Dienstag, 28. Februar 2017

Elektrische Banane

Sehr lange Zeit habe ich geglaubt, eine Band wie King Gizzard & the Lizard Wizard müsse man nicht wirklich ernst nehmen. Für mich war die Psychrock-Formation aus Australien mit dem unglaublich passenden Namen nicht mehr als eine Anhäufung von obskuren Technik-Nerds, die Musik nicht um der Musik willen machten, sondern bloß, um daran seltsame kompositorische, klangliche und inhaltliche Experimente auszuprobieren. Zur Erklärung: Die siebenköpfige Band aus Melbourne hat es sich zur Aufgabe gemacht, so gut wie jede ihrer Platten mit einem neuen Konzept anzugehen, das meistens erstmal ziemlich krass klingt. So war beispielsweise ihre zweite LP Eyes in the Sky eine Art begleitetes Hörbuch zu einer Western-Thematik, Quarters hatte vier auf die Sekunde genau gleichlange Tracks, Paper Mâché Dream Balloon war komplett improvisiert und Nonagon Infinity, das Album vom letzten Jahr, konnte von jedem beliebigen Song aus gestartet werden und ergab ein harmonisches Ganzes. Wie man daran schon bereits sieht, machen King Gizzard also nicht einfach so Musik, sondern wollen die Gesetzmäßigkeiten dahinter verstehen. Und obgleich das ein an und für sich nobler Gedanke ist und für interessierte Parteien auch durchaus jede Menge Spannung verspricht, dachte ich bisher immer, dass die Band dieses eher wissenschaftliche Interesse an Musik über die ästhetische Qualität der selbigen stellen würde. Dass ich damit tatsächlich Unrecht hatte, wurde mir erst vor einigen Monaten bewusst. Da hörte ich nämlich eher durch Zufall Rattlesnake, die erste Single dieses neuen Albums hier, die mich tatsächlich ziemlich begeisterte. Der Trick dabei war, dass ich zu diesem Zeitpunkt ja nicht wusste, was das Konzept von Flying Microtonal Banana sein würde und ich mich deshalb einfach auf den Song konzentrieren konnte, was ziemlich gut funktionierte. Und als ich daraufhin recherchierte, was King Gizzard sich diesmal denn zur Aufgabe gemacht hatte, war ich zugegebenermaßen noch mehr begeistert. Denn die Idee hinter dieser LP könnte durchaus die bis dato schrägste und experimentellste der Australier sein. Flying Microtonal Banana ist durchgängig mit Instrumenten aufgenommen, die auf eine mikrotonale Skala umgestimmt wurden und hat deshalb einen vollkommen eigenen Aufbau haben. Zwar merkt ein Technik-Nappel wie ich das auch erst, wenn er es irgendwo gelesen hat, aber dann wird es auf einmal auch sehr deutlich. Die neun Stücke hier scheinen auf einer eigenen Harmonik zu basieren, die zwar durchaus tonal ist, aber dennoch nicht den wohltemperiert geprägten Hörgewohnheiten entspricht, die die meisten von uns haben. Diese Wirkung entsteht durch das Einfügen von Zwischentönen, die in der europäischen Musiktheorie nicht existieren und wer sich dafür interessiert soll sich Sachen dazu durchlesen. Denn auf der einen Seite ist es genial, weil eine solche Herangehensweise diese Platte klanglich um ein vielfaches spannender macht, es ist auf der anderen Seite aber auch etwas, dass man ignorieren kann, wenn man einfach nur die guten Songs genießen möchte. Ich bin mir nicht sicher, ob die neun Songs, hätte man sie "normal" geschrieben, vielleicht viel langweiliger und einheitlicher geklungen hätten, doch so wie sie sind, sind sie für den unanspruchsvollen Hörer auch einfach nur als gute psychedelische Garagenrock-Cuts erkennbar und als solche auch sehr gut. Und eine solche Wirkung zu erzielen, muss man meiner Meinung nach erstmal schaffen. Ich bin mir nicht sicher, inwiefern das bei King Gizzard bereits in der Vergangenheit der Fall war, aber mich haben sie mit diesem Album jedenfalls auch rumgekriegt. Womit ich vermutlich einer der letzten Musiknerds auf diesem Planeten bin, bei dem das noch passieren musste. Die Argumente, sich diese Band anzuhören sind also erdrückend und die Ausreden, es nicht zu tun, werden immer weniger. Und spätestens, wenn King Gizzard Zwölftonmusik machen, wird es kein zurück mehr geben. Versprochen





Persönliche Highlights: Rattlesnake / Open Water / Billabong Valley / Doom City / Flying Microtonal Banana

Nicht mein Fall: Nuclear Fusion

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