Donnerstag, 20. Juli 2017

Forever Chill

Es ist schon ein kleines Phänomen, dass ich im Moment gerade hier sitze und eine LP von Washed Out bespreche. Noch bis vor wenigen Wochen hätte man die meisten Menschen sicherlich daran erinnern müssen, dass diese Sache überhaupt jemals existiert hat. Objektiv gesehen gilt das Projekt des US-Amerikanischen Produzenten Ernest Greene als eine der lachhaftesten Mini-Hype-Eintagsfliegen des aktuellen Jahrzehnts und das, obwohl diesem Typen nachgesagt wird, dass er Chillwave überhaupt erst groß gemacht hat. Wer vor ungefähr sechs Jahren ein aufmerksamer Musiknerd war, wird damals an seinem Debütalbum Within & Without nicht vorbeigekommen sein, das äußerst seriöse Szene-Experten doch tatsächlich als die Zukunft der elektronischen Musik auswiesen. Wie wir inzwischen wissen, ist Chillwave letztendlich so ziemlich das Gegenteil geworden und Washed Out war in Sachen Output seitdem eher passiv. 2013 gab es von ihm zwar noch einmal ein Album, das versuchte, den Hype wieder anzukurbeln, da hatten aber schon alle mitgekriegt, wie sterbenslangweilig die ganze Chose eigentlich war. Und bisher schloss sich an dieser Stelle immer der Vorhang. Doch wer die frühen Sachen des Musikers aus Georgia kennt weiß, dass dieser Kerl eigentlich zu mehr fähig ist als zu einem vergessenen Diamanten eines ewig geschmähten Subgenres. Zumindest wissen wir es jetzt, denn mit Mister Mellow ist Ernest Greene doch tatsächlich ein ziemlich ansprechendes Comeback gelungen. Schon die ersten Vorab-Singles wie Get Lost oder Hard to Say Goodbye überraschten alte Zweifler mit bombig erfrischenden House-Beats, angenehmer Chillout-Attitüde und einer Prise Funk und Disco zum abrunden. Mit dem entscheidenden Schritt hin zur Tanzbarkeit zog sich Washed Out sozusagen am eigenen Zopf aus der Affäre und machte Hoffnungen, dass ein solides Album folgen würde. Und obwohl Mister Mellow in seiner Gänze doch wieder sehr gemächlich ausfällt, kann man ihm doch auf keinen Fall seine musikalische Hochwertigkeit absprechen. Stilistisch geht Greene hier sehr kosmopolit an seine Arbeit heran und mischt zahlreiche Attitüden, die mal sehr elektronisch, mal eher Sample-lastig und bisweilen sogar ziemlich psychedelisch ausfallen. An vielen Stellen fühlt man sich an die frühen Sachen von Air oder Caribou (also Manitoba) erinnert, aber auch Assoziationen mit Tame Impala oder Mac DeMarco sind nicht selten. Der Closer Million Miles Away hat sogar alle Qualitäten einer Shoegaze-Ballade. Und einen richtig schlechten Song gibt es hier eigentlich nicht, wenn man mal von den wenigen etwas sinnlosen Interludes absieht. Ein stimmiger, schicker Track folgt hier den nächsten. Das ist schon unterhaltsam und cool so, aber es wird auch niemandem wirklich den Horizont erweitern. Mister Mellow ist Easy Listening mit eiserner Disziplin, was eben bedeutet, dass einen die Musik zu keinem Zeitpunkt so wirklich herausfordert. Bei jemandem wie Washed Out hätte das wahrscheinlich zwar eh niemand erwartet, aber für mich sorgt dieser Konsens-Sound eben doch ein bisschen dafür, dass ein letzter Rest von der Ödnis der vergangenen Platten hier überspringt. Das ändert aber nichts daran, dass wir hier mit Sicherheit die bis dato beste LP von Ernest Greene erleben. Wenn wir also damit zufrieden sind, dass er nie mehr machen wird als stimmungsvolle Chiller-Ambiance, dann können wir mit seinem Output inzwischen sehr glücklich sein. Ob ich das tun werde ist fraglich, aber es wird mich nicht davon abhalten, dieses Album definitiv noch ein paarmal zu hören.





Persönliche Highlights: Title Card / Floating By / I've Been Daydreaming My Entire Life / Hard to Say Goodbye / Get Lost

Nicht mein Fall: Down and Out

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