Freitag, 7. Juli 2017

Das geht auch leiser

Es ist immer eine schwierige Sache, wenn ein Act nur deshalb so gut ist, weil er viel Lärm macht. Lärmige Musiker*innen werden meist auf den frühen, ganz besonders lärmigen Veröffentlichungen von vielen gefeiert, strapazieren diese Lärmigkeit deshalb bis zum Limit und müssen sich dann irgendwann doch etwas anderes überlegen. Und genau an diesem Punkt wird es schwierig. Denn so etwas einnehmendes wie laute, intensiven Krach zu ersetzen, das zum Markenzeichen eines Sounds geworden ist, ist eine sehr harte Aufgabe. Und viele Lösungsansätze machen weder die Fans noch die Künstler*innen selber so richtig glücklich. Die Bostoner Band Bent Knee beispielsweise war 2014 auf ihrem Debüt Shiny Eyed Babies vor allem deshalb so grandios, weil sie es mit ihrer Musik vermochte, tiefe Furchen in die Oberfläche ihres theatralischen Artrock zu ziehen und weil sie mit Coutney Swain eine Sängerin haben, die mit ihrer Stimme kleinere Erdbeben verursachen kann. Und auf den frühen Songs des Sextetts funktionierte ihre Musik nur über diese beiden Eindrücke tatsächlich sehr gut. Doch weil Bent Knee eine Gruppe sind, die kreativ beweglich sein will und die sich auf diese Effekte allein nicht verlassen wollte, verzichteten sie für ihren Nachfolger Say So kurzerhand genau auf diesen wichtigen Selling Point. Rein künstlerisch empfinde ich dies als mutigen Schritt, doch ich muss auch zugeben, dass ich die meisten Tracks der Platte bis heute eher langweilig finde. Wenn es um die größten Enttäuschungen geht, die ich musikalisch 2016 erlebte, dann gehört Say So definitiv dazu. Wobei ich mir auch sicher war, dass die Band daraus ebenso lernen würde wie aus ihrem Debüt. Was sie auf ihrem nunmehr dritten Longplayer auch definitiv getan haben. Land Animal ist nach dem sehr poppigen Vorgänger wieder ein deutlich progressiveres Werk, das an vielen Stellen mit Rhythmuswechseln, krassen Soli und epochalem Klang spielt. Technisch wird hier erneut das komplette Arsenal an Streichern, Synths, Gitarren und nicht zuletzt Coutney Swain aufgefahren, die teilweise ganz schön beeindruckende Orchestral-Performances ableisten. Auch hat man wohl festgestellt, dass Bent Knee ganz ohne harte Breaks und ohne ein Mindestmaß an Dramatik nicht funktioniert. In diesem Sinne ist Land Animal vielleicht ein bisschen ein Schritt zurück. Aber nichtsdestotrotz geht die Platte in vielen Belangen auch weiter nach vorne. Im Vergleich zum Vorgänger ist der Sound hier wesentlich Synth-lastiger und definiert sich stärker durch seinen spielerischen Anspruch. Zwischendurch lockern zwar Pop-Momente wie in Time Deer auf, doch einen Überhit wie Hands Up gibt es diesmal nicht. Damit erleben wir hier das bis dato sicherlich am wenigsten eingängige Album der Bostoner, doch das ist erstmal nichts schlechtes. Denn dafür ist vieles hier auch wesentlich spannender als beim letzten Mal. An die bombastische Qualität des Debüts reicht es zwar auch nicht heran, doch diese LP ist eh für ein ganz anderes Publikum gedacht. Land Animal wird vielleicht Menschen gefallen, die die letzten Sachen von the Dear Hunter mochten oder sehnsüchtig auf neues Material der Red Paintings warten. Ich persönlich kann diesen Leuten sehr empfehlen, sich das hier anzuhören, doch ich persönlich finde es nur ganz nett. Wer Technik braucht, um zu begeistern, den kann ich leider nicht ganz ernst nehmen. Doch Bent Knee machen das ja eigentlich nur, weil sie alles andere schon durch haben.





Persönliche Highlights: Hole / Insides In / These Hands / Time Deer / Belly Side Up / the Well / Boxes

Nicht mein Fall: Land Animal

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