Dienstag, 7. Februar 2017

Die Gefühle haben Schweigepflicht

Man ist im Jahr 2017 kein Idiot mehr, wenn man mit Elbow nichts anfangen kann. Wenn ich ehrlich bin, war man das für mich noch nie. Die britische Band war eine von denen, die Anfang bis Mitte der Nullerjahre auf einer großen Welle mitschwamm, die uns einen ganzen Arsch voller trauriger englischer Indie-Künstler bescherte, von denen es genügend gibt, die man heute eher noch hören sollte. Namen wie Editors, Manic Street Preachers oder Teenage Fanclub haben sich in der Musikgeschichte des Vereinigten Königreiches heute bewährt, während Elbow meistens lediglich als Fußnote existieren. Und ich finde das okay, denn so richtig gepackt hat mich das Quintett aus Manchester nie. Selbst ihre "großen" Platten wie Cast of Thousands oder the Seldom Seen Kid waren in meinen Augen nie mehr als gute Beiträge zu etwas, das andere Leute schon besser gemacht hatten und es kann nun mal nicht jeder Sting oder Morissey sein. Für Fans melancholischer britischer Elendsmusik kann ich zwar vor allem erstere LP noch immer empfehlen, doch mein Leben hat sie zu keinem Zeitpunkt verändert. Es reicht höchstens noch als Motivation dafür, ihre neue Platte zu besprechen. Was den Elbow-Output der letzten Jahre angeht, so ist die Bilanz ziemlich traurig. Das letzte einigermaßen relevante Album ist Build A Rocket Boys! von 2011, danach stürzten sich die Briten in einen ausufernden Reissue-Wahn, 2014 kam überflüssige eine Live-DVD und der überflüssige neue Longplayer the Take Off and Landing of Everything hinzu. Die Chancen, dass Little Fictions ein totaler Neuanfang werden würde, waren also relativ gering. Und leider wurden meine Prognosen hier nicht nur bestätigt, sondern sogar noch übertroffen. Dieses Album könnte unter Umständen die bisher ereignisloseste Dreiviertelstunde von 2017 sein. Die classy, seriöse Zurückhaltung des Elbow-Sounds hat nunmehr vollkommen die Kontrolle über das Songwriting der Band an sich gerissen und sorgt hier dafür, dass Überraschungen und spannende Akzente wohl unerwünscht sind. Denn obwohl vieles hier durchaus etwas optimistischer klingt als meistens zuvor, ist die Ausführung so furchtbar eintönig, dass sogar gut gemeinte Elemente wie Backing-Vocals, Streicher und elektronische Beats darin chancenlos versacken. Guy Garvey lamentiert dabei irgendwelche gedankenversunkenen Monologe vor sich her und versucht hier und da, wie Sting zu klingen, macht damit aber meistens alles nur noch schlimmer. Songs wie Head of Supplies, Gentle Storm oder der unsägliche achtminütige (!) Titeltrack sind mehr oder weniger katastrophal und vieles vom Rest kann einem einfach nur egal sein. Einzig die Klavierballade Montparnasse sowie der Closer Kindling stechen in der ganzen grauen Masse als tatsächlich ziemlich hochwertige Songs heraus, die durchaus beeindrucken. Zwar sind sie unter den eh schon melancholischen Stücken die vielleicht melancholischsten und alles andere als Kontrastprogramm, doch wenigstens haut hier das Songwriting hin und man erlebt so etwas wie Emotionen im Spiel der Band. Vor allem Kindling ist vielleicht der beste Einzeltrack der Briten seit Jahren und zeigt, dass sie durchaus noch können, wenn sie wollen. Nur scheinbar nicht mehr auf Albumlänge. Little Fictions hat seine kleinen Momente, ist aber als ganzes betrachtet trotzdem das größte Disaster der bisherigen Diskografie von Elbow. Wenn eine Gruppe, die viele ihrer Fans wegen ihrer gefühlsbetonten Musik mochten, diese nicht mehr anspricht, ist sie praktisch arbeitsunfähig und für den Hörer unbrauchbar. Zumal es jede Menge andere Musiker gibt, die dieses Gebiet nach wie vor besser bedienen. Ich würde ja vorsichtig sein, die Band als ein reines Relikt des vergangenen Jahrzehnts zu bezeichnen, doch so wie die Fakten liegen, scheinen sie das tatsächlich zu sein. Sollten Fans das hier lesen, tut es mir Leid, aber mal ehrlich: Wenn ihr auf ein Konzert von denen geht, wollt ihr doch sicherlich auch lieber Open Arms hören als All Disco. Na also.





Persönliche Highlights: Trust the Sun / Montparnasse / Kindling

Nicht mein Fall: Head of Supplies / Little Fictions

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