Sonntag, 6. November 2022

Zehn Jahre später: Ein nostalgischer Throwback ins Jahr 2012





Die Saison 2012 :: Von Anfängen in der Endzeit
 
Nachdem ich nun auch schon in den letzten beiden Jahren auf die eine oder andere Art Throwback-Artikel über die entscheidende Frühphase meiner musikalischen Sozialisation hier veröffentlicht und dabei zunehmend Gefallen daran gefunden habe, auf diese Weise ein bisschen meine Geschichte zu erzählen, wollte ich natürlich auch diese Saison nicht ohne einen solchen Post vergehen lassen. Weshalb ich über die gesamten letzten 11 Monate hinweg still und heimlich wieder daran gearbeitet habe, über ein paar einschlägige Platten und Künstler*innen zu recherchieren, zu reflektieren und in nicht wenigen Fällen auch endlich mal wieder die entsprechenden Sachen zu hören, die sich nun letztendlich auf der folgenden Auflistung finden. Wobei das (aus einer ganz persönlichen Perspektive) tolle daran ist, dass ich diesmal ja nicht komplett im Trüben fische und allein auf meine Erinnerung angewiesen bin. Denn nachdem ich bereits in den Jahren zuvor immer mal wieder für mich selbst und auf Facebook kleine Plattenbesprechungen verfasst hatte, existierte ab Januar 2012 tatssächlich eine Urform dessen, was ihr jetzt gerade als dieses Musikformat vorfindet. Zwar unter einer anderen Domain, mit anderen Bewertungsmaßstäben, anderem Fokus und definitiv einer anderen textlichen Qualität (uff!), aber mit genau der gleichen Idee: Meinen Senf zu spannender Musik loszuwerden. Was damals (zumindest ab einem bestimmten Punkt) aktuelle Besprechungen und eine monatliche Top Ten bedeutete, sowie eine mittlerweile leider verschollene, aber auch nicht besonders durchdachte Top 30 am Ende des Jahres, die ich ehrlich gesagt wenig vermisse. Ich habe mir an dieser Stelle trotzdem die größte Mühe gegeben, so viel wie möglich aus jenen Anfangstagen meiner Laufbahn als Musiknerd irgendwie zu reanimieren, zu hundert Prozent war das aber nicht möglich. Zum einen deshalb, weil viele der damals geschriebenen Artikel inzwischen unwiderruflich gelöscht wurden, zum anderen weil es eben auch zu diesem Zeitpunkt schon sehr viel Musik war, die ich regelmäßig hörte. Was hier also aufgelistet ist, sind wie schon in den letzten beiden Jahren die Platten und Projekte, die für mich wirklich einen Unterschied machten und mit denen ich profunde Erinnerungen verbinde. Und wie schon in meinem Post von 2011 möchte ich dabei betonen, dass es sich hierbei quasi um meine prägenden Jahre als Musikfan handelt, weshalb ich mit vielen dieser Alben sehr viel verbinde. Auf der anderen Seite bedeutet es aber auch, dass einige Werke, die inzwischen vielleicht als klassischer Content aus dieser Zeit gelten, hier nicht auftauchen, weil ich sie damals ganz einfach nicht auf dem Schirm hatte. Abgesehen davon gelten natürlich die üblichen Disclaimer:

1. Diese Liste ist zu 100 Prozent subjektiv und reflektiert nicht mehr und nicht weniger als meine eigene Auffassung. Wenn etwas hier nicht auftaucht, kenne ich es entweder nicht oder ich fand es nicht so nennenswert, dass es hier auftaucht

2. Diese Liste ist nicht endgültig. Es kann vorkommen, dass ich meine Meinung zu Einträgen hier ändere oder hinterfrage.

 
 
Absolute Beginners :: Welche Musik mich vor zehn Jahren interessiert hat
 
Wenn ich meinen Musikgeschmack von vor zehn Jahren hier in zwei wesentlichen Eigenschaften beschreiben müsste, würde ich ihn als grundsätzlich limitiert, aber extrem offenherzig beschreiben. Was im Klartext bedeutet, dass ich zu diesem Zeitpunkt mehr und mehr auch aktiv versuchte, mich aus stilistischen Komfortzonen herauszubewegen, dabei aber nicht so richtig wusste, wohin mir mir. Nachdem ich mich in der Zeit zuvor vor allem mit dem damals grassierenden Indierock-Mainstream angefreundet hatte und langsam meine Fühler in Richtung Punk, Metal und Postrock ausstreckte, merkte ich 2012 (auch durch meine neu gefundene Funktion als popkulturelle Schreibkraft) langsam, dass es da draußen auch andere Sachen gab, die wahnsinnig interessant waren. Vor allem in das Medium Hardcore verliebte ich mich in dieser Zeit zunehmend, was vor allem an ein paar alten Platten von Refused oder At the Drive-In lag, die damals ich zufällig entdeckte, aber sich auch durch die relative Popularität von aktuellen Bands fortsetzte. Schon zuvor hatte ich einige Berührungen mit der Welt des Metalcore und Gruppen wie Bring Me the Horizon und den Cancer Bats gehabt, zudem war mit La Disputes Wildlife noch im Spätherbst 2011 ein ganz entscheidendes Projekt erschienen, das mich viele Dinge neu sehen lies. Und in der Bugwelle dessen stürtzte ich mich also ins Getümmel. Mitunter im wahrsten Sinne des Wortes auf einem der vielen Hardcore-Shows in lokalen Clubs meiner Heimat, im übertragenen Sinne aber auch in Form vieler toller Künstler*innen, die ich in dieser Phase entdeckte. Noch immer empfinde ich 2012 rückblickend als das beste Jahr für Hardcore, das ich selbst miterlebt hatte, mit tollen Gruppen wie Pulled Apart By Horses, Converge, Title Fight, Every Time I Die, John Coffey und Captain Planet, die damals für mich wichtig wurden. Auf der anderen Seite entdeckte ich aber auch Ästhetiken für mich, die ich vorher zwar kannte, die mir bis dahin aber eher exotisch erschienen. Vor allem Hiphop, das mir zuvor meist ein ziemliches Mysterium war und das ich größtenteils mied, wurden mir langsam schmackhaft, was ebenfalls mit Entdeckungen wie Marteria, Casper und Odd Future zu tun hatte, die ich in den Vorjahren gemacht hatte. Und wie sich an Entdeckungen wie den Death Grips, Dan Deacon oder the Mars Volta abzeichnet, war ich grundsätzlich auch schon damals aufnahmefähig für die etwas weirdere und experimenteller Gangart von Popmusik. Die Essenz dieser vielen (Wieder-)Entdeckungen ist nun schlussendlich diese Liste geworden, denen ich hier ein paar entscheidende Takes hinzufügen möchte, die ich nach einer Dekade ihrer Existenz habe. Was am Ende auch für mich das nächstmögliche zu einer vollständigen Rekonstruktion meiner alten Artikel ist. Und al solche wahrscheinlich auch die weitaus bessere.
 
 
 
Hier auch nochmal eine Playlist zum Artikel, auf der ihr aus jedem Album der Liste einen Song findet:













alt-J - An Awesome WaveALT-J
An Awesome Wave
Infectious

Zu diesem Album habe ich bereits einen ausführlichen Post geschrieben, den ihr hier findet.






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Joey Bada$$ - 1999
JOEY BADA$$
1999
Cinematic
 












Über Joey Bad$$es letztes Album 2000 habe ich diesen Sommer geschrieben, wie enttäuscht ich davon trotz der Einschätzung bin, dass es grundsätzlich ganz solide ist und dass der New Yorker trotz nach wie vor stabilen Outputs in meinen Augen eine stetige Abwärtskurve hinlegt. Und wo eine solche Einstellung auf den ersten Blick vielleicht in sich widersprüchlich wirkt, macht sie in meinen Augen spätestens dann Sinn, wenn man einmal erlebt hat, was für eine Sensation dieser Typ am Anfang seiner Karriere war. Womit ich durchaus auch sein offizielles Majordebüt B4.DA.$$ von 2015 meine, das ich ebenfalls auf seine Art bewundere, am meisten aber dieses kleine Wunder von erstem Mixtape, mit dem er im Sommer 2012 die Bühne der Welt betrat. Mit gerade Mal 17 Jahren haute der New Yorker hier aus dem Nichts heraus eine der bis heute besten Hiphop-Platten der gesamten Dekade raus, auf der er völlig entgegen dem damaligen Trend auf klassische Boombap-Instrumentals komplex-lyrischen Eastcoast Rap ballerte und dabei so Neunziger war, dass es schon wieder Konsequenz hatte. Und obwohl es damals grundsätzlich auch andere junge Acts gab, die sich mit dieser Art von Retrozeug beschäftigten und einen ähnlichen Style heraufbeschworen, war das tolle bei Bada$$ eben, dass er dabei trotzdem unglaublich frisch und adoleszent wirkte. Weder in seinen Lyrics noch in seinen Flows muss er hier großer Techniker sein, um nachhaltig zu beeindrucken, was vielen Songs hier einen Boost Leichtigkeit und Optimismus verleiht, der nicht selten erfolgsentscheidend ist. Dass auf 1999 noch dazu ausschließlich fantastische Features stattfinden und Joeys Produzenten (unter anderem J Dilla, MF DOOM, Statik Selektah und Knxwledge) hier durchweg grandiose Beats zur Verfügung stellen, tut dann sein Übriges. Und am Ende ist es vielleicht auch gerade der umfangreiche Retrobezug, der diese Platte in den zehn Jahren seitdem so zeitlos gemacht hat. Eine Sache, die man über sein neueres Material nun mal leider nicht sagen kann.
 
🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢10/11
 
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Baroness - Yellow & GreenBARONESS
Yellow & Green
Relapse
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Während im Sommer 2012 alle davon sprachen, was Yellow & Green für eine gewaltige Zäsur für die Musik von Baroness war, hörte ich die Band hier zum ersten Mal und konnte nur theoretisch erfassen, was hier eigentlich genau so anders war. Und gewöhnungsbedürftig fand ich das hier in den ersten Momenten auch vor allem deshalb, weil ich vorher noch nie auf diese Weise komponierte Rockmusik gehört hatte, die an den Grenzen des Metal operierte, diese jedoch nie überschritt. Was ich allerdings wusste war, dass ich sie hier ziemlich genial fand und begeistert war von der umfassenden Detailverliebtheit, die Baroness immerhin auf gleich zwei Platten präsentierten. Und spätestens heute wissen wir außerdem, was es ihnen mittelfristig gebracht hat. Yellow & Green steht für diese Band aus Georgia heute am Anfang einer Reihe spannender Platten, die sich stilistisch alle auf dem gründen, was hier erstmals formuliert wird und Baroness im Laufe der Jahre zu einer der Rockband mit unverkennbarer künstlerischer Handschrift gemacht haben, die aktuell auch nicht wenige andere Acts in ihrer Bubble beeinflusst. Und auch wenn ich persönlich erst in Purple von 2015 als die letztliche Perfektionierung dieser Arbeitsweise sehe, ist sie hier doch schon weit über das Stadium eines Experiments hinaus und ist in vielen Punkten keinen Deut weniger stark.
 
🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢⚫⚫⚫ 08/11


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Bloc Party - FourBLOC PARTY
Four
Frenchkiss | [PIAS]

Es muss Anfang der Zwotausendzehner gewesen sein, dass ich irgendwo im Internet zum ersten Mal Songs von Silent Alarm, dem noch immer genialen und wegweisenden Debütalbum von Bloc Party hörte, und mich daraufhin sofort in die Band verliebte, was ob dieser Exposition auch gar nicht anders gegangen wäre. Nur hatte das ganze in jenem Moment doch ziemliche Nachteile, denn so richtig existierten die Briten damals eigentlich schon nicht mehr und es war fraglich, wann ob und wie es neues Material von ihnen überhaupt nochmal geben würde. Und wer sich eventuell an die Promophase von Four erinnert und damals vielleicht auch Fan war, weiß genau, was man damals an telenovelaesken Schlammschlachten und Fake News-Schikanen (zumindest für Indierock-Verhältnisse) erdulden musste, um endlich mal zur eigentlichen Musik durchzudringen. Die war dann aber wenigstens auch interessant und entschädigte zumindest für den Moment die albernen Faxen, die rund um dieses Album verbrochen wurden. Nach den starken Synthpop- und Disco-Tendenzen von Intimacy drei Jahre zuvor kokettierte Four als bisher rockigste und unordentlichste Platte des Quartetts, die entsprechend voll mit starken politischen Botschaften (damals gab es noch die heute völlig vergessene Occupy Wall Street-Bewegung, der hier viele Tracks gewidmet waren) und punkrockigen Ansagen von Okereke ist, der hier ein weiteres Mal auf Hochleistungsniveau performt. Stilistisch gehen Bloc Party dabei Wege durch Indierock, Punk und Blues bishin zu sehr metaligen Momenten, die man definitiv gehört haben muss, um an ihre Existenz zu glauben. Klanglich gönnen sie sich dafür eine entsprechend zerfranste Produktion und eine songwriterische Strukturierung, die sehr klobig und unmelodisch ist und an die man sich selbst als Silent Alarm-Fan erstmal gewöhnen muss. Und wo ich damals diese radikale Kehrtwende und energische Rockigkeit der LP sehr mochte, muss ich aus heutiger Sicht doch gestehen, dass Four im Kontext der Diskografie von Bloc Party doch ein ziemlich seltsames und auch effektiv mittelmäßiges Stück Musik geworden, das ich inzwischen definitiv nicht mehr so feiern würde wie seinerzeit. Dass ich genau das aber tat und das Album im August sogar zu meinem damaligen Album des Monats machte, kann ich aber trotzdem irgendwie verstehen. Denn nach all dem Drama um das bestehen der Band und den lahmen Soloprojekten in den Jahren davor hört man hier vier Musiker, die Bock auf ihre Arbeit haben und trotz aller missglückten Versuche so kreativ sind wie selten zuvor. Wenn ich ganz ehrlich bin, würde ich mich heutzutage sogar mal wieder über eine derartige Platte der Briten freuen, denn was Bloc Party 2022 geworden sind, ist leider wenig mehr als eine schattenhafte Formation von Okereke-Marionetten, die spätestens ab hier nur noch das Andenken an bessere Zeiten verwaltet. Was Four als letztes Album in Originalbesetzung auch zum letzten macht, auf dem sie wirklich etwas von sich selbst wollen und als kreative Einheit auftreten. Im Sinne eines Vermächtnisses ist das hier also durchaus ein wichtiger Markstein in ihrer Karriere. Wahrscheinlich sogar der letzte, an den man sich später mal erinnern wird.
 
🟢🟢🟢🟢🟢⚫⚫⚫⚫⚫⚫ 05/11
 
 
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Captain Planet - TreibeisCAPTAIN PLANET
Treibeis
Zeitstrafe


 

 
 
 
 
 
 
 
In den Punk- und Metalschuppen meiner Gegend, die ich während der mittleren Zwotausender des öfteren besuchte und in denen ich den Hauptteil meiner musikalischen Sozialisation erfuhr, waren Captain Planet immer eine der Bands, über die man mit großer Ehrfurcht redete und die irgendwie die Dinge repräsentierten, die damals im (deutschsprachigen) Punkrock funktionierten. Und obwohl ich damals mitunter gerne so tat, als könnte ich das alles gut nachvollziehen und würde sie auch super finden, waren mir die Hamburger in Wirklichkeit immer etwas suspekt. Jan-Arne von Twisterns Gesang klang mir zu gepresst und überemotional, seine Texte zu abstrakt und waberig und der Punkrock dahinter selten so schmissig und clever, wie er sich gerne verkaufte. Und nachdem ich das damals so hoch gehandelte Treibeis nach zehn Jahren nun zum ersten Mal wieder gehört habe, muss ich sagen, dass sich diese Punkte auf lange Sicht nicht nur ziemlich verfestigt haben, sondern nun noch erschwerend hinzukommt, dass das Album nicht sonderlich gut gealtert ist. Auf eine kunstige und aufgekratzt-emoeske Weise oszilliert es im Territorium jenes Jupiter Jones- und Turbostaat-Sounds, der damals mal kurz ziemlich cool war, mittlerweile aber zu Recht vergessen wurde und den ich mir auch für kein Geld der Welt zurückwünsche. Captain Planet selbst sind dabei über die Jahre hinweg selbst sowas wie ein Relikt dieser Phase geworden, das als klinisch tote Feierabendband nach einem mittelmäßigen Album 2016 bisher nichts mehr zustande gebracht hat und über das inzwischen nicht mal mehr die Punker aus der alten Heimat reden. Am Ende war es eben doch nur ein Trend.

🟢🟢🟢🟢🟢🟢⚫⚫⚫⚫⚫ 06/11
 
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Caspian - Waking SeasonCASPIAN
Waking Season
Triple Crown

 
 
 
 
 
 
 
Manchmal denke ich, dass mir ein Album wie Waking Season als Weltgewandter Postrock-Fan wohl inzwischen zu cheesy ist und ich mit dem ganzen Stockvideo-Epochalgedudel der Caspian von damals nichts mehr anfangen kann. Und obwohl ich grundsätzlich Recht damit habe, dass dieses Album so ziemlich die schlimmste Version von pseudocineastischem Feelgood-Rock ist, die ich mir vorstellen kann, finde ich es doch trotzdem immer wieder geil. Sei es deshalb, weil das hier aus einer Zeit stammte, bevor Instrumentalrock als standardmäßiger Backdrop für jeden grauenvollen Travel-Vlog auf Youtube missbraucht wurde oder weil Caspian hier tatsächlich emotionales Songwriting mit klanglichem Tiefgang und berauschender Postproduktion betreiben, doch es wirkt ganz einfach. Mehr noch; aus einer Zeit heraus, in der Postrock langsam die innovative Strahlkraft verlor, die es in den Zwotausendern hatte und zu einer Szene impressiv beflissener Informatikstudenten wurde (nichts für ungut!) ist das hier eines der Alben, das nicht nur die Zeit überdauert hat, sondern für mich sogar zu einem immensen Grower geworden ist, den ich mittlerweile noch tausendmal mehr mag als vor einer Dekade. Ganz zu schweigen davon, dass er nach wie vor das beste Stück Musik ist, das diese Band bisher zustande gebracht hat. Und das wird es wahrscheinlich auch bis auf weiteres bleiben.

🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢09/11

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Cloud Nothings - Attack on MemoryCLOUD NOTHINGS
Attack On Memory
Carpark | Wichita


 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Über die gesamten Zwotausenzehner hinweg wurde Attack On Memory von vielen Rockfans als sowas wie eine der letzten wahrhaftigen Platten des Indierock gehandelt und ich muss gestehen, dass sie deshalb auch bei mir lange Zeit hoch im Kurs stand. Immerhin steht hier der große Steve Albini als ausführender Produzent in den Credits und schon zehn Jahre vor Black Country, New Road und Black Midi verstanden es die Cloud Nothings hier sehr gut, so zu klingen wie alle Lieblingsbands der Indiebros auf einmal. Gerade im Kontext des momentan wieder stark aufkeimenden Slint-Revivals könnte man einen Song wie No Future/No Past außerdem als eine Art Early Adapter sehen und noch immer liebe ich jede einzige der knapp neun Minuten von Wasted Days. Als ein kleines bisschen überbewertet würde ich Attack On Memory aus heutiger Perspektive dennoch bezeichnen und wahrscheinlich ist es mittelfristig nicht mal das beste Album der Cloud Nothings. Ungefähr ab Hälfte zwei verfällt die Platte nämlich in eine zunehmende Spannungslosigkeit, die auch ein Banger wie Stay Useless nicht mehr retten kann und ein bisschen gefällt sich die Band danach auch zu sehr im strokesigen Wischiwaschi. Ob das jetzt wahrhaftig ist oder nicht, darüber sollen sich andere streiten, ich persönlich kann nur auf Last Building Burning oder the Shadow I Remember verweisen und behaupten, dass hier die eigentlichen Highlights im Katalog der Nothings zu finden sind. 
 
🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢⚫⚫⚫⚫ 07/11
 
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Colour Haze - She SaidCOLOUR HAZE
She Said
Elektrohasch

Auch über diese LP habe ich schon anderweitig mal ausführlich berichtet, hier findet ihr den Artikel dazu.


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Dan Deacon - America
DAN DEACON
America
Domino
 
Schon die gesamten Zwotausender über war Dan Deacon ein ziemlich flamboyanter und visionärer Elektropop-Künstler, der gemeinsam mit Animal Collective und Deerhoof einen frischen Entwurf psychedelischer Popmusik vordachte. Als ich ihn jedoch 2012 auf America entdeckte, schuf er – zumindest konzeptuell – sein bis heute ambitioniertestes Stück Musik. Wie Titel und Artwork bereits suggerieren, ist diese LP eine ästhetische Entdeckungsreise der imposanten Wildnis des nordamerikanischen Kontinents und als solche auch durchaus nochmal anders gepolt als seine eher quirkigen frühen Platten. Zwar sind Tracks wie das flockige True Trush oder das an LCD Soundsystem erinnernde Noise-Brett Lots durchaus alles andere als atmosphärisch, an vielen Stellen geht Deacon hier aber doch einen für seine Verhältnisse sehr impressiven Weg. Was er in Songs wie Guildford Avenue Bridge und vor allem der finalen dreiteiligen USA-Suite aus übersteuerten Synthmotiven und digitalen Drones aufbaut, ist einem imposant-orchestralen NatGeo-Dokusoundtrack grundlegend nicht unähnlich, nur dass sein Orchester eben im Wesentlichen aus Keyboards und Samples besteht. Womit es bis heute nicht nur eines seiner besten Alben überhaupt bleibt, sondern von allen auch irgendwie das speziellste und ungewöhnlichste.  

🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢09/11

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Death Grips - The Money Store
Death Grips - No Love Deep Web
DEATH GRIPS
the Money Store
No Love Deep Web
Epic | Third Worlds
 
 
 
 
 
 
Betrachtet man die Dinge mal von der technischen Seite, dann ist the Money Store ja im Prinzip das offizielle Debütalbum der Death Grips und trägt bis heute auch den seltsamen Fun Fact mit sich herum, dass es als einzige LP der Kalifornier nicht auf ihrem eigenen Imprint Third Worlds erschien, sondern beim Branchenriesen Epic Records, den die Band allerdings bereits im Herbst des gleichen Jahres mit großem Tamtam verließen. Und betrachtet man die Sache aus jetziger Perspektive zudem pragmatisch, wäre the Money Store auch nicht dort wo es ist, hätte der Szene-Hype um Exmilitary ein Jahr vorher ihnen nicht den Weg dorthin bereitet. Was ja aber trotzdem nicht heißt, dass man das hier ignorieren kann. Schließlich war das hier das legendäre Album, das seinerzeit die erste volle Punktzahl von Kritikerpabst Anthony Fantano bekam und von vielen anderen Musiknerds gleichermaßen gefeiert wurde, ganz zu schweigen von der erneuten Flut an Memes und Fancontent, die auch im Geiste dieser Platte produziert wurden und nach wie vor werden. Tracks wie I’ve Seen Footage, Get Got oder Hacker gehören bei Anhänger*innen der Band inzwischen zu ewigen Klassikern und allein die Tatsache, dass so macher Act erst dadurch Bekanntheit erlangte, dass er auf dieser Platte gesamplet wurde, spricht Bände über ihr Ansehen. Wobei ich persönlich damals wie heute sagen muss, dass ich den Bohei darum nicht ganz verstehe. Und wo das 2012 vor allem daran lag, dass ich Death Grips als künstlerische Gesamtheit nicht verstand und von der ganzen Nummer erstmal zu abgeschreckt war um ihre kreative Cleverness wirklich zu erkennen, muss ich mittlerweile sagen, dass ich the Money Store einfach als eine ihrer schwächeren Arbeiten sehe. Die sehr technoide und digitalistische Herangehensweise der Band ist im Vergleich zum rustikalen Sound des Vorgängers in meinen Augen eher rückschrittig und auch wenn die Produktion hier nach wie vor fantastisch ist, macht sie mit einer teilweise so stumpfen und undurchdachten Komposition nur halb so viel Spaß. Was die Kalifornier hier probieren ist ohne Frage interessant und sollte für die Ästhetik ihrer folgenden Alben (bis spätestens Powers That B Teil 2 von 2015) sehr prägend sein, wirklich ausformuliert ist der hier aber noch nicht. Was ja auch nichts macht, weil es 2012 noch einen Longplayer von ihnen gab, der in meinen Augen dann auch derjenige ist, der diese Ausformulierung erfolgreich durchsetzte. Womit er für mich dann tatsächlich auch damals die Platte war, die mich endgültig von dieser Band verzauberte, was nur zum Teil an ihrer aberwitzigen Release-Strategie liegt, mit der die Death Grips auch in Sachen Marketing neue Maßstäbe setzten. Eigentlich als zweites Album bei Epic angedacht, gab es unmittelbar im Vorfeld des Releases Querälen mit dem Label, dass die LP angeblich nicht veröffentlichen wollte und zum Stichtag am 1. Oktober zurückhielt, was einen inoffiziellen, von der Band selbst lancierten Leak zur Folge hatte, dem wenig später auch die lautstarke Vertragsauflösung folgte. Wie viel dieses Konflikts tatsächlich von der Plattenfirma ausging und wie viel davon geschicktes Marketing von Seiten der Band war, bleibt zehn Jahre später noch immer etwas rätselhaft, nur folgte daraus letztlich nicht nur ein kurzer Downloadrekord, eine Platte mit einem Dickpic als Cover und jede Menge Hype, sondern vor allem auch eine fantastische LP, die die neue, elektronischere Inkarnation der Death Grips nochmal ordentlich zementierte und ihre Kanten deutlich schärfte. Songs wie Black Dice, Come Up and Get Me oder der Quasi-Titeltrack No Love gehören für mich nach wie vor zu Highlights des Katalogs der Kalifornier, vor allem hat dieses Album aber erstmals eine entscheidende Kohärenz, die es zu einem großen Qualitätsschub für die Gruppe macht. Ganz abgesehen davon, dass die großartige Produktion von Flatlander und Rides infernalische Rants hier noch heller Strahlen als in jedem Moment von the Money Store. Und vielleicht ist das am Ende des Tages ein Hot Take, für mich persönlich einer, der heute noch genauso Bestand hat wie vor zehn Jahren und auch im Angesicht einer ganzen Diskografie dieser Band nicht wackelt.
 
the Money Store
🟢🟢🟢🟢🟢🟢⚫⚫⚫⚫⚫ 06/11
 
No Love Deep Web
🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢09/11
 
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Lana Del Rey - Born to DieLANA DEL REY
Born to Die
Interscope


Es brauchte das rehabilitierende Doppel aus Chemtrails Over the Country Club und Blue Banisters letztes Jahr, um mich mich mit letzter Konsequenz davon zu überzeugen, dass Lana del Rey überhaupt noch mal so gut werden kann wie auf ihrem Debüt und obwohl ich es immer irgendwie im Gefühl hatte, dass es möglich war, sah es doch lange nicht so aus. Fast die gesamten Zwotausendzehner über kultivierte die Kalifornierin einen musikalischen Stil, der mit variierendem Erfolg versuchte, das ultimative Komplettpaket zu reproduzieren, dass sie mit Born to Die ganz zu Anfang etabliert hatte und auch als 2019 mit Norman Fucking Rockwell sowas wie ein Stilbruch kam, war dieser in meinen Augen von starken Ladehemmungen geprägt. Und ja, ich weiß dass ein Standpunkt wie der meine gegenüber del Reys Katalog durchaus einige Hot Takes beinhaltet. Nicht nur in dem Sinne, dass ich dieses Album hier nach wie vor einigen ihrer größten Kritiklieblinge vorziehen würde, sondern auch in der Hinsicht, wie sehr Born to Die im Nachgang als problematisches und inhaltlich fragwürdiges Album hochstilisiert wurde. Wobei letzteres in meinen Augen damals wie heute absolut kein Problem ist, da ich die Musik (und vor allem die Texte) hier definitiv als das Werk einer durchinszenierten Kunstfigur sehe, deren Werk eine ziemlich clevere Subversion der lolitahaften, verzogenen und trashigen Männerfantasie ist, die hier einfach nur sehr gekonnt projiziert wird. Und wenn ich mit Born to Die aus jetziger Perspektive ein Problem habe, dann höchstens dass dieses hier an manchen Punkten doch noch nicht ganz ausgereift ist und Lana ein bisschen doch noch im Zeitgeist der frühen Zwotausendzehner verhaftet ist. Abgesehen davon ist es jedoch erstaunlich, wie solide diese LP auch eine Dekade später noch klingt und wie sie nach wie vor die Essenz dessen repräsentiert, was die Künstlerin Lana del Rey ausmacht. Und so sehr mich einige dafür auch verachten werden: Das hier ist immer noch mein Lieblingsalbum von ihr. 
 
🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢⚫⚫⚫ 08/11
 
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El-P - Cancer for CureEL-P
Cancer 4 Cure
Fat Possum

 
 
 
 
Es ist aus heutiger Sicht nicht mehr ganz einfach, El-P noch als etwas anderes zu sehen als die eine Hälfte des Hiphop-Powercouples Run the Jewels, als der er mittlerweile seit 2013 einen brillianten Job macht und endgültig seinen Fußabdruck im modernen Rap hinterlassen hat. Nicht nur gibt es aber auch schon davor einen beachtlichen Katalog des New Yorkers mit einigen echten Untergrund-Klassikern, auch solo war er schon lange ein wichtiger Name in der Szene und ein Album wie Cancer 4 Cure im Sommer 2012 mehr als ein Geheimtipp. Auf vielen Bestenlisten der Saison tauchte die Platte am Ende des Jahres auf und sorgte nicht unwesentlich dafür, dass der Launch von RTJ ein Jahr danach so ein Erfolg war. Wer hier jedoch musikalich nur eine Art Aufwärmplatte für deren Sound vermutet, könnte falscher nicht liegen und unterschätzt die klangliche Spannweite, die El-P damals mehr und mehr kultivierte. Mehr als klassicher Hiphop klingt Cancer 4 Cure mit seinen Einflüssen aus Rock, Reggae und vor allem Electronica nach Sachen wie the Prodigy, Aesop Rock, britischem Grime oder Crossover-Stylings, die selbst Danny Brown (der hier übrigens auch einen legendären Part rappt) sich erst vier, fünf Jahre später trauen würde. Auch Killer Mike ist hier bereits mit von der Partie, der gemeinsame Song der beiden gehört aber leider nicht zu den stärksten auf der Platte. Was man vielleicht als Omen verstehen kann, denn so sehr ich Run the Jewels auch mag, so krass und kreativ wie diese 50 Minuten waren die in den letzten zehn Jahren nicht. Und ein neues Soloalbum von El-P (ein richtiges, nichts von diesem ganzen Soundtrack-Blödsinn) wäre allein schon deshalb überfällig. 

🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢09/11

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Every Time I Die - Ex LivesEVERY TIME I DIE
Ex-Lives
Epitaph













Gerade weil Every Time I Die seit Ende 2021 nun leider doch Geschichte sind und gerade ihre letzte Platte nochmal so ein Hammer war, wollte ich dieses Album, das für mein langjähriges Fantum im Wesentlichen verantwortlich war, hier in mein Gedächtnis zurückholen und schauen, was von der alten Liebe tatsächlich noch übriggeblieben ist. Denn obwohl ich Ex-Lives nun auch schon eine ganze Weile nicht mehr gehört hatte und ich mich nur noch wenige Songs effektiv erinnerte, war es für meine Verehrung für die New Yorker doch immer mein ultimativer Referenzpunkt und Einsieg in eine absolut astreine Diskografie (die natürlich ihrerseits auch nochmal einer Langzeitprüfung von meiner Seite bedürfte), die bis ganz zum Schluss wenig zu wünschen übrig ließ. Wobei das Fazit lautet, dass ich mich heute vielleicht nicht mehr so Hals über Kopf in die Every Time I Die von 2012 verlieben würde, aber doch immer noch ziemlich begeistert davon wäre und von allem abgesehen sehr gut verstehen kann, was ich mit 15 daran so unglaublich geil fand. Die Kompositorik hier ist maximal badass, der Sound extrem tight und alle Teile der Band haben ein Gift und einen Zorn in der Galle, der mich einfach unfassbar anstrengt und mir dieses positiv-wutige Bauchgefühl verpasst, das Hardcore immer dann kommuniziert, wenn er gut gemacht ist. Und ja, für dieses Gefühl würde ich definitiv auch heute noch in den Pit springen. Auch wenn es bei dieser Band jetzt leider nicht mehr möglich ist.

🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢09/11
 
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Green Day - ¡Uno! Green Day - ¡Dos! Green Day - ¡Tré!

GREEN DAY
¡Uno!
¡Dos!
¡Tré!
Reprise
 
Es brauchte nach nach dem Release des letzten Teils von ¡Uno! / ¡Dos! / ¡Tre! nicht lange, um das wahnwitzige Projekt in all seiner Opulenz als den definitiven Tiefpunkt in der Diskografie von Green Day zu identifizieren und manche (zu denen ich mich auch ein bisschen zähle) würden sogar meinen, es von Anfang an geahnt zu haben. Schon die Ankündigung eines dreiteiligen Albums sorgte bei mir im Frühjahr 2012 für Stirnrunzeln, war der Abglanz der Sensation von American Idiot acht Jahre vorher doch schon deutlich schwächer geworden und mit 21st Century Breakdown eine Platte dazwischen, auf der die ganze operatische Punkrock-Nummer schon um einiges bemühter wirkte als Mitte der Zwotausender. Von dieser kreativ nicht optimal situierten Band nun gleich drei Longplayer zu bekommen, fühlte sich also schon im Vorfeld nach gefährlicher Hybris und der Art von rockmusikalischer Übersättigung an, die niemand so wirklich brauchte. Und mehr oder weniger genauso kam es dann am Ende auch: ¡Uno! / ¡Dos! / ¡Tre! zeigte der Welt über fast ein ganzes Jahr hinweg eine aufgeblähte und überarbeitete Rock’n’Roll-Maschine, die mitten im kreativen Burnout ihrer Karriere auf Teufel komm raus versuchte, ein Meisterwerk zu erschaffen, das mit einer denkbar schlechten Hand all in geht. Und wo ¡Uno! dabei an vielen Stellen einfach nur nach einer mittelmäßigen Version der späten Zwotausender-Green Day klang und „nur“ ein bisschen langweilig war, merkte man spätestens auf dem Nachfolger mit Songs wie Nightlife oder Stray Heart, dass hier absolut jegliche Substanz fehlte und jede noch so behämmerte Songskizze und Schnapsidee zum vollwertigen Albumtrack verhunzt wurde. Was spätestens im Dezember desselben Jahres, als mit ¡Tré! der letzte Teil der Trilogie erschien, auch sehr deutlich wurde. Denn nicht nur hatten die Kalifornier hier das meiste ihrer einstigen Rockstar-Größe verloren, sie wurden von den meisten Musikfans sogar peinlich berührt ignoriert wie ein Obdachloser in der Fußgängerzone. Und obwohl ihre Platten danach wieder peu à peu besser wurden und die Band das Fiasko dieses Projekts auch endlich als Alarmsignal wahrnahm, ihren eigenen Workload etwas runterzuschrauben, sitzt die Blamage in meinen Augen immer noch tief. ¡Uno! / ¡Dos! / ¡Tre! ist in meinen Augen eine der größten albumgewordenen Katastrophen der Zwotausendzehner, die von ihren schieren Ausmaßen locker mit einem St. Anger oder einem Paula mithalten kann. Und auf eine Art macht es das schon zu einem historischen Ereignis für die Band. Vielleicht sogar für den Punkrock der Zwotausender insgesamt.

¡Uno!          🟢🟢🟢🟢⚫⚫⚫⚫⚫ 04/11
¡Dos!    🟢🟢🟢⚫⚫⚫⚫⚫ 03/11
¡Tré!    🟢🟢⚫⚫⚫⚫⚫ 02/11

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Godspeed You! Black Emperor - 'Allelujah! Don't Bend AscendGODSPEED YOU! BLACK EMPEROR
Allelujah! Don't Bend, Ascend!
Constellation

Als jemand, der Godspeed You! Black Emperor heute als eine seiner Lieblingsbands bezeichnet und mindestens drei ihrer Alben in seinen Kanon ewiger Favoriten eingereiht hat, fasse ich es kaum, dass mein Erstkontakt mit ihnen damals über diese LP stattfand. Ganz einfach, weil es sich so anfühlt, als würde ich diese Band schon seit mindestens 100 Jahren mit glühender Leidenschaft hören. Angesichts des großartigen Auftritts, den die KanadierInnen hier hinlegen, ergibt das alles aber auch jede Menge Sinn. Denn obwohl Allelujah! formell gesehen ein Comeback und damit der Anfang ihrer zweiten Karrierephase während der Zwotausendzehner ist, ist es musikalisch doch eher ein Rückbezug, der eher noch ihrem Output in den Nullern zugerechnet werden kann. Und das nicht nur gefühlt, sondern ganz faktisch. Die vier Songs dieser LP erkannten akribische Fans schon von Livesets vor der Bandpause wieder und stilistisch ist dieses Album dem eine Dekade vorher erschienenen Yanqui U.X.O. wesentlich näher als seinem drei Jahre später veröffentlichten Nachfolger. Was für mich bedeutet, dass ich Godspeed bei meinem Erstkontakt noch einmal in der überlebensgroßen Dimension zu hören bekam, die ihr späterer Output – obwohl ich diesen eigentlich auch ganz gerne mag – schlichtweg nicht mehr hatte. Und wenn ich ganz ehrlich bin, zeigt sich das auch in seiner Qualität. Allelujah! Ist nach den in meinen Augen quasi formvollendeten ersten drei Platten mit wenig Abstand meine Liebste von ihnen. Und deshalb nach wie vor ein richtig guter Grund, ein Fan dieser Band zu werden.
 
🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢10/11
 
 
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Grimes - VisionsGRIMES
Visions
Arbrutus | 4AD
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Es ist aus heutiger Sicht schon ziemlich bitter zu sehen, in welche Richtung sich Claire Boucher als Künstlerin in den letzten Jahren entwickelt hat, wenn man erlebt hat, wie cool und bahnbrechend kreativ sie am Anfang ihrer Karriere mal war. Als ich sie im Frühjahr 2012 auf der Visions-Leadssingle Oblivion das erste Mal entdeckte, der wenig später auch dieses Album folgte, war Grimes nicht nur eine quirkige Stilikone mit reichlich rebellischer Energie, sondern vor allem auch eine extrem spannende Songwriterin, die in Livevideos nonchalant inmitten ihres Equipments chillte und schrullige Gesangsloops schichtete. Fancy Videos mit VR-Expierience und Modeljobs gab es von ihr damals genausowenig wie Beziehungsdramen mit Milliardären, dafür sehr viel ernst gemeinte Kunst und eine Newcomerhoffnung, die die diesem Begriff innewohnende Bedeutung auch wirklich erfüllte. Und obwohl Visions dabei aus heutiger Perspektive sicherlich nicht mehr ihr bestes Album ist und seit meinem ersten Eindruck von damals durchaus ein bisschen nachgelassen hat, schätze ich es doch extrem für seine kreative Unverbrauchtheit und seine weite Distanz von all dem Bullshit, den man heute mit der Persönlichkeit Claire Boucher verbindet.
 
🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢⚫⚫⚫ 08/11
 
 
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Hop Along - Get DisownedHOP ALONG
Get Disowned
Saddle Creek
 


 
 
 
 
 
 
Dass ich diese Platte erst ein gutes halbes Jahr zu spät für mich entdeckte, als sie offiziell auch in Europa promotet wurde (und damit blöderweise erst 2013 mein Album des Jahres wurde), ist vielleicht ein bisschen geschummelt, macht rückblickend aber keinen Unterschied. Denn eine meiner absoluten Favoriten der Zwotausendzehner ist das Ding am Ende so oder so geworden. Get Disowned hat die dem modernen Indierock fast verloren gegangene Gabe, auf der einen Seite extrem adoleszent, bratzig und rebellisch zu klingen, dabei aber nie sein Faible für zuckerige Harmonien und Hooks zu opfern. Und wenn man es pragmatisch sieht, dann ist das hier weder ein besonders lautes noch ein besonders aggressives Album. Allein der Performance der Band und vor allem ihrer grandiosen Frontfrau Frances Quinlan ist es zu verdanken, dass sich das hier anfühlt wie die wildeste Musik auf dem Planeten, die noch dazu richtig schön schräg und nerdig ist. Und damit eine Energie repräsentiert, die Hop Along leider nur dieses eine Mal abrufen konnten.

🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢 11/11

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Kraftklub - Mit KKRAFTKLUB
Mit K
Vertigo

So sehr ich es heute auch selber komisch finde, dass Kraftklub einst so eine wichtige Band für mich waren, so logisch war das ganze Ende 2011, als alle Welt gespannt auf das Debüt der Chemnitzer wartete und man über ihre Songs als Sprachrohre einer Generation und als junge Hoffnung der deutschen Popmusik redete. Da kam schon mal eine coole Band aus dem gleichen rotzigen Kaff wie man selber und dann konnte man auch noch mit ansehen, wie diese über wenige Jahre peu á peu zu richtigen Popstars wurden. Als Urfan des Kollektivs wurde ich dabei schon 2010 auf sie aufmerksam, als Songs von ihrer Adonis Maximus-EP (unter anderem Zu jung, aber auch der bis heute beste Kraftklub-Song Schlagerstars) bei Radio Fritz liefen und vor allem viele von mir regelmäßig gelesene Chemnitzer Szenemagazine die Band gerade entdeckten, wobei das Release von Mit K seit diesem Moment das Ereignis war, auf das man hinfieberte. Das Album selbst war dann zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung erstmal eher Bestätigung als positive Überraschung. Die einschlägigen Songs kannte man schon von den Singles, die peppige Mischung aus Franz Ferdinand-Gitarrenrock und Deutschrap funktionierte wie geplant und die Texte waren kein großes Kunstwerk, aber sprachen auch vielen aus der Seele. Dass ich Mit K nach 2012 nur noch selten hörte, ist daher also ebenso logisch wie dass ich es nach wie vor als das beste Album der Chemnitzer empfinde. Ein paar Erkenntnisse habe ich beim neuerlichen Studieren der Platte aber doch dazugewonnen. Erstens: die langfristig besten Tracks wie Lieblingsband (Oh Yeah), Eure Mädchen und Ritalin/Medikinet verbergen sich eher in den Deep Cuts. Zweitens: Kraftklub haben sich hier definitiv den falschen Produzenten geholt. Denn wo vieles auf Mit K songwriterisch echt nicht übel ist, krankt seine Qualität vor allem daran, dass im Sound nicht das Maximum aus der rockigen Energie der Band herausgeholt wurde, die man ja von ihren Konzerten kennt. In vielen Momenten ist das Album daher ziemlich schwach auf der Brust und macht nicht das Beste aus seinen eigentlich gut geschriebenen Songs. Ob ich es zehn Jahre später mag? Musikalisch nicht unbedingt, ideell und emotional bin ich Kraftklub – und vor allem den Kraftklub dieser Ära – als Quasi-Karlmarxstädter auf ewig treu. Egal wie furchtbar ihre Musik nach diesem Album teilweise auch geworden ist.
 
🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢⚫⚫⚫⚫ 07/11
 
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The Mars Volta - NoctourniquetTHE MARS VOLTA
Noctourniquet
Warner
 
 







Als ich im Frühjahr 2012 das erste Mal von the Mars Volta hörte, waren die selbst eigentlich schon im kritischen Stadium ihres Zerfallsprozesses begriffen und veröffentlichten mit Noctorniquet das Album, das für die längste Zeit danach ihr letztes bleiben würde. Und obwohl der Zeitpunkt für meine Entdeckung damit wahrscheinlich kein schlechterer hätte sein können, war das hier zum Schluss eigentlich trotzdem nochmal eine ziemlich gute Platte, um the Mars Volta musikalisch schätzen zu lernen, mit seinen etwas softeren und eher unkomplizierten Stimmungen aber vor allem eine gute Einstiegsdroge. Sicher, eine Annäherung an den verkanteten und hochkomplexen Freakprog der Texaner war zu keinem Zeitpunkt ihrer Karriere ein einfaches Unterfangen und gewöhnungsbedürftig klangen sie immer, auf Noctourniquet gibt es aber wenigstens wieder ein paar eingängigere Hooks und coole kompositorische Winkelzüge, die nicht nur mathematisch spannend sind. Die Band selbst nannte das hier seinerzeit ihr „Pop-Album“, was rückblickend wahrscheinlich gar nicht mal so falsch ist. Und als letztes Hurra des Duos vor der langen Pause und dem komplett verhunzten Comeback vom diesjährigen Herbst war das hier wenigstens nochmal eine ihrer besten Sachen. Auch wenn vieles davon erst jetzt so richtig klar wird.
 
🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢⚫⚫⚫⚫ 07/11
 
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Messer - Im SchwindelMESSER
Im Schwindel
This Charming Man
 
Das deutschsprachige Postpunk-Revival hatte in der letzten Dekade einige gute Bands, aber niemand war mit so viel Stil bei der Sache wie die Gruppe Messer aus Münster. Mit Hendrik Otremba haben die einen echten Literaten und Bohèmien als Frontmann, der bereits auf ihrem Debüt Im Schwindel das Maximum an Kunstigkeit auffährt. Im heißeren Bariton singt er hier Songs über Selbstreflexion, seltsame Fantasiegestalten und Romy Schneider, die alle sehr theatral und stylisch maskiert wirken. Was diese Platte dabei so besonders schön macht, ist die Performance der Band, die hier noch mit einem rabiaten Indiepunk-Sound dagegenschwimmt, der das ganze nochmal extra aufgekratzt wirken lässt. Messer waren auf ihren späteren Alben zwar besser in ihrer Rolle, doch dabei nie wieder so frisch und schmissig wie hier.

🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢09/11

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Motorpsycho and Ståle Storløkken - The Death Defying UnicornMOTORPSYCHO & STÅLE STORLØKKEN
the Death Defying Unicorn
Stickman


Dass ich the Death Defying Unicorn zu seinem ursprünglichen Erscheinungstermin im Februar 2012 zumindest einmal gehört hatte, heißt noch lange nicht, dass ich es zu diesem Zeitpunkt auch verstand. Allein die unfassbare zeitliche und klangliche Dimension der Platte überforderte mich damals immens, ganz zu schweigen von ihren teilweise extrem weirden Songwritingtechniken und der eigenartigen Story dahinter, mit der ich mich erst gar nicht auseinandersetzte. Dass ich es hier mit dem eindeutigen Opus Magnum von Motorpsycho zu tun hatte und das hier ein unfassbar spannendes und detailreiches Album war, bemerkte ich deshalb erst wesentlich später, als auch mein Interesse für die gesamte Diskografie der Norweger größer wurde und ich gezwungenermaßen wieder auf diesen verpassten Einstiegspunkt zurückkam. Seitdem hat die Platte mit mir viele Phasen durchgemacht, in denen ich sie mal mehr und mal weniger gut fand und bei der ich mittlerweile der Meinung bin, dass sie irgendwie beides ist. Sicherlich kann man objektiv nicht bestreiten, dass the Death Defying Unicorn mit seiner großen orchestralen Aufmachung und der technisch brillianten Verschmelzung von Prog, Jazz, Klassik und Hardrock ein sehr besonderes und respektables Album ist, das auch über mannigfaltige Highlights verfügt. Auch ist es in der nicht selten stilistisch fragwürdigen Welt der Rockopern eines der wenigen Beispiele für wirkliches Taktgefühl und gute Umsetzung, die auch lyrisch hinhaut. Dass es spannungstechnisch nicht über seine bombastischen 84 Minuten trägt und Motorpsycho manchmal ein bisschen zu arg abnudeln, ist aber ebenfalls eine berechtigte Kritik, die ich selbst daran inzwischen auch ein bisschen habe. Wobei ich für meinen Teil mittlerweile sowohl Fans als auch Skeptiker*innen dieser Platte verstehen kann und in den letzten Jahren durchaus ein bisschen die schlechte Angewohnheit entwickelt habe, lediglich die erste Hälfte des Albums zu hören, die in meinen Augen bei weitem die bessere ist. Obwohl ich aber inzwischen finde, dass Motorpsycho in ihrer Laufbahn sowohl bessere Platten auf Überlänge gemacht haben als auch gelungenere Crossover, ist es nach wie vor die Mächtigkeit von the Death Defying Unicorn, die mich begeistert. Und das wird sich wahrscheinlich erst ändern, wenn die Norweger nochmal so ein Mammutprojekt angehen sollten. 
 
🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢⚫⚫⚫ 08/11
 
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Muse - The 2nd LawMUSE
the 2nd Law
Helium-3 | Warner
 
Als the 2nd Law im Herbst 2012 erschien, war es für mich ein sehnlich erwartetes Album, dessen Release ich herbeifieberte wie wenige in diesem Jahr und über das ich damals tatsächlich noch am Tag der Veröffentlichung eine meiner ersten Besprechungen zu einer aktuellen LP verfasste. Im Nachhinein ein lehrreicher Fehler, denn wo ich es ob eines Hype-unterfütterten ersten Eindrucks erstmal vorschnell über den grünen Klee lobte, dauerte es letztlich nur wenige Wochen, um diesen umfassend zu revidieren und bereits am Ende des Jahres ein wesentlich nüchterneres Verhältnis dazu zu haben. Wobei ich mich tatsächlich auch bis heute nicht so richtig mit dem Narrativ vieler Leute im Internet anfreunden kann, demzufolge das hier das mit Abstand schlechteste Album von Muse ist und ausschließlich das Produkt massiver Selbstüberhöhung und fehlgeleiteter Mainstream-Ambitionen ist. Denn gute Eigenschaften finde ich hier auch nach zehn Jahren noch ohne rosarote Nostalgiebrille. So ist Madness mittelfristig der beste Popstar-Moment, den die Briten je hatten, Animals schlägt mit seinen verhaltenen Prog-Anschlägen einen spannenden Bogen zurück zum Sound ihrer ersten beiden Platten und Supremacy ist mit seinem überzogenen Bombast bis heute vielleicht der krasseste Albumopener, den Muse je gemacht haben. Über offensichtliche Unzulänglichkeiten von the 2nd Law lässt sich aber dennoch nicht streiten. So sind die beiden von Bassist Chris Wolstenholme komponierten und gesungenen Tracks sicherlich die schnarchigsten Muse-Nummern seit dem Debüt, stilistische Exkurse wie die Funk-Bläser in Panic Station oder der Elektropop von Follow Me sind eher von der geschmacklosen Sorte, die überzogene Theatralik der Platte ist selten zu ihrem Vorteil und Matt Bellamys Lyrics sind bestenfalls mittelmäßig. Vor allem tappen die Briten auf diesem Album aber wie viele andere Rockbands zu dieser Zeit in die Falle unnötiger Mainstream-Anbiederung durch prominent gesetzte Dubstep-Elemente, die sich hier oft in völlig unnötigen und billig gemachten Wubbel-Drops äußert, die zehn Jahre später einfach super schlecht gealtert und peinlich klingen. Und es ist definitiv nicht zu beschönigen, dass mit diesem Album die bisher hässlichste Phase in der Karriere von Muse begann, die je nachdem wen man fragt auch immer noch andauert. Froh kann man aber durchaus sein, dass sie diesen Sound nach the 2nd Law ziemlich schnell überwunden hatten und sich anderen Ideen zuwendeten. Denn eine schöne Erinnerung ist das hier - trotz einiger persönlicher Highlights - auf keinen Fall.
 
🟢🟢🟢🟢⚫⚫⚫⚫⚫ 04/11 

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Frank Ocean - channel ORANGEFRANK OCEAN
Channel Orange
Def Jam
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Ich sage es wie es ist: Für mich ist Channel Orange nach heutigem Stand noch immer das beste Album von Frank Ocean und in meinen Augen so viel cooler als das schnarchige Blonde. Sicher, es ist in vielerlei Hinsicht vielleicht etwas konservativer und überzeugt eher durch handelsübliche Pop-Qualitäten, doch ist das ja deshalb nicht gleich was schlechtes. Im Gegenteil: Wenn man mich fragt, hat Ocean seine Fähigkeit für große Melodien und hymnisches Songwriting unnötigerweise auf dem Altar der Kunstigkeit geopfert, die ihm ganz einfach nicht so sehr steht wie das hier. Denn was er hier schafft, ist in den besten Momenten nicht nur guter R’n’B, sondern Popmusik für Dekaden. Thinkin Bout You ist für mich noch immer eine der ergreifendsten Schnulzen der gesamten Zwotausendzehner, Pyramids nimmt in zehn Minuten die halbe Karriere von the Weeknd vorweg, Pink Matter mit Andre 3000 ist ein fantastischer Slowburner, der mit jedem neuen Element krasser wird und selten hörte man Oceans gesangliche Chops so großartig wie in Bad Religion. Perfekt ist Channel Orange bei alledem nicht und die vielen Interludes nerven mich auch nach zehn Jahren immer noch gewaltig, doch geht es mir vor allem darum, dass dieser Künstler danach nicht mehr besser geworden ist. Also zumindest bis jetzt.
 
🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢⚫⚫⚫ 08/11
 
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Pulled Apart by Horses - Tough LovePULLED APART BY HORSES
Tough Love
Transgressive
 
Dass 2012 ein verdammt gutes und wichtiges Jahr für Hardcorepunk jeder Art war und viele meiner persönlichen Genre-Highlights, die mich musikalisch stark geprägt haben, aus dieser Saison stammen, ist für mich noch immer ein starkes Vermächtnis dieser Zeit und spiegelt sich definitiv auch in vielen Einträgen dieser Liste wider. Wenn es nach dem persönlichen Befinden meines Vergangenheits-Ichs geht, gehört die Krone all dieser Bemühungen jedoch ohne jeden Zweifel der Gruppe Pulled Apart by Horses aus West Yorkshire und ihrem zweiten Longplayer Tough Love, der mich bereits im Januar des Jahres absolut wegfetzte. Und obwohl ich mich dabei rückblickend frage, warum mir ausgerechnet diese Platte unter den vielen tollen Releases des Jahres so besonders wichtig war, kann ich meiner Begeisterung von damals doch immer noch beipflichten und diesem Album einiges abgewinnen. Wo ihr selbstbetiteltes Debüt im heutigen Vergleich etwas unterproduziert und albern wirkt, rücken die Briten ihren Sound hier stärker in Richtung Garagenrock und Metal und schaffen damit nicht nur einen dichteren und deutlich knalligeren Sound, sie schreiben vor allem auch einen Banger nach dem anderen, der eine Dekade später immer noch als gern gesehener Ohrwurm-Flashback funktioniert. Wobei letzteres auch definitiv daran liegen dann, dass ich Tough Love damals wirklich sehr oft gehört habe.
 
🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢09/11
 
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Seeed - SeeedSEEED
Seeed
Warner
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Als Kind waren Seeed aus Berlin meine unanfechtbare Lieblingsband, weshalb ihr Comeback mit dieser selbstbetitelten LP im Herbst 2012 zu einer mittleren Sensation machte. Vor allem auch deshalb, weil ich im Zuge dessen endlich mal die Möglichkeit hatte, sie live zu sehen. Und auch wenn sich mit dieser Platte erstmals die flapsige Pop-Anbiederung breit macht, die spätestens ihr letztes Album ziemlich ruinierte, ist sie dabei doch auch wenigstens noch kreativ und steht klanglich im gleichen Saft wie ihre besten Sachen aus den Zwotausendern. Songs wie You & I mit seinem meterdicken Dub-Unterboden, das rhythmisch vertrackte Elephants, das fetzige Molotov, das nach wie vor echt stabile New Wave-Cover Wonderful Life und sogar das etwas atzige Seeeds Haus sind sowas die letzten großen Perlen der Band, bevor wenige Jahre später ihr schleichender Zerfallsprozess begann. 2018 stirbt mit Demba Nabé eines der Gesichter der Band, ein Jahr später erscheint mit Bam Bam ein Album, auf dem die Berliner nicht mehr nach sich selbst klingen. Was diese LP zwar zeitlich irgendwie von ihrer früheren Diskografie abschneidet, in meinen Augen aber trotzdem irgendwie ein kleines bisschen dazugehört.

🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢⚫⚫⚫⚫ 07/11

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Sigur Rós - ValtariSIGUR RÓS
Valtari 
Parlophone

 
 
 
 
 
 
 
 
Für viele war es im Sommer 2012 etwas enttäuschend, nach dem großartigen und fortschrittlichen Með suð í eyrum við spilum endalaust plus vier Jahren Wartezeit ein so konservativ-ambientes Album von Sigur Rós zu hören, das sie von der kreativen Arbeit her eigentlich spätestens seit Takk… von 2005 überwunden hatten. Und ein bisschen haben sie damit Recht, denn ein wirkliches künstlerisches Statement ist Valtari sicherlich nicht. Dass es deswegen gleich scheiße ist und man es ohne weiteres als mittelmäßig abtun kann, heißt das aber noch lange nicht. Immerhin präsentiert es in sehr verdichteter Art einen klassischen Sound der Isländer, mit dem man a) absolut nichts verkehrt machen kann und der b) hier noch detaillierter und fisseliger klingt als auf vielen früheren Platten, die dafür ja oft gefeiert werden. Und unter allen LPs im bisherigen Katalog von Sigur Rós ist das hier tatsächlich diejenige, die den Druck effektiv am allermeisten rausnimmt und sich ganz und gar wohl darin fühlt, keine großen Sprünge machen zu wollen. Mehr als unspezifisch ist Valtari letztlich also konsequent und zeigt zwischen zwei sehr experimentellen und flamboyanten Alben der Band sehr klar, wie die Gruppe sich ausschließlich auf die ganz leisen Töne konzentriert. Ohne Hits und kompositorische Hakenschläge, nur sehr viele dieser herrlich monumentalen Flächen und Arrangements, die nach tiefgefrorener Euphorie klingen. Und irgendwie ist das ja auch eine der Sachen, deretwegen man diese Band so liebt. Wobei aber auch ich rückblickend zugeben muss, dass es dafür vielleicht einen besseren Moment gegeben hätte.
 
🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢09/11
 
 
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Soap&Skin - NarrowSOAP&SKIN
Narrow
[PIAS]
 
Gerade Mal 8 Songs in 28 Minuten umfasst das zweite Album von Anja Plaschg aka Soap&Skin, ist drei Jahre nach dem gefeierten Debüt Lovetune for Vacuum also kein besonders umfangreicher Nachfolger. Was es allerdings nicht davon abhält, in diese knappe halbe Stunde Spieldauer ein paar unglaublich tiefe musikalische und emotionale Abgründe einzuschließen und in all seiner Kürze vielleicht eine der dramatischsten Pop-Platten der damaligen Saison zu werden. Direkt mit dem Opener Vater, der wie der Name schon suggeriert, Plaschgs verstorbenem Vater gewidmet ist und in seinen fünfeinhalb Minuten unfassbar brutal das Gefühlschaos der Songwriterin umreißt, werden keine halben Sachen gemacht, genausowenig wie im direkt daran angeschlossenen Goth-Kammerpop-Cover des New Wave-Klassikers Voyage Voyage. Und wer denkt, dass Plaschg sich anschließend in dieser sinfonischen Nische häuslich einrichtet, den überrascht sie auf Tracks wie Deathmental und Big Hand Nails Down mit Noise und Industrial. Heraus kommt dabei am Ende ein durch und durch gequältes und aufgekratztes Album, das die stille Melancholie des Debüts mit ordentlich morbider Schlagseite kontert und sein Leiden nicht still intoniert, sondern mir vor die Füße knallt, wie um meinen Voyeurismus herauszufordern. Und obwohl es dabei einige Zeit gebraucht habe, bis ich darin wirklich die rohe und selbstzerfleischende Genialität erkennen konnte, die es definitiv hat, ist es für mich heute ein Album, das mir trotz unzähliger Hördurchläufe immer noch jedes Mal einen Schauer über den Rücken laufen lässt. Und mir ein für alle Mal gezeigt hat, was für eine besondere Künstlerin diese Frau ist.
 
🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢10/11

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Swans - The SeerSWANS 
the Seer
Mute
 
Swans sind eine der Bands, über die ich auf diesem Format nie besonders gern rede, da sie für mich immer wieder einen unausweichlichen Gewissenskonflikt bedeuten. Da sind zum einen die mittlerweile seit Jahrzehnten relativ unkommentiert existierenden Vorwürfe sexueller Gewalt gegen Sänger Michael Gira, die mich natürlich aufhalten, diese Band toll finden zu können. Auf der anderen Seite stammen von ihnen aber auch einige der spannendsten Rock-Alben der vergangenen Dekaden, von denen ich nicht ändern kann, dass ich sie fantastisch finde. Und besonders the Seer, ihr zweites Album nach dem Comeback von 2010, ist diesbezüglich ein immens wichtiges, das auch für mich eine spezielle Bedeutung hat. Nachdem die Rückkehr der Band zwei Jahre zuvor mit My Father Will Guide Me Up A Rope to the Sky noch eher verhalten und zaghaft war, ist dieses hier das erste von mittlerweile drei legendären Alben, auf denen die Swans keinen Stein auf dem anderen lassen und vor allem quantitativ das größtmögliche Ereignis wollen. Wobei das Schema aus zwei Stunden Dauerfeuer, ekstatischen Longtracks und monumentalem (Post-)Rock-Bombast eines ist, das auf den nächsten zwei Platten nochmal an Dramatik hinzugewinnen würde. In seiner prototypischen Form gefällt es mir hier aber nach wie vor am besten, weil es tatsächlich noch die meiste Abwechslung bietet und in meinen Augen das meiste aus seinen 120 Minuten macht. Womit es bis heute wahrscheinlich sogar mein persönliches Highlight der gesamten Swans-Diskografie ist.

🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢10/11

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Tame Impala - LonerismTAME IMPALA
Lonerism
Modular

Nachdem Kevin Parkers Debüt Innerspeaker mich zwei Jahre vorher mit seinem optimistisch-fluffigen Psychrock-Sound komplett aus den Latschen gehauen hatte und mir zum ersten Mal so richtig ein Verständnis dafür vermittelte, was Sound und Dynamik mit Musik anstellen konnten, war sein Nachfolger Lonerism für mich die komplette zweite Hälfte der Saison über das am sehnlichsten erwartete Album von 2012, das Anfang Oktober dann auch alle meine Hoffnungen ziemlich akkurat erfüllte. Dass es dabei in der Geschichte von Tame Impala die Platte war, die das Projekt von einer relativ klassischen Rockband zu dem sleaken Psychpop-Ein-Mann-Unternehmen machten, das wir heute kennen, konnte man dabei nur erahnen und mit Tracks wie Elephant oder Mind Mischief gab es hier ja immerhin auch noch einige der rockigsten Momente in Parkers Katalog. Trotzdem ist die Art, wie diese LP definitiv schon einen Fuß in der Tür zum Pop hat und sich merklich mehr an Leuten wie MGMT, Air und Caribou orientiert, bezeichnend für den Werdegang von Tame Impala, der ja spätestens mit dem nächsten Album auch abgeschlossen sein würde. Was für mich aber gleichzeitig irgendwie bedeutet, dass Parker hier sein letztes richtig großartiges Gesamtwerk gemacht hat, das mich damals wie heute ein bisschen in Staunen versetzt. Alles danach war immer noch gut, aber begeisterte mich einfach nicht mehr ganz so krass.
 
🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢09/11
 
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THIS LOVE IS DEADLY
This Love is Deadly
Nois-O-Lution

Als ich das Debüt der Berliner Band This Love is Deadly zum ersten Mal hörte, wusste ich noch nicht mal so wirklich, was Shoegaze eigentlich genau ist und mochte einfach die Art, wie hier mit Gitarrensounds umgegangen wurde. Und obwohl ich mir das Album bereits wenige Monate nach Release auch physisch zulegte, hörte ich es lange Zeit eher selten. Erst im Laufe der Zeit erinnerte ich mich immer häufiger an diese Band und wie großartig ihre Songs auf dieser selbstbetitelten ersten LP eigentlich waren, was nicht weniger dadurch wurde, dass sie anschließend für eine relativ lange Zeit in der Versenkung verschwanden. Zwar veröffentlichten sie schon 2015 ein neues Album, machten dieses aber trotzdem erst weitere drei Jahre später auf Streamingdiensten verfügbar, weshalb dieser Erstling letztlich sehr viel Zeit hatte, zu einer meiner wichtigsten Einstiegsdrogen in die Welt des Shoegaze zu werden, die ich heute auf keinen Fall missen möchte.

🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢⚫⚫⚫ 08/11

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Title Fight - Floral GreenTITLE FIGHT
Floral Green
SideOneDummy
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Nachdem ich im Jahr vorher schon mit ein paar Songs ihres Debüts Shed gute Erfahrungen gemacht hatte, war mir Floral Green am Anfang eigentlich ein bisschen zu cheesy und zu weit gestreut. Die Melodien waren an vielen Punkten klarer, das Tempo um einiges gedrosselt und mit Tracks wie Head On the Ceiling Fan oder Lefty stieß die Band an einigen Punkten sogar in sapschiges Shoegaze-Territorium vor. Wenig Zeit brauchte die Platte am Ende aber doch nicht, um mich Stück für Stück von sich zu überzeugen und gerade Mal vier Monate nach Release tauchte sie dann auch schon irgendwo im Mittelfeld meiner ersten Top 30 auf. Was ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste: Floral Green würde mit seinem Sound ein wesentlicher Primer für meine Faszination mit Emorock werden, die mit dem kleinen Szenerevival der kommenden zwei Jahre zum ersten Mal richtig Fahrt aufnahm. Und dass sie mittlerweile eine meiner liebsten Hardcore-Platten der gesamten Dekade sein dürfte, ist da nur konsequent.

🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢10/11
 
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Scott Walker - Bish BoschSCOTT WALKER
Bish Bosch 
4AD

Bish Bosch ist definitiv und mit einigem Abstand das schrägste Album auf dieser Liste und vielleicht ein bisschen das, was Lulu von Metallica und Lou Reed ein Jahr zuvor für mich war. Eine Platte, die ich ursprünglich nicht verstand und an vielen Stellen sogar furchtbar fand, die mich in ihrer Morbidität und Seltsamkeit aber so nachhaltig faszinierte, dass ich sie einfach wieder und wieder hören musste. Mit dem Ergebnis, dass ich sie eine Dekade später als eines der faszinierendsten und künsterisch wertvollsten Werkstücke der damaligen Saison sehe. Ganz zu schweigen vom Stellenwert, den sie im Katalog ihres Interpreten einnimmt. Als Quasi-Schwanengesang des großen Scott Walker (vor seinem Tod 2019 erschien nach dieser LP nur noch ein vernachlässigbares Kollaborationsalbum mit Sunn 0))) ) ist Bish Bosch so weit von einem milden Alterswerk entfernt, wie man nur sein könnte und ein schlagendes Argument dafür, dass dieser Typ mit den Jahren nur verrückter wurde. Inspiriert vom Werk des Malers Hieronymus Bosch und vor allem dessen Darstellungen der Hölle baut Walker hier ein Album voller infernalischer Klangexperimente, das mit seinen operatisch gesungenen Obszönitäten ("if shit were music, [...] you'd be a brass band"), blasphemischen Avantgarde-Lyrics und kunstigem Drittklässlerhumor (Die Furzgeräusche in Corps de Blah) zwar im ersten Moment vollkommen abstoßend ist, allerdings auch gerade deswegen so unglaublich fesselnd. Was letztlich nicht nur mich zu jemandem machte, der nach anfänglicher Überforderung mit dieser LP mittlerweile Fan geworden ist und sie als großen künstlerischen Gewinn für den Musiker Scott Walker sieht. Also genauso, wie Lulu das für Lou Reed war.

🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢09/11

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billy woods - History Will Absolve MeBILLY WOODS
History Will Absolve Me
Backwoodz

 
 
 
 
 
 
 
 
Ein unterhaltsamer MC war Billy Woods noch nie und er wird es sicherlich auch nie werden, zu sehr ist er schon seit jeher einer, der konsequent miese Laune und verkopfte Traktate in nerdigem Hochkultursprech verbreitet. Das allerdings kann er so gut wie kaum jemand anderes in seiner Zunft und auf wenigen seiner inzwischen gefühlt fünfzig Platten macht er das so gut wie hier. Schon die Titel-Cover-Kombination mit dem Porträt von Robert Mugabe (eines von Woods' Lieblingsthemen) und dem provokanten History Will Absolve Me direkt daneben ist kontroverses Material, das man als solche erstmal erkennen muss und entsprechend soziopolitisch und historisch durchwirkt wird es hier auch inhaltlich. Allerdings gelingt es dem Künstler dadurch, ein sehr viel tiefer gehendes Bild der Dinge zu zeichnen, um die es in seinen Songs geht und diese Art von Punchlines zu bringen, die man zwar erst versteht, wenn man sich durch die entsprechenden Genius-Tabs und darin verlinkte Wikipedia-Artikel durchgearbeitet hat, aber die dann wenigsten auch die allergrößten sind. Womit dieses Album für mich sowas wie der Beginn einer wunderbaren Freundschaft war, die heute dicker denn je ist.

🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢🟢09/11
 
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The xx - CoexistTHE XX
Coexist
Young

Ich finde es rückblickend schon ein bisschen peinlich, dass the xx in den Augen vieler – inklusive mir selbst – mal als eine ernsthaft spannende Indieband gehandelt wurden. Denn sind wir mal ehrlich: So richtig waren sie das ja eigentlich nie. Schon ihr selbstbetiteltes Debüt von 2009 gefiel sich in einem sehr schläfrigen, verhuschten Trott, der nur seines minimalistischen Drumherums wegen ein kleines bisschen cool war und obwohl Coexist sich drei Jahre später schon echt Mühe gab, in Sachen Instrumentierung und Produktion ein bisschen mehr Vielfalt einzubringen, ist das Resultat in meinen Augen nochmal um einiges langweiliger. Die schlafzimmerigen Synths klingen fast auf jedem Song gleich, Oliver Sim und Romy Madley-Croft singen dazu ihre üblichen halbsedierten Befindlichkeits-Duette und wenn hier ab und zu eine Steeldrum, ein Piano oder eine Gitarre dazwischenfunken, bricht das auch nur sehr kurz die kreative Totenruhe dieser LP. Das witzige dabei: Es gab während der letzten Jahre eine Zeit, in der ich Coexist für ein ernsthaft gutes Album hielt oder zumindest für das beste, das diese Band in ihrer kurzen Karriere veröffentlicht hatte. Aus der Perspektive von heute reanimiere ich aber meine ursprüngliche Aussage, dass es eine schnarchige und uninspirierte Promenadenmischung ist. Und ob deren Eindruck ich irgendwie froh sind, dass heute niemand mehr von the xx redet.

🟢🟢🟢🟢🟢⚫⚫⚫⚫⚫⚫ 05/11
 
 
 
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