Samstag, 11. Februar 2017

Wenigstens ein Happy End

In einer alternativen Realität hätte Lupe Fiasco möglicherweise der Rapper werden können, der heute Kanye West ist. Er hatte mehr oder weniger zur selben Zeit seinen Durchbruch mit einem Album, das zu gleichen Teilen kommerzielles Potenzial und lyrisches Talent zeigte, tritt immer wieder als kontroverser Charakter in Erscheinung, traut sich ständig, unpopuläre Entscheidungen zu fällen und wird dafür heftig in den Medien diskutiert. Dass er heute eben doch nur Lupe Fiasco ist, hat sicherlich mit Totalausfällen wie Lasers zu tun und dass er am Ende doch nicht das Durchsetzungsvermögen eines real existierenden Kanye hatte. Aber mittlerweile können wir ja froh sein, dass er überhaupt noch Musik macht und wir jetzt mit Drogas Light doch noch eine neue LP von ihm bekommen haben. Seine letzte, Tetsuo & Youth von 2015, war in meinen Augen ein echtes Highlight und zeigte vor allem nach langer Zeit wieder, was dieser Rapper eigentlich für Ambitionen hatte. Und diese hätte ich hier für meinen Teil gerne noch ein bisschen ausgebaut gesehen. Nach den Kontroversen der jüngsten Vergangenheit muss sich der Chicagoer sowieso für nichts mehr rechtfertigen und eine Erweiterung des schöngeistigen Vorgängers wäre sehr zu begrüßen. Doch man kann nicht sagen, dass Drogas Light diese geworden ist. Viel mehr erleben wir hier wieder einen der seltsamen Mainstream-Flashbacks, die bei Lupe Fiasco noch nie gut funktioniert haben. Die bisher veröffentlichten Singles Jump und Tranquillo waren zwar gar nicht übel und funktionierten als Club-Hits, als die sie auch konzipiert waren. Doch kann man das keinenfalls über das fertige Album sagen. Mit dem Intro Dopamine Lit wird die Messlatte gleich am Anfang sehr hoch angesetzt (ohne Mist, der Track ist genial), nur um das Niveau danach rapide abtauchen zu lassen. Promise ist der schlechteste Drake-Klau, den ich seit Jahren gehört habe, Made in the USA zwar ein Banger, aber ein arg peinlicher und City of the Year einfach nur ekelhaft. Die beiden Singles retten den ersten Teil noch vor dem totalen Untergang, doch den Eindruck, dass die Platte mit jedem Song schlechter wird, hat man irgendwie trotzdem. Der zweite Teil beginnt mit Kill (siebeneinhalb Minuten pure Ödnis) und Law erstmal auch ziemlich furchtbar, doch gelingt der LP danach der krasseste musikalische Plot-Twist, den ich dieses Jahr gehört habe. Die älteste Single Pick Up the Phone läutet einen ziemlich gitarrenlastigen Songkomplex zum Ende des Albums ein und liefert mit It's Not Design und Wild Child gleich noch zwei weitere großartig sonnige Crossover-Hits. Das tolle an diesen Nummern ist vor allem, dass sie endlich mal textlichen Inhalt vorweisen können und einen gemeinsamen Vibe erzeugen. In der letzten Viertelstunde von Drogas Light schafft es Lupe Fiasco also tatsächlich noch, richtig gutes Songwriting und ein paar richtig fetzige Hooks abzuliefern, die genau die Weiterentwicklung darstellen, die ich von ihm hier die ganze Zeit hören wollte. Man muss sich schon fragen, warum er mit Schätzen wie diesen so lange hinter dem Berg hält und uns vorher so viel Mist auftischt, wenn er locker ein ganzes Album mit guten und vor allem innovativen Songs hätte füllen können. Wahrscheinlich fällt dieses Verhalten unter die Unberechenbarkeit von Lupe Fiasco, die bei ihm immer gleichzeitig Verhängnis und Rettung ist. In diesem Fall macht es Drogas Light zu einem ziemlich miesen Gesamtwerk, das aber wenigstens ein paar der besten Songs von Fiasco überhaupt in den letzten fünfzehn Minuten raushaut. Verstehen soll das wer will, aber am Ende kann man droh darüber sein. Denn so hat der Chicagoer mal eben ganz knapp nicht sein neues Lasers gemacht.





Persönliche Highlights: Dopamine Lit (Intro) / Jump / Pick Up the Phone / It's Not Design / Wild Child

Nicht mein Fall: Promise / Made in the USA / City of the Year / High / Kill / Law

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