Freitag, 5. November 2021

Läuft bei Lana

Lana Del Rey - Blue BanistersLANA DEL REY
Blue Banisters
Polydor
2021
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ songwriterisch | lyrisch | majestätisch ]

Ich denke es sind sich hier alle einig, dass es die zweite Runde Lana del Rey in dieser Saison nicht unbedingt gebraucht hätte. Nicht nur für diejenigen, die ihr Platten schon in letzten Jahren so richtig cool fanden und erst recht nicht für mich, der ihrer neuen Phase als Nerdfavoritin ebenso kritisch gegenüber steht wie ihrer Popstar-Phase in den Jahren davor. Allerdings muss auch ich sagen, dass mir das Szenario eines zweiten Albums der Kalifornierin innerhalb weniger Monate selten so aushaltbar erschien wie 2021. Denn an und für sich empfinde ich es schon irgendwie so, dass sie sich musikalisch gerade in einer guten Zeit befindet. Chemtrails Over the Country Club war im Frühjahr ihre in meinen Augen beste Platte seit Born to Die vor fast einer Dekade, wobei ich hier vor allem das erste Mal das Gefühl hatte, den neuen künstlerischen Mehrwert der Lana del Rey, von dem im Internet seit Norman Fucking Rockwell alle reden, endlich selbst zu spüren. Dass die Künstlerin in dem kreativen Resonanzraum, aus dem schon diese Songs kamen, noch mehr gutes Zeug hatte, erschien mir also durchaus glaubhaft. Und mit Freude kann ich sagen, dass ich damit im großen und ganzen Recht hatte. Blue Banisters ist im Bezug zu Chemtrails nicht das, was bei Taylor Swift letztes Jahr Evermore im Bezug zu Folklore war (sprich ein Album voller besserer Outtakes, verkauft als vollwertiges Sequel einer sehr guten Platte, das dieser aber bei weitem nicht das Wasser reichen kann). Der Vergleich kommt allerdings auch nicht von ungefähr. Denn wo die erste Lana-Platte vom März sich zumindest zu großen Teilen anfühlte wie ein künstlerisches Statement, das werkübergreifend spannend ist, ist das hier doch eher die lose Ansammlung von Songs, die dabei noch übrig geblieben sind. Diese sind in den meisten Fällen zwar besser als die auf dem Vorgänger und fühlen sich durchweg an wie Kompositionen, die das große Release wert sind (wie ihr Status tatsächlich ist, weiß ja auch der Geier), sie sind aber auch eher einzeln gedacht denn als ästhetisches Gesamtwerk. Ich habe mit Blue Banisters in einigen Momenten theoretisch das gleiche Problem wie mit Norman Fucking Rockwell, nämlich dass vieles hier sehr auf Lana als Lyrikerin konzentriert ist, die mich eben nach wie vor nicht so krass überzeugt wie viele andere. Und selbst wenn sie das könnte, bleibt noch immer die Tatsache, dass ein Album von 61 Minuten Länge größtenteils mit schlurigen Klavierballaden zugepappt wurde. Chemtrails hatte dieses Problem zum ersten Mal seit langem nicht, hier taucht es plötzlich wieder auf. Nur komischerweise nicht als Problem, sondern auf seltsame Weise als positiver Aspekt. Soll heißen, dass diese LP über einige der besten schlurigen Klavierballaden verfügt, die del Rey je geschrieben hat. Black Bathing Suit, Violets for Roses, Arcadia und Wildflower Wildfire sind perfekte Beispiele für die Sweet Spots, in denen dieses Stilmittel, das in den Händen der Kalifornierin auch gerne mal sehr monoton wird, nach fast zehn Jahren Abnutzung trotzdem noch unglaublich strahlt und das beste Werkzeug ist, das diese Künstlerin zur Verfügung hat. Mit dem Bonus, dass die Songs auf Blue Banisters noch mit viel orchestralem Tamtam ausstaffiert sind und dadurch im Idealfall ziemlich epochal wirken. Für den kleinen Geniestreich auf the Trio muss ich außerdem nochmal gesondert meinen Hut ziehen, und sei es nur weil er irgendwie überraschend und witzig ist. Wenn wir darüber hinaus von Gesamteindrücken reden, muss ich auch nochmal loswerden, dass auf dieser Platte ihre bisher vielleicht besten Gesangsperformances seit langem zu finden sind. Auf der anderen Seite gibt es dann zwar auch wieder Nummern wie Dealer oder den Opener Text Book, die eher redundant sind, von denen gibt es hier aber viel weniger als sonst. Im Endeffekt ist das hier also sogar ein besseres Gesamtergebnis als Chemtrails, nur eines mit weniger Oberflächenspannung dahinter und kompositorischen Höhen, die nicht ganz so krass sind wie ihre großen Hits. Es ist das Album, das endlich mal alles richtig macht, allerdings auch ohne irgendetwas krass besonders zu machen. Meckern will ich deswegen aber nicht, denn hätte es die letzte Platte nicht gegeben, hätte spätestens diese hier alle Wünsche erfüllt, die ich an Lana del Rey die letzten zehn Jahre hatte. Und in dieser Hinsicht ist es dann auch wieder toll, dass die Platte dieses Jahr noch passiert ist.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11

Persönliche Höhepunkte
Arcadia | Interlude - the Trio | Black Bathing Suit | Violets for Roses | Thunder | Wildflower Wildfire | Nectar of the Gods | Living Legend | Cherry Blossom | Sweet Carolina

Nicht mein Fall
Text Book | Blue Banisters | Dealer


Hat was von
Taylor Swift
Evermore

Courtney Marie Andrews
Old Flowers


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