Donnerstag, 11. November 2021

DIY für Drei

파란노을 [Parannoul] / Asian Glow / sonhos tomam conta - Downfall of the Neon YouthASIAN GLOW
파란노을
SONHOS TOMAM CONTA
Downfall of the Neon Youth
Longinus
2021
 
 
 
 
 
 
[ kollaborativ | leidenschaftlich | graswurzelig ]
 
Eine Sache, die ich über Downfall of the Neon Youth gleich zu Anfang loswerden will ist, wie toll ich es finde, dass eine Platte wie dieser inzwischen etwas einigermaßen selbstverständliches hat. Dass drei junge indiebands, zwei davon aus Südkorea und eine aus Brasilien, sich kennenlernen, Songs für eine gemeinsame Split-LP aufnehmen, diese hin und her schicken und sie anschließend von einem internationalen Publikum gehört werden können. Ein Album wie dieses ist für mich also - obwohl es musikalisch an vielen Stellen doch eher retro klingt - insgesamt ein sehr modernes und zeitgemäßes Unterfangen, das auf wunderbare Weise aus einer Subkultur entwächst, die zu großen Teilen online stattfindet. Was gerade in den Nachwehen einer weltweiden Pandemie nochmal das unterstreicht, was inzwischen sehr einfach möglich ist. Wobei zumindest eine dieser drei Gruppen bereits sehr gut weiß, was es bedeutet, aus diesem Kontext heraus erfolgreich zu sein. 파란노을 (oder einfach Parannoul, wie ich ihren Namen im weiteren Verlauf dieses Artikels vereinfachen werde) aus Seoul waren dieses Jahr schon einmal Mittelpunkt eines kleineren Hypes, der ihr zweites Album To See the Next Part of the Dream plötzlich in den Fokus vieler Musiknerds schob und in deren Kreisen nach wie vor einer der Geheimtipps der laufenden Saison sein dürfte. Was natürlich dafür sorgte, dass auch dieses neue Stück Musik, bei dem sie immerhin zu einem Drittel beteiligt sind, bei den gleichen Leuten zum Gesprächsthema wurde. Wobei Downfall of the Neon Youth gerade für Fans der letzten Parannoul-Platte der perfekte Nachschlag sein dürfte, da er nicht nur vier neue Songs von ihnen selbst beinhaltet, sondern darüber hinaus zwei Bands vorstellt, die ihnen klanglich sehr ähnlich sind. Da wären zum einen ihre Homies Asian Glow, deren emoesker Shoegaze-Pop gerne mal ein Stück in Richtung Hardcore abdriftet und kompositorisch noch mehr Schmutz mitbringt als ihre doch recht soften Kollegen und zu anderen Sonhos Tomam Conta aus São Paulo, denen eher die ätherische Note liegt und die mitunter auch mal komplett in keifigen Blackgaze umkippen. Gemeinsam haben dabei alle drei Gruppen, dass ihr Songwriting sehr kaskadisch und hochemotional ist und sie gerne auch mal etwas dreckiger produzieren. Mehr noch als beim letzten Parannoul-Album ist digitales Clipping hier bewusste künstlerische Entscheidung, was definitiv besser klingt als es sich zunächst anhört und alles in allem irgendwie cool und DIY und punk wirkt. Überhaupt empfinde ich vieles hier als einen sehr zeitgenössichen Ausdruck der Arten und Weisen, wie vor der Jahrtausendwende selbstveröffentliche Indie-Releases funktioniert haben, nur eben mit den Möglichkeiten des digitalen Zeitalters. Auch die Tatsache, dass sich drei "kleine" Bands, die eigentlich nur online existieren, hier zusammentun, um gemeinsam mehr Aufmerksamkeit zu generieren und sich vielleicht auch eine physische Veröffentlichung leisten zu können. So oder so ähnlich funktioniert die Sache ja gerade schon bei vielen Bandcamp-Acts, hier jedoch erlebe ich erstmals eine Variante, in der das so deutlich an die Oberfläche kommt. Wobei man sich auch definitiv nichts vormachen braucht. Denn wenn die Frage ist, ob Downfall of the Neon Youth zu meht taugt als einem ziemlich guten DIY-Szenerelease, das für Fans interessant ist, dann gilt das in meinen Augen nur für die Beiträge der einen Band, die vorher schon die meisten kannten. Regelmäßig sind es ihre Songs, die mich hier aus der Trance des gazigen Äthers aufhorchen lassen, weil sie einfach so viel mehr Charakter in sich tragen und um Welten besser geschrieben sind. Die beiden anderen Gruppen sind dabei keinesfalls schlecht und mit Nails und One May Be Harming sind auch zwei echt fette Bretter von Asian Glow mit dabei, doch scheint es kein Zufall gewesen zu sein, dass nicht sie sondern ihre Kollegen dieses Jahr von so vielen entdeckt wurden. Die Entscheidung, wie man das hier findet, bricht sich letztendlich also auch ein bisschen daran, wie man das hier sieht: Als rumpelige Split dreier befreundeter Bands ist diese LP echt ein ziemlicher Hingucker, der auch in Sachen Kohärenz einiges leisten kann und stilistisch Sinn ergibt. Als vollwertiges Album jedoch ist es bestenfalls okay und eckt doch noch sehr oft an. Ich für meinen Teil will mich bei der ganzen Sache nicht so wirklich entscheiden und finde einfach, dass es seinen Zweck ganz gut erfüllt. Immerhin habe ich jetzt wieder ein paar interessante neue Künstler*innen entdeckt und noch ein paar zusätzliche Banger von einer der coolsten Neuentdeckungen des Jahres bekommen. Und wenn es um das geht, was mich hieran beschäftigt, dann ist das wohl am ehesten der Symbolcharakter, den diese Platte für graswurzelige Internet-Releases hat und wie diese 2021 stattfinden. Mit der Hoffnung, dass in Zukunft auch noch mehr von denen ihren Weg zu mir finden.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11

Persönliche Höhepunkte
Nails | Insomnia | Colors | One May Be Harming

Nicht mein Fall
-
 
 
Hat was von
Deafheaven
Infinite Granite
 
Toe
For Long Tomorrow
 
 

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