Sonntag, 2. Juli 2017

Wüstentechno

Wenn es eine Sache gibt, an der sich von Mitte der Siebziger ab bis heute wenig geändert hat, dann das Rockmusiker immer dann auf elektronische Musik zurückgreifen, wenn sie ihre Arbeit innovativ, weltmännisch und und zeitgenössisch klingen lassen wollen, weil die alte Rezeptur nicht mehr so richtig hinhaut. Viele unsterbliche Größen der Gitarrenmusik von Neil Young über Coldplay bis Arcade Fire haben diesen Move irgendwann mal gemacht, der eine mehr, der andere weniger erfolgreich. Und auch im Postrock, der vielleicht letzten wirklich relevanten Subform des Rock, hat es diese Paradigmenwechsel häufig gegeben. Bekannteste Vertreter sind in dieser Hinsicht sicherlich Mogwai, die in den letzten Jahren fast schon komplett die Seiten gewechselt haben, aber auch woanders geht man immer wieder gerne diesen Weg. Eine Band, von der ich einen solchen Schritt vielleicht am wenigsten erwartet hätte, sind die Griechen von Tuber. Die bisher sehr auf Stoner- und Doomrock fokussierte Gruppe, die mich erstmals 2014 mit ihrem Debüt Desert Overcrowded beeindruckt hatte, stand eigentlich immer relativ fest im soliden Fundament, das ihr sehr rustikaler Ansatz ihrem Sound bot. Ähnlich wie die Kollegen von Ufomammut oder Isis fuhren sie eine sehr derbe und brachiale Ästhetik, die traditionell nicht gerade für ihr Faible an programmierter Musik bekannt ist. Aber gerade eine Horizonterweiterung wie diese verspricht ja immer, die Dinge spannend zu machen und da ich Tuber für ziemlich gute Songwriter halte, war ich durchaus gespannt auf das, was auf Out of the Blue passieren würde. Und zunächst mal muss ich sagen, dass die Transfusion, die die Band sich hier vorgenommen hat, ziemlich gut funktioniert. Statt wie die meisten anderen Postrock-Elektroniker sehr Ambiente Klänge und Kraftwerk-Synthesizer zu verwenden, verfolgen die Griechen hier einen sehr technoiden Ansatz, der Versatzstücke von Industrial, Minimal Electro und House ins Zentrum rückt und diese dann mit den typischen Stoner-Riffs vermischt, die man auch schon auf dem Debüt hörte. Natürlich gibt es auch Momente, in denen man an Jean-Michel Jarre oder Tangerine Dream denken muss, aber zum letzten Mogwai-Album beispielsweise gibt es doch große Unterschiede. Man könnte sich viel eher vorstellen, dass Paul Kalkbrenner Remixes zu ein paar frühen Instrumentals von Dredg gebastelt hat. Oder so ähnlich. Fakt ist, dass die Mischung an sich nicht das Problem an diesem Album ist. Viel eher verlieren Tuber hier durch ihre Spielereien den Fokus auf das, was sie eigentlich noch viel besser können: catchy Riffs und steile Rocksongs. Out of the Blue hat diese definitiv, wie im elektrisierenden Cat Class oder dem rumpeligen Noman, doch treten diese selten wirklich geschlossen auf. Durch die Bank mächtig mäandernde Tracks, wie man sie sich von so einer Band wünscht, gibt es am Ende doch recht wenige. Viel zu oft wird man dafür mit halbgaren und langweiligen Motiven abgespeist, die niemanden, der schonmal Kyuss gehört hat, ernsthaft vom Hocker reißen und die Tuber oft bis ins letzte Quäntchen ausreizen müssen. Gerade die ersten beiden Stücke werden dadurch mehr oder weniger komplett ereignislos, was natürlich die Geduld des Hörenden extrem herausfordert. Zwar wird diese dann auch durch ziemlich coole Passagen in der zweiten Hälfte belohnt, doch die feiert man dann schon nur noch halb. Und ein wirklicher Aha-Moment fehlt auf dem ganzen Album. Die Riffs passen schon irgendwie und die Elektronik ist nicht uninteressant, doch man wird nie so richtig gepackt und groovt auch über mehrere Minuten mit. Das meiste ist trotz synthetischem Bonus eben doch stinklangweiliger Postrock-Standard. Was fange ich mit dieser LP also an? Für die Stoner-Leute ist das hier definitiv zu käsig, die Instrumental-Leute finden es zu öde und die Crossover-Freunde sind mit Mogwai tausendmal besser bedient. Und am lautesten lachen am Ende sowieso die Elektroniker über die dämlichen Rockbands, die solchen Blödsinn immer noch innovativ finden.





Persönliche Highlights: Cat Class / Noman / Moon Rabbit / Luckily Dead

Nicht mein Fall: Out of the Blue

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