Mittwoch, 17. März 2021

This is My Swamp

EYEHATEGOD
A History of Nomadic Behavior
Century Media
2021
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ dreckig | rotzig | schmalbrüstig ]

Ich wusste ja bereits, dass die Diskografie von Eyehategod nach der Jahrtausendwende keine besonders üppige ist, doch habe ich erst im Laufe der Recherche für diesen Artikel festgestellt, wie rar sich die Band aus New Orleans in den letzten zwei Dekaden tatsächlich gesät hat. Sicher, zwischen mehreren Auflösungs-, Reunions-, und Umbesetzungs-Querälen in den frühen Zwotausendern, dem Tod von Drummer Joey La Caze, diversen Mitgliedern mit Suchtproblemen und längeren Gefängnisaufenthalten und einer schweren Identitätskrise nach Hurrikan Katrina 2005 hatte die Gruppe über eine lange Zeit auch echt andere Prioritäten zu klären, doch sah es nach 2013 eigentlich so aus, als würde man sich langsam wieder fangen. 2014 kam von ihnen das erste Album seit anderthalb Jahrzehnten und irgendwie wirkte die Gruppe wieder ein bisschen frischer. Nur leider ist seitdem wieder ziemlich wenig passiert. Mit A History of Nomadic Behavior nach sieben Jahren wieder eine neue Platte zu bekommen, ist allein des Seltenheitswertes wegen ein ziemliches Ereignis, zumal Eyehategod ja auch schon lange keine Niemande mehr sind. Ihre Rolle in der Entwicklungsphase des Sludge Metal Anfang der Neunziger wächst mit den Jahren immer weiter und Stand 2021 haben wir es bei ihnen tatsächlich mit einem gewissen Legendenstatus zu tun. Eine Sache, die man sich ob dieser zwölf neuen Tracks ruhig nochmal aufs Brot schmieren lassen kann. Denn wenn man allein das beurteilt, was hier gespielt wird, möchte man das gar nicht so glauben. Dass die Formation nach einer so langen Zeitspanne ohne Album so ein halbgares, stumpfes und dröges Projekt vorlegt, ist einfach nur eine große Enttäuschung. Selbst für mich als Überhauptnicht-Fan. Wobei ich bei Eyehategod eigentlich schon deshalb ein paar Augen zudrücke, weil sie traditionell nicht ins Entwicklungsschema der zeitgenössischen Sludge-Ästhetik passen. Als Erbverwaltende des räudigen Neunziger-Sounds scheren sie sich wenig darum, wie edel und ausproduziert heutzutage Bands wie High On Fire oder Mastodon klingen, sie knattern weiter ihren New Orleanser-Szene-Stiefel ab. Und wo ich das theoretisch irgendwie ehrlich und treu finde, funktioniert es für diese LP ausschließlich zum Nachteil. Die minimalistische Ausgestaltung des Songwritings lässt sehr viel Platz für ein paar äußerst mittelmäßigen Gesangsparts von Mike Williams, klanglich werden die immer gleichen Effekte schnell monoton und was sich hier Produktion schimpft, macht den Gesamtsound eher noch dünner und blechiger, als die fetten Momente aus ihm herauszuholen. Dass die Texte hier darüber hinaus ziemlich cringy und edgelordig sind, macht die Sache nicht besser. Weshalb diese Platte in meinen Augen in sehr vielen Punkten für das steht, was im schlimmsten Fall passiert, wenn man seit Jahrzehnten nur scheuklappig "real" bleibt und ignorant gegenüber neueren Entwicklungen ist. Und es ist ja nicht so, dass sowas prinzipiell furchtbar klingen muss. Die letzten Alben von Crowbar, den zweiten wichtigen Sludge-Pionieren, waren ebenfalls sehr traditionell, aber in keinster Weise so stumpf und stockig wie das hier. Und dass Eyehategod es besser können, zeigen sie ganz schemenhaft kurz vor Ende der Platte. Die letzten vier Songs auf A History of Nomadic Behavior sind mit großem Abstand die besten, wobei the Trial of Johnny Cancer und Smoker's Piece dadurch cool werden, dass sie ein paar vorsichtig psychedelische Momente mit einbauen und Circle of Nerves das erste Mal auf diesen Album wirklich einen fetten Bass hinbekommt. Every Thing, Every Day ist dann zwar wieder etwas hölzern, aber bringt zum Abschluss wenigstens ein starkes Monsterriff auf die Bühne. Und in solchen Momenten funktioniert es dann plötzlich. Wäre das ganze Album so aufgebaut gewesen wie der Schlussteil, hätte ich Eyehategod wenigstens noch den Relegationsplatz der aktuell relevanten Sludge-Bands angeboten, doch mit diesem Witz als erste Hälfte kann ich nicht anders reagieren als mit der Einschätzung, dass diese Band sich verbraucht hat. Ich schätze nach wie vor ihren immensen Einfluss auf ein Subgenre, dass ich liebe, doch weiß ich eben auch, wann sie darin nichts mehr mitzureden haben. Bei so einem Schaden können sie sogar froh sein, wenn sich ihre alten Fans nicht von ihnen abwenden. Weil sich sieben Jahre warten für sowas halt einfach in keinster Weise auszahlt.

🔴🔴🔴🟠🟠⚫⚫⚫⚫⚫⚫ 05/11

Persönliche Höhepunkte
the Trial of Johnny Cancer | Smoker's Piece | Circle of Nerves

Nicht mein Fall
Current Situation | the Day Felt Wrong | Built Beneath the Lines

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