Freitag, 3. Februar 2017

Frei & Radikal

Dass ich bisher noch keine ausführliche Besprechung über Lil Ugly Mane geschrieben, ja nicht mal ein Wort über ihn verloren habe, ist eine Schmach, die ich seit langem vor mir her schiebe. Der wahnsinnig experimentelle MC aus Richmond, Virginia hat bereits seit geraumer Zeit mein besonderes interesse, weil er eine der Personen ist, die zurzeit tatsächlich erfolgreich dabei sind, die Stilistik des HipHop zu transzendieren und da er zudem noch sehr häufig mit meinem Lieblingsrapper Milo verglichen wird, ist meine Neugier nur doppelt so groß. Das Problem, das mich allerdings bis jetzt von ihm getrennt hat, ist jedoch ein meiner Meinung nach entschuldbares: Die kruden, stets eigens veröffentlichen Tapes waren außerhalb der Staaten bisher nirgendwo zu bekommen und Streams gab es nur von ausgewählten Einzeltracks, was eine intensive Beschäftigung doch eher schwierig machte. 2017 gibt es aber erstmals neues Material von Lil Ugly Mane auch für mich zu hören und auch wenn diese LP vielleicht nicht der günstigste Einstieg ist (Nebenprojekt unter anderem Namen, Vorfeld-Recherche so gut wie unmöglich), bin ich sehr froh, jetzt endlich auch über diesen Typen und eines seiner Alben reden zu können. Und das erste was ich definitiv über ihn sagen kann ist, dass die Blogs und Foren nicht zu viel versprochen haben. Die Identität des Rappers ist für Lil Ugly Mane beziehungsweise Bedwetter nur das Alibi, das ihm erlaubt, sich innerhalb eines einheitlichen Kontextes über diverse Sounds und Stile herzumachen, die gerade günstig erscheinen. Allein auf diesem gerade mal halbstündigem Mixtape erlebt man ein klangliches Spektrum, das von Noise über Ambient und Trip-Hop bishin zu experimentellem Garagenrock geht und auf dem nicht mal in jedem Song gerappt wird. Das faszinierende ist dabei, dass Flick Your Teeth... trotzdem kein bisschen nach einem stilistischen Potpourri klingt, sondern im großen und ganzen ein sehr beständiges, stimmiges Gesamtwerk darstellt. Dort wo Bedwetters sehr eigenwilliger Flow die Ästhetiken zusammen leimt, ist das keine große Sache, doch auch die umfangreichen Instrumental-Passagen passen ins Konzept. Und das ist schon eine gewaltige Leistung. Fast als Sahnehaube statt als Kernkompetenz ist Lil Ugly Mane dann auch noch ein richtig guter Rapper. Seine Texte sind passend zur Musik äußerst skurril, doch zeichnen sie sich durch eine erzählerische Qualität aus, die ebenfalls die Grenzen des im Rap üblichen Minimums sprengt und die tatsächlich Ähnlichkeiten mit Milo oder auch Billy Woods aufweist. Nur deren Output diese im Vergleich zu Flick Your Teeth... fast schon konservativ und angepasst erscheint. Seine Rolle als freies Radikal der HipHop-Szene macht ihn hier vielleicht nicht besser als andere, doch definitiv interessanter. Und es ist gut möglich, dass er in Zukunft nochmal ein richtig heißes Teil veröffentlicht. Wenn es soweit ist, hoffe ich, dass ich es auch hören kann.





Persönliche Highlights: John / Stoop Light / Fondly Eulogizing Sleep / Branch / This is Not My Stomach / Cave Yourself Over

Nicht mein Fall: Haze of Interference

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