Montag, 11. April 2022

Crazy Beat

DJ Travella - Mr Mixondo
DJ TRAVELLA
Mr Mixondo
Nyege Nyege
2022

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ hektisch | enervierend | hypermodern ]

Seit gut und gerne zwei Jahren höre ich inzwischen schon regelmäßig und mit ungebrochenem Interesse die Releases des ugandischen Techno- und Avantgarde-Imprints Nyege Nyege Tapes, wobei es in diesem Verhältnis zwei Faktoren gibt, die mich an ihnen immer wieder begeistern und die auf den ersten Blick vielleicht auch ein bisschen gegensätzlich sind. Erstens: Eine Veröffentlichung dieses Labels erkennt man immer sofort. Zweitens: Im Katalog von Nyege Nyege gibt es keine zwei Sachen, die gleich klingen. Wobei es letztendlich die Kombination aus beidem ist, die den Output vieler Künstler*innen hier so besonders macht: Bei einer Plattenfirma, deren personelles Spektrum inzwischen so vielfältig ist wie ihre Palette an wilden Genremischungen und die Stand 2022 Anlaufpunkt für experimentelle Elektro-Acts aus ganz Afrika geworden ist, findet sich trotz aller stilistischer Vielfalt immer wieder dieser ganz bestimmte Sound, den ich inzwischen auch ohne Blick in die Credits erkenne und der ebenso zukunftsgewandt wahnsinnig ist wie tief in der Popkultur diverser Regionen verwurzelt. Und was die unterschiedlichen Botschafter*innen des Labels letztendlich daraus machen, reicht inzwischen vom Metal-inspirierten Cybergrind einer Formation wie Duma bishin zum sehr tribalen und verhältnismäßig zugänglichen Techno von Nihiloxica. Und letztendlich ist auf diesem Regenbogen der bratzigen Post-Tech-Madness jemand wie DJ Travella auch nur ein weiterer Farbtupfer. Der Produzent aus Tansania spielt auf seinem Debütalbum Mr Mixondo Singeli, eine sehr hyperaktive und chaotische Variante ostafrikanischer Clubmusik, die mich persönlich an eine Mischung aus industriellem Noise, Footwork und einer Prise Extratone erinnert und damit auf jeden Fall sehr gut ins Raster eines Labels wie Nyege Nyege passt. Das coole dabei ist, wie unglaublich vielschichtig und wandelbar dieses Konzept bei ihm klingen kann und wie er dabei auch einflussmäßig viele im Westen bekannte Referenzen aufnimmt. Da gibt es Songs wie Beat Kikosi oder Dope 2, die mich extrem an die Beatarbeit von Flatlander bei den Death Grips erinnern, Sachen wie FL Beat oder Good Beat klingen eher wie extravagante Remixes eines RP Boo-Songs, London Jomon Beat hat etwas von einem fetzigen Rio Funk-Track aus den Zwotausendern und in London Uwoteee und Tambasana erinnert Travella sogar an den fluffigen Hyperopop von Leuten wie Porter Robinson oder Iglooghost. Was Mr Mixondo dabei eint ist in vielen Momenten seine absolut unbestrechliche Freakyness und die Art und Weise, wie Travella in allem was er tut maximal auf die Kacke hauen muss. Wo andere eine erhöhte BPM-Anzahl und ulkig synkopierte Rhythmik dazu nutzen, Songs tanzbarer zu machen, schießt diese Platte in vielen Momenten meilenweit übers Ziel hinaus und schafft eine kakophonische Höllenmaschine aus billigen Beats und Effekten, die zu hundert Prozent stressig ist und an die man sich auch mit noch so viel Zeit und gutem Willen nicht gewöhnen kann. Wo das aber für diejenigen von euch, die mit sowas keine guten Erfahrungen gemacht haben, definitiv als Warnung zu verstehen ist, empfinde ich gerade diese Eigenschaft des Albums - wie schon bei vielen anderen Nyege Nyege-Releases zuvor - als seine größte Stärke. Denn was mich hier so fasziniert ist einfach die Tatsache, dass es eben Leute wie Travella gibt, die sich diese Art von Musik trauen und damit Stilgrenzen einreißen und einfach ohne Kompromisse laut, wild und vielleicht auch mal ein bisschen mit dem Kopf durch die Wand sind. Wobei ich bei dieser LP nochmal ganz besonders das Gefühl habe, dass hinter diesem Antrieb kein umfassendes Zugehörigkeitsgefühl zu einer trendigen Avantgarde steckt, sondern dieser Typ einfach die Welt brennen sehen will. Und wo ich sicherlich auch für erstere Variante einen gewissen Sweet Spot habe (siehe meine positiven Bewertungen anderer Nyege Nyege-Acts), sind Platten wie Mr Mixondo am Ende doch die symapthischen. Weil sie nicht nur vehement anders sind, sondern dabei auch noch unverschämt cool und witzig. Und 2022 vielleicht auch ein bisschen Musik machen, mit der man noch Eltern und lästige Normies schockieren kann. Was ja immer wieder eine ebenso seltene wie nützliche Eigenschaft ist.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11

Persönliche Höhepunkte
Crazy Beat Music Umeme 1 | Crazy Beat Music Umeme 2 | Chapa Bakola Music Bass | Dope 2 | London Bandcamp | London Jomon Beat | Kaz0

Nicht mein Fall
-


Hat was von
Phelimuncasi
Phelimuncasi: 2013-2019

Death Grips
the Money Store


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