Sonntag, 9. Juli 2017

Dungeons & Dragons

Man kann sich sicherlich darauf einigen, dass King Gizzard & the Lizard Wizard eine der sicherlich ulkigsten Rockbands sind, die momentan aktiv sind. Ihre wahnwitzigen Albumkonzepte, ihre fantastisch verpeilten Videos und das sogenannte Gizz-Verse, das die musikalischen Brückschläge zwischen ihren verschiedenen Projekten bezeichnet, sind unter ihren Anhänger*innen mittlerweile schon einigermaßen legendär. Und bisher konnte man auch mit Sicherheit sagen, dass die Australier aus dieser Schrägheit ihre größte Attraktivität bezogen. Für den Kosmos von King Gizzard erschien keine Idee zu krass, kein Kozept zu abgefahren und keine Blödelei zu dämlich. Surfrock mit Mundharmonika, Science Fiction-Epen, eine LP in Endlosschleife und mikrotonale Musik: alles kein Problem. Und die Quittung dafür bekommen wir jetzt mit Murder of the Universe. Das zehnte Album der Psychrocker ist vielleicht das erste, bei dem man ob der Seltsamkeit des Vorhabens Kopfschmerzen bekam. Schon die ersten Singles lieferten mit ihrem sperrigen Experimental-Sound, den unübersichtlichen Story-Kapiteln und vor allem den vielen eigenartigen Spoken-Word-Passagen eine ziemlich Breitseite, selbst für hartgesottene Fans. Und wer dort noch dachte, der ganze Humbug würde auf der fertigen LP irgendwie Sinn ergeben, der hat sich hier mächtig geschnitten. Murder of the Universe ist in seiner Gesamtheit noch tausendmal verklausulierter, zäher und unzugänglicher als alle seine Vorboten. Hier also erstmal die Fakten: Strukturiert ist die Platte in drei größerer Unterkapitel, die wieder irgendeine wüste SciFi-Zote bilden. Dabei liegt der Fokus ganz klar auf einer erzählerischen Linie, die größtenteils über gesprochene Erzähltexte funktioniert. Sänger Stu Mackenzie trägt dazu lediglich eine Art Hook bei, die in den meisten Fällen aus der unendlichen Wiederholung einer Zeile besteht. Das erste Drittel besteht dabei aus der abwechselnden Vorführung der beiden Altered Beast und Alter Me genannten Motive, die alle beide nicht wirklich zu den Sternstunden des gizzard'schen Songwritings gehören. Insofern man kein absoluter Supernerd ist und auf derart horrenden Blödsinn steht, hält sich der musikalische Mehrwert dieses ersten Teils doch sehr in Grenzen. Doch wenn man den erstmal durch hat, wird es mit Part zwei doch deutlich interessanter. Zwar beginnt dieser mit dem fies ironisch betitelten Instrumental-Intro Some Context, dem vielleicht sinnlosesten Track der ganzen Platte, doch dafür gibt es danach sogar mal den einen oder anderen halbwegs vernünftig geschrieben Song zu hören. The Lord of Lightning überzeugt mit einer dieser genialen Hooks, für die man diese Band so liebt (Nonagooon, nonagooon, nonagooon infinityyyyyyy!!) und auch das darauf folgende Balrog turnt eigentlich ganz vernünftig. Zwar hat das auch alles nicht das Niveau einiger früherer Sachen, doch man ist ganz froh, überhaupt mal etwas zu hören, das über drei Minuten lang und halbwegs konsistent ist. Davon wird man auch später nicht mehr so viel bekommen. Als Finale Furioso ist Teil Drei des Albums das ultimative WTF-Erlebnis. Nicht nur kommt mit dem existenzialistischen Computerprogramm Han-Tyumi (oder so?) noch ein weiterer Charakter als Erzählerfigur hinzu, auch die Stücke werden hier maximal schräg. Der letzte Part besteht zwar aus sechs Einzeltracks, doch ist er quasi so etwas wie ein großer Songbrocken, der zum Abschluss noch einmal alles gibt. King Gizzard reißen hier in Rekordtempo haufenweise Ideen an, die an sich auch gar nicht schlecht sind. Nur ist es gerade deshalb so schade, dass man ihnen nur ein bis zwei Minuten gibt, um sich irgendwie zu enfalten. Es ist fast beruhigend, mit dem Titelsong ganz zum Schluss noch mal ein Stück zu bekommen, das wenigstens vier Minuten lang geht. Wirklich schlauer ist man danach aber auch nicht. Vielleicht gibt es hinter diesem Album irgendwo ein riesengroßes Universum, das nur wahren Gizzard-Fans zugänglich ist und irgendwie ist das ganze auch ziemlich faszinierend, aber es lenkt auch vom wesentlichen ab: Musikalisch hat die Band hier nichts geleistet. Kompositorisch ist Murder of the Universe bisweilen eine totale Katastrophe und man weiß eigentlich, dass diese Leute das besser können. Das schlimmste aber ist, dass ein Epos wie dieses hier mit aller Gewalt in eine Spielzeit von gerade mal 47 Minuten gepresst wird. Ich bin überzeugt davon, dass diese Platte um ein vielfaches besser geworden wäre, hätten sich King Gizzard hier für eine angemessenere Länge entschieden. Das Konzept selbst hätte locker über anderthalb Stunden oder mehr getragen und vielleicht wären dabei auch mehr richtige Songs dabei rausgekommen statt nur haufenweise halbgare Noise-Skizzen. Sicherlich wäre es dann nicht gelungen, diese Release-Frequenz beizubehalten, mit der die Australier dieses Jahr noch zwei Platten raushauen wollen. Aber für das wesentlich bessere Gesamtergebnis wäre es das in meinen Augen wert gewesen. Stattdessen ist Murder of the Universe eine der bisher schwächsten Performances der Band geworden, die zeigt, dass selbst eine Gruppe wie King Gizzard es mit der Weirdness übertreiben kann. Dass sie damit aufhören sollen, bedeutet das aber keinesfalls. Gerade nach diesem Album ist das, was sie machen, für mich noch einmal um ein Vielfaches spannender geworden. Wo werden hier gemachte Ansätze vielleicht wieder verwendet? Wie entfaltet sich die Story eventuell weiter? Gibt es tatsächlich ein King-Gizzard-Universum, in dem all die Ideen der Band irgendwann zusammenfinden? Es wäre sensationell, das zu erfahren. Und ich gehe aus dieser Erfahrung vielleicht neugieriger heraus, als ich sie begonnen habe...





Persönliche Highlights: A New World / Alter Me III / Life & Death / the Reticent Raconteur / the Lord of Lightning / the Floating Fire / Digital Black / Vomit Coffin

Nicht mein Fall: Altered Beast I / Alter Me I / Some Context

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