Dienstag, 21. Februar 2017

Mark und wie er die Welt sah

Wenn es um die Musik von Mark Kozelek geht, fällt mir immer noch vieles ein bisschen schwer. Ich weiß, dass der Songwriter aus Ohio einer der besten Musiker unserer Zeit sein kann und dass es so Platten wie Benji in zwanzig Jahren nur einmal gibt. Dennoch muss man auch unmissverständlich sagen, dass der Mann jede Menge Schrott veröffentlichen kann. Sein letztes Sun Kil Moon-Album Universal Themes war bestenfalls okay, ebenso wie sein letztjähriges Cover-Projekt, die LP mit Weihnachtsliedern von 2015 und seine Kollaboration mit Jesu war eine kleine Katastrophe. Während der letzten Monate habe ich mich dann doch manchmal gefragt, ob Benji nicht bloß ein lichter Augenblick zwischen viel Mist war und ob man das ganze nicht doch ein bisschen überbewertet hatte. Ohnehin wurde man aus Kozelek in den seltensten Fällen wirklich schlau. Doch die gute Nachricht ist, dass mit Common As Light and Love Are Red Valleys of Blood der Longplayer erschienen ist, der wahrscheinlich alle Antworten liefert. Man muss sich nur darauf einlassen können. Mit einer Länge von zwei Stunden und neun Minuten ist diese neue Platte ein Brocken, der mich auf den ersten Blick schon ein bisschen eingeschüchtert hat. Zumal ich weiß, dass diese Zeit definitiv nicht für ausgiebige Gitarrensoli und aufwändige Arrangements genutzt wurde. Diese sechzehn Songs, von denen keiner unter fünf Minuten lang ist, sind zu einhundert Prozent Inhalt, sprich langatmige, detailgetreue Monologe über Politik, Menschen, das Leben und die Musik, begleitet von meistens nicht mehr als einer Akustikgitarre. Uff. Umso erstaunlicher ist es wieder einmal, dass ich in keiner Sekunde dieses Albums gelangweilt war. Und das liegt wieder einmal vor allem an den Geschichten, die Mark hier erzählt. Ähnlich wie bei Universal Themes springt er dabei gerne mal zwischen diversen Ereignissen hin und her, doch tut er das diesmal zum Glück nicht ganz so zufällig, sondern hat zumindest den Ansatz eines roten Fadens. So gelingt es ihm beispielsweise in Philadelphia Cop, die Themen Polizeigewalt, seinen Hass auf Musikjournalisten und den Tod David Bowies in einem Track zu vermengen und dabei trotzdem bei der Sache zu bleiben. Es ist ein bisschen so, als hätte er diese Erzählweise auf dem Vorgänger lediglich geübt, um jetzt die richtig guten Storys auszupacken. Und auch in der Musik entsteht diese Wirkung. Universal Themes experimentierte an einigen Stellen mit einem ziemlich rockigen Bandsound, der hier im großen fortgesetzt wird. Zwar nicht ganz so brachial wie dort, aber die Songs sind auch nicht mehr ganz so minimalistisch wie noch auf Benji. Fast alle Stücke haben zumindest einen Schlagzeugbeat und - was noch viel wichtiger ist - meistens wechselnde Motive. Die klangliche Flexibilität ist die vielleicht coolste Innovation an Comman As Light..., die sich auch wirklich auszahlt. Wenn Kozelek von einer Sekunde auf die andere von Blues-Gehacke in melodisches Picking wechselt oder wie bei Sarah Lawrence College Song mal zwei Sekunden gar nichts zu hören ist, erhöht das nicht nur das Interesse an der Musik, sondern gibt auch den Stories mitunter einen neuen Twist oder erlaubt einen inhaltlichen Einschub. Besonders merkt man das an einem Song wie Stranger Than Paradise, der ein solches Moment eben nicht hat und deshalb gleich ein bisschen langweiliger ist. Besagter Track ist einer der wenigen wirklichen Ausfälle, die dieses Album hat und in denen das von mir befürchtete Szenario eintritt. Ansonsten kann man durchaus sagen, dass Common As Light... der eigentliche legitime Nachfolger von Benji ist. Er hat den großen Umfang, die akribische Auseinandersetzung mit der Musik und vor allem natürlich die großen Geschichten. Das tolle dabei ist, dass die neue Platte nicht im Ansatz so deprimierend ist und sogar einen wirren Humor an sich hat. So wird Butch Lullaby, das ebenfalls eine Hommage an einen verstorbenen Freund von Mark ist, zu einer der witzigsten Nummern, die er je geschrieben hat, da es eben nicht die Umstände des Todes jener Person, sondern seinen einzigartigen Charakter würdigt. Trotzdem bleibt einem an manchen Stellen dabei das Lachen im Hals stecken, was den Song aber nur noch besser macht. Auch im sarkastischen Opener God Bless Ohio oder in Philadelphia Cop kommt dieser Humor wunderbar zur Geltung. So entstehen Stücke, die ähnlich wie auf Benji einfach im Kopf jedes Hörers stecken bleiben und obwohl es am Ende doch das deutlich schwierigere Album ist, teilt es die gleiche Magie wie diese Platte. Common As Light... untermauert auf jeden Fall besser als alles andere seitdem das unglaubliche und eigenwillige Talent des Mark Kozelek und bestätigt mich darin, dass dieser Songwriter für kommende Generation möglicherweise das werden könnte, was Nick Cave oder Tom Waits für die meine sind. Zwar gibt es wahrscheinlich keinen Weg, das Benji irgendwann nicht mehr mein Lieblingsalbum von ihm sein wird, aber mit dieser LP ist er auf jeden Fall verdammt nah dran. Ich denke, dass die Karriere von Sun Kil Moon mit dieser Scheibe einen neuen Höhepunkt erreicht hat, der auch in einigen Jahren noch Anerkennung finden wird. Die meisten Künstler schaffen sowas höchstens einmal. Aber mittlerweile dürfte klar sein, dass Mark Kozelek nicht irgendein Künstler ist.





Persönliche Highlights: God Bless Ohio / Chili Lemon Peanuts / Philadelphia Cop / the Highway Song / Sarah Lawrence College Song / Butch Lullaby / Bergen to Trondheim / I Love Portugal / I Love You Forever and Beyond Eternity

Nicht mein Fall: Stranger Than Paradise / Early June Blues

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