Sonntag, 19. Februar 2017

Hit Me Harder!

Hauptberuflich ist der kanadische Songwriter Tim Darcy ja eigentlich Frontmann der Garagen-Indieband Ought, einer Gruppe, über die ich trotz ihrer großen Beliebtheit bisher nicht sonderlich viele Worte verloren habe. Ihre bisher zwei veröffentlichten Longplayer fand ich immer ein wenig zu unstrukturiert und ideenarm, um mich wirklich zu überzeugen. Und an Künstler*innen ihres Formats besteht in den letzten Jahren nun weiß Gott kein Mangel. Der Grund, warum ich über das Solodebüt von Darcy jetzt so unbedingt schreiben wollte, ist eigentlich auch ein ziemlich dämlicher: Die erste Single der Platte, Tall Glass of Water, hatte eines der besten Musikvideos des letzten Jahres. Wer sich für gut umgesetzten Cinematismus im Kurzformat interessiert, sollte sich das Ding auf jeden Fall ansehen, doch über dieses Album sagt es eigentlich nichts weiter aus. Was natürlich nicht gleich heißt, dass es schlecht wäre oder so. Es ist zumindest eine ganze Ecke besser als Alles, was ich bisher von Ought gehört habe. Saturday Night ist die organisierte, nach vorn gespielte Art von Platte, die ich von den Kanadiern eigentlich immer hören wollte und damit so gar kein typisches Soloprojekt. Das Songwriting könnte natürlich hier und da noch ein bisschen catchiger sein und einen wirklich sensationellen Track gibt es hier leider nicht, doch Tim Darcy hält hier ein extrem solides Grundniveau, das er mit seiner Band nie wirklich erreichte. Was diese LP ebenfalls sehr spannend macht, ist wie sie sich innerhalb der Spielzeit weiterentwickelt und verändert. Am Anfang hält man Saturday Night für ein mehr oder weniger klassisches Garagen-Projekt, das stellenweise an Künstler*innen wie Mourn, Ty Segall oder Mac DeMarco erinnert. Doch Stück für Stück wird die Komposition schwammiger und der Sound verhuschter und plötzlich hat man mit First Final Days ein verwabertes Shoegaze-Instrumental in der Mitte des Albums. Und von da an geht die Zersetzung noch weiter: Der Titeltrack ist experimentelle Noise-Kunst, Found My Limit und What'd You Release? sind ziemlich gute meditative Slow Burner und der letzte Song Beyond Me balanciert an der Klippe zur Kakophonie. All diese Register haben Ought auf ihren Platten auch auf dem Kasten, doch es ist schön zu hören, dass Darcy nicht alle gleichzeitig ziehen muss, sondern damit eine spannende Dramaturgie für sein Album erschafft. Diese Kontrolle und stilistische Beschrenktheit ist sicherlich das beste an Saturday Night. Trotz allen schönen Vorteilen und obwohl ich es mir am Ende doch sehr gewünscht hätte, ist die LP nie wirklich besser als gut. Was dem Kanadier zum wirklich packenden Solo-Einstand noch fehlen würde, wären doch ein paar mehr Melodien oder zumindest Riffs, die in den Kopf steigen. Tall Glass of Water ist okay, aber man bleibt nach dem Hören nicht wirklich daran hängen. Sollte Tim Darcy eventuell als Alleinunterhalter weitermachen, würde ich mir wünschen, in diese Richtung auszubauen. Dann könnte er nämlich tatsächlich eines der besseren modernen Garagen-Alben aufnehmen und nicht mehr nur durch gute Musikvideos punkten.





Persönliche Highlights: Tall Glass of Water / Joan Pt. 1, 2 / First Final Days / Found My Limit / What'd You Release?

Nicht mein Fall: Saturday Night

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