Montag, 20. Februar 2017

Don't Stop Believing

Es liegt nicht nur daran, dass ich inzwischen anspruchsvoller bin, es ist tatsächlich so: Früher war mehr guter Hardcore. Mit früher meine ich dabei die Jahre 2011 und 2013, als ich mit dem bloggen anfing und mit guter Hardcore meine ich, dass zu dieser Zeit fast wöchentlich geniale Scheiben von tatsächlich jungen und wilden Bands aus aller Welt erschienen, die richtig Spaß machten. Platten wie YPLL von Retox, Howl von This Routine is Hell, Floral Green von Title Fight oder Tough Love von Pulled Apart By Horses sind musikalische Erlebnisse, die mich damals ein bisschen zum Szene-Fan machten und mich glauben ließen, es wäre immer so. Allerdings war dann mehr oder weniger das Gegenteil der Fall. In den drei darauf folgenden Jahren habe ich kaum wirklich relevante Alben aus dieser Richtung gehört und wenn waren es meistens ziemlich finstere, experimentelle Projekte, die wenig von der schrotenden Hedonie hatten, die ich vorher so geil fand. Doch weil ich ein optimistischer Mensch bin, höre ich seitdem nicht auf, an eine Rückkehr solcher Musik zu glauben. Wenn es zumindest einen Longplayer gäbe, auf dem einfach nur guter Rotzpunk ohne viel Schnickschnack zu hören ist, wäre ich schon ein ganzes Stück glücklicher und in meinem Willen bestärkt. Und mit Dealer aus Oakland hat sich mal wieder eine Band gefunden, von der ich glaube, dass sie diesen Longplayer veröffentlichen könnte. Das kalifornische Trio hat mit Billionaire Boys Club gerade sein Debüt auf Wicked World Records veröffentlicht und macht darauf tatsächlich sehr viel räudigen, nicht weiter konzeptualisierten Lärm. Zehn Songs sind auf 35 Minuten versammelt, die Titel tragen wie Stone Freak oder Total Horse und in denen mal Zeilen hören kann wie "I'll behave / be your slave / no, I insist". Dir Grundvoraussetzungen sind also erstmal gegeben. Und es macht auch definitiv Gaudi, Dealer hier zuzuhören. Mit viel Karacho prügeln sie sich im Affentempo durch die eigentlich viel zu deftigen Tracks und erinnern dabei gerne Mal an die Melvins, Pulled Apart By Horses (ca. 2012) oder Big Ups. Dabei lassen sie hin und wieder ein kleines Faible für Thrash Metal durchblitzen (bestes Beispiel: Solar Dominion) und Kevin Klausen ist nicht nur ein ziemlich guter Schreihals, sondern auch seine eigentümliche Dichtkunst schindet mächtig Eindruck. Es gibt keinen einzigen schlechten Track hier und klanglich kann man zumindest nicht meckern. Für den Moment erfüllt Billionaire Boys Club damit durchaus meinen Anspruch an ein gutes Hardcore-Projekt. Doch bin ich mir nicht ganz sicher, ob ich es hier tatsächlich mit einem langfristig unterhaltsamen Album zu tun habe. Obwohl ich die LP jetzt ziemlich genial finde, kann ich mir schwer vorstellen, dass ich auch in drei oder vier Jahren Lust verspüre, mir jetzt ganz unbedingt Dealer anhören zu müssen. Viel eher habe ich das Gefühl, dass ich innerhalb von ein paar Wochen bereits genug von den Kaliforniern habe und Billionaire Boys Club im gedanklichen Archiv zu "Kann man sich antun" wandert. Eine definitive Antwort kann ich darauf nicht geben, doch ich befürchte schon ein bisschen, dass genau das passiert. Zum jetzigen Zeitpunkt finde ich die Platte aber großartig und möchte sie jedem empfehlen, der sich auch nur ein winziges bisschen für Hardcore interessiert. Dealer haben die Aufmerksamkeit definitiv verdient und für ihr Debüt ist diese Scheibe hier schon echt ein Hingucker. Es ist also nicht unwahrscheinlich, dass die richtig fette Nummer bei ihnen erst noch kommt. Bis dahin geht die Suche nach dem großen neuen Szene-Album weiter.





Persönliche Highlights: AM Gold / Odious Charme / Total Horse / Stone Freak / Solar Dominion / In the Flesh / Cake Walk

Nicht mein Fall: -

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