Montag, 31. Juli 2017

Junge, Junge!

Ich hatte immer gedacht, dass die Welt jemanden wie Mura Masa nicht braucht. Der 21-jährige Brite Alex Crossan, der sich hinter diesem Pseudonym verbirgt, ist einer dieser schicken Independent-Produzenten, von denen es eigentlich schon viel zu viele gibt. Sein erfrischender UK Garage ist ebenso clubtauglich wie intelligent, er versteht es, coole Künstler zu featuren und nicht zu viel daraus machen zu wollen. Mit diesen Vorraussetzungen gelang ihm 2015 mit Lovesick ein Single-Geheimtipp, der eigentlich schon deshalb keiner mehr war, weil als Vokalist darauf niemand geringeres als A$ap Rocky zu hören war. Schon von Anfang an war der Name Mura Masa also mit reichlich Hype unterfüttert, von dem ich mich bisweilen ziemlich an der Nase herumführen ließ. Viel zu lange ignorierte ich die Songs des Briten deshalb absichtlich und war so blind für das immense Talent, das dieser Junge tatsächlich hat. Und jetzt, wo sein Debüt erscheint, ist es eigentlich fast schon zu spät, um es wieder gut zu machen. Aber besser spät als nie. Und zum Glück repräsentiert der selbstbetitelte Longplayer auch genau das, was so gut an Crossan ist. Seine unglaubliche Balance zwischen genialen, gigantischen Hooks und edlem Minimalismus, sein Gespür für das Gerüst eines Tracks und wie er dieses auch durch Features vermittelt. Hier zu hören sind so verschiedene Menschen wie Damon Albarn, A.K. Paul, Jamie Lindell, Desiigner, Charli XCX und natürlich der obligatroische Ausgangs-Hit mit A$ap Rocky, und es ist unfassbar, wie der Brite diese hier trotzdem alle irgendwie stilistisch vermittelt. Auch daran gemessen, dass er selbst eigentlich wenig an den Songs macht. Abgesehen von seiner feurigen Leidenschaft für Glockenspiel- und Steeldrum-Samples hält er sich in den Stücken sehr zurück und räumt den Sänger*innen sehr viel Platz ein. Trotzdem klingt beispielsweise 1 Night nicht wie ein Charli XCX-Track, sondern trägt ganz eindeutig den Stempel von Mura Masa. Bei ihr ist das vielleicht keine große Überraschung, da sie ohnehin ein ziemliches Stil-Chamäleon ist, aber bei anderen Songs wie Lovesick oder dem Closer Blu (Damon Albarns Autotune-Entjungferung, oder?) erlebt man schon die ein oder andere (meist positive) Überraschung. Einzig Desiigner schafft es irgendwie, seinen Part in All Around the World komplett an die Wand zu fahren. Doch im großen und ganzen gibt es hier nicht nur jede Menge großartige Einzeltracks, sondern auch als Gesamtheit ist dieses Album äußerst ansprechend. Wenn ich dennoch etwas auszusetzen habe, dann ist es, dass Mura Masas Stil, von dem ich die ganze Zeit rede, zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht komplett ausformuliert ist. Immer wieder gibt es Momente, in denen der Beat auch von Major Lazer, Bon Iver oder Bonobo hätte sein können und sich Crossan noch nicht ganz auf sein eigenes Talent verlässt. Aber im Angesicht der Tatsache, dass dieser Typ gerade mal 21 ist, ist auch das vollkommen in Ordnung. Ich hoffe nur, dass er diese Schönheitsfehlerchen bis zum nächsten Mal ausgebügelt bekommt und selbstbewusster an seine Arbeit herangeht. Denn dann könnte Mura Masa diesem Major Lazer durchaus Konkurrenz machen, auch in kommerzieller Hinsicht. Wenn der Hype bis dahin nicht schon verklungen ist, was in seinem Fall echt schade wäre. Denn dieser Junge ist ausnahmsweise mal nicht überbewertet.





Persönliche Highlights: Messy Love / Lovesick / 1 Night / Give Me the Ground / What If I Go? / Firefly / Second 2 None / Who Is It Gonne B / Blu

Nicht mein Fall: All Around the World

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