erstmal verwirrend ist. Das Resultat sind aber erneut haufenweise ziemlich geniale Parts wie die erste Strophe von Billy Woods in Indian Summer oder der abgefahrene Flow von Elucid in Scaffolds, die mal wieder das lyrische Genie dieser Typen zeigen. Generell bin ich dabei das erste Mal der Meinung, dass Elucid die interessanteren Texte schreibt, wobei das definitiv nicht heißt, dass Billy Woods nachgelassen hat. Auch die insgesamt fünf Features hier sind allesamt nicht schlecht, tragen allerdings auch nicht mehr zur LP bei als die beiden Hauptakteure, die durchweg auf Hochtouren laufen. Die wesentliche Leistung von Producer Alchemist ist letztendlich vor allem, dem gesamten Projekt seine klangliche Form zu geben. Sicher, die Beats hier mögen nicht so einfach zu händeln sein wie auf seinen sonstigen Platten, doch habe ich dafür das erste Mal auf einer LP von Armand Hammer das Gefühl, ein rundes Gesamtwerk zu hören. Vor allem der getragene Closer Stonefruit setzt diesbezüglich nochmal ein wichtiges Zeichen und gibt der ganzen Sache ein vollendetes Album-Gefühl. Was alles in allem dafür sorgt, dass ich unterm Strich doch sehr zufrieden mit Haram bin. Zwar schreiben die New Yorker hier erneut eine Platte, die unendlich kompliziert ist und deshalb sicherlich einigen nicht gefallen wird, doch sind die Schätze am Grund des Sees aus verbogenen Beats und verschwurbelter Gesellschaftskritik es durchaus wert. Platten von Armand Hammer sind im besten Fall welche, die mir über lange Zeit hinweg Stoff zum Nachdenken geben und diese hier fühlt sich so an wie eine weitere davon. Und für Alchemist hat dieses Album vor allem den Charakter einer klanglichen Entgrenzung, die auf ihre Weise auch mal ganz interessant war. Man muss es eben nur wollen.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11

Persönliche Höhepunkte
Roaches Don't Fly | Black Sunlight | Indian Summer | Aubergine | Scaffolds | Falling Out the Sky | Wishing Bad | Chicharonnes | Squeegee | Stonefruit

Nicht mein Fall
God's Feet

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