Dienstag, 19. April 2022

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Vince Staples - Ramona Park Broke My Heart
VINCE STAPLES
Ramona Park Broke My Heart
Blacksmith | Motown | Capitol
2022

 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ zeitgenössich | entspannt | gewöhnlich ]

Um mal mit den guten Nachrichten anzufangen und das an den Anfang zu stellen, was mich an Ramona Park Broke My Heart von vornherein gefreut hat: Es ist das ordentliche künstlerische Statement in Form einer vollwertigen LP, das ich nach Vince Staples selbstbetiteltes Album vom vergangenen Sommer brauchte und als solches ein Release, das mich dann doch ein bisschen beruhigt hat. Nicht dass ich besagte letzte Platte des Kaliforniers schlecht gefunden hätte, doch wie man an meinem Artikel dazu unschwer nachvollziehen kann, war es mit seinen spärlichen 21 Minuten Spielzeit und einem eher konservativen musikalischen Ansatz doch etwas unter der Würde eines der spannendsten Rapper der vergangenen zehn Jahre. Und es ist gut zu hören, dass diese neue Platte zumindest die meisten dieser Probleme nicht mehr hat. Mit 16 Tracks in 41 Minuten ist das hier endlich mal wieder ein richtiges Album des Rappers aus Long Beach (nur als Maßstab: sein letztes Projekt mit vergleichbarer Größe war 2017 Big Fish Theory mit 35 Minuten) und fühlt sich auch konzeptuell etwas ernsthafter an als viele der letzten Unternehmungen. Zum ersten Mal seit seinem Debüt ist seine Textarbeit sich hier wirklich erzählerisch und nachdenklich, wobei er hier auch noch mehr in eine melancholische und biografische Richtung abbiegt. Und obwohl das definitiv auch bedeutet, dass es hier weniger tolle Einzeltracks mit aufmerksamkeitsheischendem Banger-Faktor gibt, ist das alles in allem doch eine gute Sache. Die schlechte Nachricht dabei: Vince Staples klingt dabei trotzdem mal wieder ein bisschen abwesend und ist ganz klar nicht mehr auf dem kreativen und progressiven Level, das er während der zweiten Hälfte der Zwotausendzehner hatte. Und wo das auf seiner letzten Platte eine Beobachtung war, die ich als eher vorübergehende Formschwäche einordnete denn als tatsächlich langfristigen Trend, ist das gleiche Feeling hier doch ganz klar gekommen, um zu bleiben. Mit der Folge, dass Staples hier ein Album aufnimmt, von dem ich bei aller Liebe leider sagen muss, dass es etwas gewöhnlich geworden ist. Chillige Beats irgendwo zwischen westküstiger Coolness und souliger mentaler Einkehr, eine performative Mischung aus ruhigen Rap-Passagen und soften R'n'B-Hooks, meditative Coming-of-Age-Lyrics über die verlorene Kindheit im Comptoner Gangmillieu und ein paar trendige Features, um diese Ästhetik an den richtigen Stellen kredibil aufzupeppen sind das Brot und die Butter dieses Albums und ergeben eine ganzheitliche Ästhetik, die ein bisschen für Déjà-Vu-Faktor sorgt. Und klar ist das grundsätzlich eine Formel, die irgendwie funktioniert und es wäre lachhaft zu behaupten, ein Vince Staples würde sich an sowas die Zähne ausbeißen. Die wenigsten Songs hier sind effektiv schlecht und für meinen Geschmack höchstens etwas zu kurz geraten, die Beatarbeit ist in vielen Momenten stimmig und prima gemacht, Staples als Storyteller ist einfühlsam und authentisch und viele der Features (abgesehen von dem Rohrkrepierer von Lil Baby in East Point Prayer) zumindest kein totaler Müll. Nur ist ein Album mit diesen stilistischen Parametern im Hiphop von 2022 eine Sache, die so schon tausendmal gemacht wurde und damit etwas, das ich zumindest jemandem wie Vince Staples ein bisschen krumm nehmen kann. Jemandem wie ihm, der es eigentlich definitiv besser kann. Nicht nur deshalb, weil er 2015 auf Summertime '06 einer derjenigen war, die diese Art von Hiphop-Sound erfolgreich mitprägten, sondern vor allem deshalb, weil er nur kurze Zeit später schon wesentlich progressivere und komplexere Sachen machte und besagten Sound denen überließ, die selber keine besseren Ideen hatten. Ihn hier wieder auf diesem klanglichen Durchschnittsniveau zu hören fühlt sich an, als würde Staples seinen eigenen Schwanz jagen und das ist für einen Musiker seines Levels schon ein bisschen schade. Wobei für mich auch nicht wirklich das Argument zählt, dass er hier eben lyrischere Musik macht und davon eben nicht mit flamboyanten Beats abgelenkt werden will, denn auch da gibt es ehrlich gesagt wenig, was dieses Album wirklich neu und anders macht. Weshalb ich am Ende zwar ein weiteres Mal ein durchaus akzeptables Stück Musik von Staples vor mir habe, davon aber trotzdem ganz schön enttäuscht bin. Ganz einfach weil es hier um Verhältnisse geht. Sicher gibt es da draußen einen ganzen Haufen dahergelaufener MCs, für die eine Platte wie Ramona Park das absolute Kronjuwel der gesamten Diskografie wäre und ich will seine objektiven Qualitäten auch durchaus anerkennen. Nur hat ein Vince Staples eben schon viel früher in seiner Karriere Musik gemacht, die zigmal besser war als das und damit dafür gesorgt, dass ich mittlerweile mehr von ihm erwarte. Wobei ich ja auch wirklich hoffe, dass das hier nicht das Ende seiner kreativen Energie ist und er von jetzt ab nur noch solche Alben macht, die irgendwie in zeitgenössischer Mittelmäßigkeit versanden. Denn dafür steckt Stand 2022 doch noch zu viel Potenzial in ihm, Hiphop als ganzes zu pushen und nicht nur musikalisch spannend zu sein, sondern effektiv visionär. Nur hier ist er leider gerade weder das eine noch das andere. Und das muss ich ganz klar bemängeln.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡⚫⚫⚫ 07/11

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