Donnerstag, 23. Februar 2017

Honigbär Spinoff

In der Welt der großen europäischen Singer-Songwriter ist Jens Lekman alles andere als ein unbeschriebenes Blatt. Der 36-jährige Schwede hatte in den Nullerjahren mit Platten wie When I Said I Wanted to Be Your Dog oder Night Falls Over Kortedala viele Fans gefunden und dabei vor allem durch sein offenkundiges Talent mit einfühlsamen und kunstvollen Texten überzeugt, weniger durch die begleitende Musik. Doch 2017 soll sich das nun ändern. Denn mit Life Will See You Now hat er seine bisher bunteste und klanglich aufwändigste LP aufgenommen, die die Prioritäten seiner Karriere völlig neu setzt. Mit Singles wie What's That Perfume You Wear? oder Evening Prayer hatte er Anfang diesen Jahres vor allem die überrascht, die sein Songwriting mittlerweile für ausgelaugt und überfällig hielten. Wobei überrascht nicht unbedingt überzeugt heißt. Zumindest ich war von den neuen Songs aufgrund der farbenfrohen Arrangements und dem klareren Sound nicht unbedingt mehr angetan. Um ehrlich zu sein verstörte vieles hier ein wenig. Und auf dem fertigen Album hält sich dieser Eindruck definitiv. Im Gegensatz zu Kollegen wie Father John Misty oder My Morning Jacket, die solche Fusionen auf kürzlich veröffentlichten Alben durchaus bereicherten, zeigt Lekman kein sonderlich großes Talent für dicker aufgetragenes Songwriting. Zuerst mal wirken die Tracks trotz reicherer Instrumentation trotzdem noch wie Stücke, die ein einzelner Musiker mit nicht mehr als einer Gitarre komponiert hat und wirkliche Risiken geht der Schwede hier auch nicht ein. Statt wie Josh Tillman mit fettem Orchester und Porno-Beschallung zum Angriff zu blasen, tingelt hier mal zaghaft eine Steeldrum oder ein Saxofon, die nicht wirklich viel beitragen. Klar gibt es Ausnahmen wie den pumpenden Disco-Hit How We Met, the Long Version oder das putzige Wedding in Finistère, doch die fallen auch nur auf, weil der Großteil hier trotzdem noch sehr karg gehalten ist. Und so bleibt der große Trumpf fast aller Tracks weiterhin Lekmans lyrisches Talent. Auf dieser Ebene überzeugt Life Will See You Now konsequent mit humorvollen Geschichten aus allen Lebenslagen. So beleuchtet Wedding in Finistère die Generationskonflikte in Familien (großartige Hook!), in How Can I Tell Him verliebt sich der Protagonist in seinen besten Freund und in Our First Fight wird sich ordentlich gezofft. Das alles ist sehr schön und eindrücklich und man hört Lekman dabei unglaublich gern zu, doch lässt die musikalische Umsetzung eben an vielen Stellen zu wünschen übrig. Und es ist auch ziemlich offensichtlich, dass Life Will See You Now nur eine Art Adaption der Idee des großartigen I Love You, Honeybear von Father John Misty ist, und in den meisten Momenten eben eine schwächere. Da beide Platten eine sehr eigenwillige Ästhetik haben, wird es zwar bestimmt genauso viele Leute geben, die das andersherum empfinden und die haben natürlich genauso Recht, doch für mich birgt dieses Projekt hier lediglich Interessante Aspekte in einem eher langweiligen Ganzen. Es könnte gut sein, dass Jens Lekman diesen Stil noch ausbaut und es vielleicht doch noch ein richtig fettes neues Album von ihm gibt. Ich könnte mir aber auch genauso gut vorstellen, dass Life Will See You Now nur ein musikalischer Exkurs war und er danach wieder zur Songwriter-Routine zurückkehrt. Wie auch immer es ausgehen wird, es ist gut möglich, dass Lekman nochmal ein besseres Projekt aufnimmt als dieses, das in seiner Diskografie eher unter "momentane Launen" einzuordnen sein wird.





Persönliche Highlights: Our First Fight / Wedding in Finistère / How We Met, the Long Version / How Can I Tell Him / Dandelion Seed

Nicht mein Fall: To Know Your Mission / Evening Prayer

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